Returnal REVIEW

Im Kontext aktueller Trends ist Returnal ein durch und durch mutiges Spiel. In ihrem neuesten Werk kreieren Hosuemarque, die Virtuosen meisterhafter Shoot ´em Ups wie Resogun und Nex Machina, nämlich einen wilden Mix aus Bullet-Hell-Shooter und Roguelite, schütten eine große Ladung H.R. Giger inspirierter Designs und narrative wie motivische Mittel des Cthulhu-Mythos und der griechischen Mythologie drüber und ziehen das Ganze als Triple-A Game – und was für eines!

Ein Studio geht all-in

Faszinierend dabei ist wie sehr Returnal die DNS seines Studios widerspiegelt. Das Mitte der 1990er Jahre in Helsinki gegründete Studio ist eines der ältesten Finnlands und blickt auf eine lange Geschichte zurück, in der man sich vor allem der Arcade-Action verschrieben hat. Bei Kritikern und Fans stets beliebt, hat sich das Geschäft die letzten Jahre aber nicht mehr rentiert. 2017 rief man gar aus Arcade sei tot und widmete sich dem mittlerweile auf Eis gelegten Battle Royale Stormdivers, ehe man sämtliche Ressourcen auf das nun exklusiv für die PlayStation 5 erschienene Space-Horror-Abenteuer gelenkt hat. Ein waghalsiges Unterfangen, zumal das Studio mittlerweile über 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählt.

Umso mehr freut es mich, dass die Rechnung zumindest aus qualitativer Sicht aufgegangen ist. Zwar spielen Housemarque noch nicht in einer Liga mit Naughty Dog oder Insomniac Games, dennoch versprüht Returnal durch und durch das hohe Niveau, mit denen die PlayStation eigenen Studios gerade im Laufe der vergangenen PlayStation Generation so viel Reputation aufbauen konnten.

Grausame Zeitschleife

Hauptfigur ist Selene, eine Weltraumpilotin die nach einem Absturz auf den unwirklichen Planeten Atropos landet. Hier, wo es offensichtlich vor langer Zeit mal eine sehr fortgeschrittene Zivilisation gegeben hat, herrschen mittlerweile Tentakelmonster (H.P. Lovecraft lässt gewaltig grüßen) und andere Wesen, die alle gemein haben, das sie Selene nicht gerade freundlich gesonnen sind. Also kämpft sie sich durch die Scharen an Aliens und hofft irgendwie einen Weg nach Hause zu finden. Und dann stirbt sie…

…und wacht wieder auf! Und stirbt wieder…

…und wacht erneut auf! Selene hängt nämlich in einer Zeitschleife fest. Immer wieder beginnt diese mit dem Absturz auf Atropos, immer wieder endet sie mit dem Tod, immer wieder wacht Selene daraufhin neben ihrem abgestürzten Raumschiff auf. Dass das Konzept Zeitschleife in einem Roguelite auch narrativ aufgegriffen wird, ist nicht gänzlich neu. Auch das noch gar nicht so alte und ebenfalls mit Lorbeeren überhäufte Hades rahmt die spielmechanische Ausrichtung narrativ ein, Returnal geht aber noch einen Schritt weiter und richtet die Geschichte komplett auf den ständigen Loop aus.

Vermengt wird die Erzählung mit einigen Werken aus Film und Literatur, die als ziemlich offensichtliche Inspirationen ihren Weg ins Spiel gefunden haben. Die alte Alien-Zivilisation etwa erinnert stark an den Film Alien, H.P. Lovecrafts Geschichten um den kosmischen Horror und Krakengott Cthulhu habe ich ja schon eingangs erwähnt und auch die aus der griechischen Mythologie entliehenen Namen wie Selene, Atropos oder auch Helios, so der Name des Raumschiffes, sind nicht zufällig von den Storyschreibern gewählt worden. Dazu gesellen sich noch Motive der Schuld und selbst die Mondlandung wird auf eine eigenwillige Weise in das erzählerische Geflecht integriert. Ach, und habe ich bereits erwähnt, das es Abschnitte gibt, in denen man das Haus von Selene, welches aus irgendeinem Grund inmitten des fremden Planeten auftaucht, aus der First-Person-Perspektive erkundet, wobei ziemlich starke P.T. Vibes in mir hochgekommen sind?

