Resident Evil 2 REVIEW
Auch wenn Resident Evil nicht zwangsläufig die Initialzündung des Survival-Horrors in Videospielen darstellte, so hat Capcom´s 1996 veröffentlichter Klassiker das Genre doch maßgeblich geprägt und wird selbst heute noch als Referenz zu ähnlichen Spielen herangezogen. Die über die Jahre stetig um neue Teile und Ableger ergänzte Reihe hat dabei natürlicherweise alle möglichen qualitativen Schwankungen durchgemacht, von sehr gut bis sehr schlecht. Wenn aber die leidliche Diskussion losgetreten wird, welcher Teil denn nun der beste sei, dann hört man zumindest bei vielen Fans der ersten Stunde immer wieder vor allem einen Titel: Resident Evil 2.
Auf ein Neues
Der direkte Nachfolger zum Serieneinstand erfolgte gut zwei Jahre später und löste den Hype um das Genre erst so richtig aus. Gleichzeitig erhob die Fortsetzung die Serie zu einer der bekanntesten Videospiel Marken – ein Status, der auch 16 Jahre später noch anhält. Dabei hat das Spiel vor allem in Deutschland eine eher unrühmliche Geschichte, denn schon kurze Zeit nach seinem Release wurde es von der damaligen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften einkassiert und auf den Index gesetzt. Anders, als die landläufige Meinung suggeriert, wurde das Spiel dadurch natürlich nicht aus dem kollektiven Gedächtnis deutscher Videospieler gestrichen und war unter der Ladentheke nach wie vor für Volljährige zu erwerben. Und da irgendjemand immer irgendjemand kannte, der das Spiel besorgen konnte, kamen zwangsläufig seinerzeit auch junge Burschen wie ich in den Kontakt mit dem Spiel. Trotzdem sorgte die Indizierung mit ihrem anhängenden Werbeverbot (wovon auch die Kritik betroffen ist) dafür, dass das Spiel nicht mehr beim Namen erwähnt wurde und eine Auseinandersetzung mit ihm und seinen Inhalt über offizielle Kanäle kaum stattfand.
Nun haben sich die Zeiten für Videospiele vor allem in den letzten Jahren drastisch verändert. Was in den 1990er Jahren als brutal und schockierend galt, das ist heute meist nicht sehr viel mehr, als grober Pixelmatsch und oftmals unfreiwillig komisch. Auch die mittlerweile andere, mehr und mehr auf ihren kulturellen Wert stattfindende Herangehensweise an Videospiele und ihre letztendliche strafrechtliche Beurteilung hat in den letzten Jahren zur Folge gehabt, das viele Titel nicht mehr übereilig auf den Index gesetzt werden, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Motivation und Sinn von virtueller Gewalt stattfinden kann. Nicht zuletzt hat der Paradigmenwechsel innerhalb entsprechender Gremien dafür gesorgt, das viele, teilweise längst vergessene Spiele, neu geprüft und oftmals auch vom Index gestrichen wurden. Dazu gehörte im Frühjahr 2014 unter anderem auch Resident Evil 2. welches gemeinsam mit der ungeschnittenen Fassung von Resident Evil 3: Nemesis, sowie Resident Evil: Code Veronica fortan wieder im freien Verkauf erhältlich ist.
Der Horror findet seinen Höhepunkt
Und das ist auch gut so, denn Capcom´s zweiter Streich hat es verdient, das man sich auch in Deutschland endlich mit seiner Wirkung und seinem Inhalt auseinandersetzen kann und das Spiel einer größeren Masse an Spielern leichter zugänglich ist. Dabei muss natürlich gleich gesagt werden, dass das Spiel aus einer nach heutigen Maßstäben stattfindenden Beurteilung nicht mehr die Wirkung von 1998 entfalten kann. Daher kann Resident Evil 2 in erster Linie auch nur als subjektive Retrospektive besprochen werden. Eine Generation, die in den letzten zehn Jahren ihre Videospielsozialisation erfahren hat, kann daher vielleicht nur schwer nachvollziehen, was den Horror-Klassiker seinerzeit so besonders gemacht hat. Und in vielen Belangen auch noch heute macht.
Die Handlung knüpft an die Geschehnisse des Erstlings an. Wir erinnern uns: merkwürdige Zwischenfälle in der fiktiven US-Stadt Raccoon City haben dafür gesorgt, das eine Sondereinsatzeinheit sich den Vorkommnissen vor Ort angenommen und die Sache genauer untersucht. Dabei hat sich herausgestellt, das eine ehemals als recht menschenfreundlich geltende Organisation namens Umbrella in ihrer wirklichen Firmenphilosophie das genaue Gegenteil vertritt. Denn nicht nur entwickelte die Firma im Geheimen Viren, welche als biologische Kampfstoffe an jeden verkauft werden sollten, der in der Lage war eine zufriedenstellend große Zahl ins Scheckbuch zu schreiben. Auch hat man sich dazu entschieden – wenn auch mehr unfreiwillig, als gewollt – die Viren einfach mal unter die