Zufallsprinzip im Hochglanzformat

Bei der Inszenierung des Horrors besteht zwar noch Luft nach oben, dennoch beeindruckt Returnal mit seiner wohlig gruseligen Atmosphäre. Hier leistet nicht nur die prominent gesetzte Rahmenhandlung ihren Beitrag, sondern vor allem das Weltendesign. Im Laufe des Spiels bereist man insgesamt sechs Biome. Das Startareal etwa ist ein düsterer Dschungel, bei dem man die hohe Luftfeuchtigkeit förmlich durch den Fernseher heraus spüren kann. Das Biom besticht außerdem mit riesigen Statuen der ehemaligen Bewohner sowie den eindrucksvollen Bauten und Tempel, die nun von der Natur zurückeroberte Ruinen sind. Im dritten Abschnitt hingegen erklimmt man eine Zitadelle, die in ihrer Größe nur mit dem Wort „gigantisch“ beschrieben werden kann und gleichzeitig von der fortgeschrittenen Technologie der hier einst herrschenden Zivilisation zeugt.

Dass das Leveldesign einen derart starken Eindruck hinterlässt, ist umso erstaunlicher, da die Welt mit jeden Run neu erstellt wird. Prozedural ist hier das mittlerweile auch im Marketing gerne verwendete Stichwort. Interessanterweise werden die einzelnen Räume, deren Aneinanderreihung ein Biom ausmacht, aber nicht stets auf neue mit unter Beihilfe der unterschiedlichen Assets zusammengeworfen. Stattdessen gibt es pro Biom (meiner groben Schätzung nach) rund zwei Dutzend Räume, die von den Designern händisch gebaut wurden sind und die einfach per Zufall aneinandergekettet werden. So muss man sich zwar stets neu orientieren, erkennt nach einer Weile aber die Räume wieder und weiß zumindest wo sich wahrscheinlich versteckte Gegenstände verstecken oder von wo man die Gegner gut aufs Korn nehmen kann.

Live. Die. Repeat.

Wie es Spiele nun einmal so an sich haben, die nach dem Vorbild des Klassikers Rogue von 1980 geschaffen werden, so führt auch in Returnal jeder Tod an den Anfang zurück. Damit einhergeht auch der nahezu komplette Verlust all dessen, was man an Waffen, Items und Fortschritt bis zu diesem Punkt erspielt hat. Da sich die Finnen aber eher am Roguelite orientieren, behält man immerhin Key-Items und permanente Fähigkeiten wie den Schub. Und auch besiegte Bosse muss (aber kann) man nach einem Tod nicht noch einmal bezwingen. Jeder Neustart beginnt an der Absturzstelle der Helios. Im Raumschiff selbst kann man auf Computer zugreifen, die Statistiken über das eigene Spielverhalten ausspucken und auch die täglichen Herausforderungen kann man von hier aus starten. Diese sind übrigens empfehlenswert, da man hier mit Äther eine der wertvollsten Ressourcen im gesamten Spiel erhält. Mit Äther kann man an einer entsprechenden Gerätschaft etwa die zweite wichtige Währung Obolite kaufen bzw. Obolite in Äther tauschen. Obolite wiederum kann man einsetzen um Ausrüstung und Items zu kaufen, mit denen man beispielsweise die maximale Lebensenergie oder Nahkampfschaden erhöhen kann. Aber Vorsicht: alle Items und auch Obolite verschwinden nach einem Tod. Äther hingegen werden in den nächsten Run übertragen.

Tückische Helfer

Ebenfalls wichtig ist es sich mit den Parasiten auseinanderzusetzen. Die kleinen Aliens kann man sich an den Anzug heften um so von deren Fähigkeiten zu profitieren. Auch hier werden bestimmte Attribute gefördert oder gar erst aktiviert. Allerdings bringt jeder Parasit auch einen Malus mit sich, der mal mehr mal weniger stark ausfällt. In der Regel kann man den Nachteil ausgleichen indem man eine bestimmte Anforderung erfüllt, etwa eine vorgegebene Anzahl an Gegner eliminieren oder eine Kiste öffnen.

Und auch Items und Kisten können einen Schaden anrichten, denn manche Gegenstände in der Spielwelt sind verseucht. Praktischerweise kann man vor dem Aufheben eines Gegenstandes stets sehen ob dieser kontaminiert ist, im Falle der Parasiten wird der direkte Einfluss sogar im Detail beschrieben. Insofern hat man stets die Möglichkeit abzuwägen, was einem Gegenstand x und Fähigkeit y wert sind.

Meisterhaftes Gameplay

Die größte Sorge hatte ich im Vorfeld bezüglich des Perspektivwechsels. Nahezu alle vorherigen Spiele von Housemarque haben eine top-down-Sicht besessen, Returnal hingegen ist ein Shooter aus der Third-Person-Perspektive – und als solcher absolut meisterhaft! Das Gunplay und Movement erweist sich als enorm griffig und gleichzeitig befriedigend. Insbesondere in der Verbindung mit dem Dualsense und seiner adaptiven Trigger und dem haptischen Feedback wird ein intuitives wie immersives Spielgefühl geschaffen. Jeder einzelne Regentropfen, der auf Selene prasselt, wird spürbar, ist hingegen die Spezialfähigkeit der ausgerüsteten Waffe aufgeladen, so erhält man nicht nur ein akustisches, sondern auch ein Feedback via Vibration. Das sind zwar alles nur Kleinigkeiten, in ihrer Summe tragen sie aber, wie schon beim Remake zu Demon´s Souls und Astro´s Playroom, stark zur Immersion mit der Spielwelt bei.

Toll auch, wie sich jede der fremdartigen Alien-Waffen spielen lässt. Prinzipiell orientieren diese sich zwar an Pistolen, Schrotflinten, Maschinengewehren etc. Doch jede Waffe besitzt verschiedene Bonusprojektile, die mal Zielsuchend, mal Rüstungsbrechend sind. Sogar Tentakeln und Sphären, die automatisch Gegner ins Visier nehmen, kann man verschießen, sofern man den entsprechenden Bonus freigeschaltet hat. Einmal erspielte Boni für Waffen gehören übrigens auch zu den Dingen, die nach einem Tod bestehen bleiben. Jede Waffe besitzt außerdem einen sekundären Feuermodus. Diesen aktiviert man, indem man die mit einem Widerstand belegte linke Schultertaste komplett durchdrückt. Drück man L2 nur leicht an, visiert man Feinde hingegen an und kann so gezielt Schwachstellen anzielen, büßt dadurch aber auch an Bewegungsspielraum ein.

Abseits der Feuerwaffen gibt es außerdem noch die Möglichkeit mit einem Laserschwert in den Nahkampf zu gehen. Dieser ist erstaunlich mächtig, vor allem die kleineren Gegner sind meist mit einem Treffer bereits besiegt. Und bringt man mal einen von den großen Brocken ins Taumeln, so empfiehlt sich auch gegen diese der Einsatz mit dem schnell gezückten Schwert.

Glück und Frust

Bleibt noch die Sache mit dem Schwierigkeitsgrad. Ja, Returnal ist eines dieser Spiele, die ziemlich kompromisslos sind und nicht gerade das Gegenstück zu einem Spaziergang im Park darstellen. Aber gerade das macht diese Spielart in meinen Augen ja auch so spannend. Jeder Run ist ein bisschen wie eine Runde Poker. Es kommt nicht nur auf die eigenen Fähigkeiten an, sondern auch auf das Glück. Welche Parasiten und Items finde ich, welche Waffe mit welchen Boni? Das alles spielt durchaus eine Rolle. Gleichzeitig, und das ist ja das eigentlich Paradoxe an Roguelites, wird Returnal mit jeder gespielten Minute eher leichter als schwieriger. Denn jedes neue Upgrade und Gegenstand versetzt einen leichten Vorteil. Jeder Run bringt neue Erkenntnisse und Erfahrung.

Dennoch gibt es aktuell noch ein großes Problem: das Spiel neigt zu Abstürzen. Und auch andere Fehler treten immer wieder auf. In meiner ersten Playthrough hatte ich zwei Abstürze. Ärgerlich, in beiden Fällen aber nicht schwerwiegend, da sie recht früh im jeweiligen Durchlauf auftraten. Andere Spielerinnen und Spieler trifft es da schon härter. Ein Crash nach zwei Stunden Spielzeit kann frustrierend sein, vor allem da das Spiel keine Form von Autosave besitzt. Dabei sind Abstürze ja gar nicht mal das einzige Argument für eine entsprechende Absicherung. Ich spiele zwar gerne lange am Stück, aber man hat ja auch noch andere Verpflichtungen im Leben. Ich will ja zwischendurch auch mal etwas essen. Oder abends ins Bett gehen. Oder einfach eine Pause machen. All diese Situationen, in denen man die Konsole normalerweise ausschaltet, gehen in Returnal mit einem Verlust des aktuellen Runs einher. Zwar kann man die Konsole in den Ruhemodus versetzen, ohne das Spiel vorher zu schließen, sodass man aus dem Standby heraus direkt wieder weitermachen kann. Aber auch hier neigt das Spiel bzw. die PlayStation 5 ja bekanntermaßen zu Problemen in Form von Abstürzen. Das ganze geht sogar soweit, dass die Entwickler via Social Media in dieser Woche sogar nahe legen Autoupdates auszuschalten, da dadurch das Spiel im Ruhemodus beendet wird und somit auch der aktuelle Run futsch wäre. Offenbar hat Housemarque die Problematik aber mittlerweile erkannt, zumindest hat man via Twitter vermeldet man beobachte die derzeitige Diskussion innerhalb der Community.

Pro & Kontra

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Pro
  • wunderbare Verheiratung von Bullet-Hell, Roguelite, Third-Person-Action und Metroidvania
  • befriedigendes Kampfsystem
  • schöne Einbindung des Dualsense-Controllers sorgt für mehr Immersion
  • stimmungsvolle Klang- und Grafikkulisse
  • spannende Einwebung des Spielkonzepts in die Geschichte

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Contra
  • neigt zu Abstürzen und Bugs
  • das Fehlen einer Autosavefunktion, um einen Run wiederaufzunehmen, kann frustrieren

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Spiel Bewertung
Singleplayer
84
84
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Wow, was für ein Ritt! Returnal hat mich durch und durch gepackt, obwohl ich zuvor weder ein großer Freund von Roguelites war, noch sonderlich viel mit den vorherigen Werken des Studios anfangen konnte. Beim PlayStation 5 Debüt des finnischen Studios kommt aber irgendwie alles zusammen und beschert ein glorreiches Spektakel, bei dem Euphorie und Frust zum zerbersten nahe beieinander liegen. Ja, es gab Momente in denen ich mit meiner Fassung ringen und den Controller einfach beiseitelegen musste. Doch selbst in den Pausen zwischen meinen Runs musste ich immer wieder an das Spiel denken, habe mir im Kopf neue Strategien überlegt und mir selbst Mut gemacht, doch einfach ein bisschen mehr Vorsicht walten zu lassen und lieber einmal mehr auf Nummer sicherzugehen. Letztlich gibt es nämlich keine wirklich unfairen Stellen oder Gegner, die meisten Tode sind auf meine eigene Ungeduld oder Unkonzentriertheit zurückgegangen. Hatte ich dies erst einmal verinnerlicht, flutschte Returnal ziemlich gut durch und hatte eine hervorragende Zeit. Dennoch: eine Autosave-Funktion bzw. die Möglichkeit einen Run abspeichern zu können, damit man auch mal Pause machen oder einfach den anderen Dingen des Lebens nachgehen kann, sollte sich Hosuemarque noch einmal überlegen. An seiner Komplexität verliert das Spiel durch dieses quality-of-life Eingeständnis nichts und auch die Vision der Entwicklerinnen und Entwickler wäre hierdurch nicht gestört.

- Von  Adrian

Mit Returnal erhält die PS5 einen frühen wie ungewöhnlich mutigen Kracher spendiert.
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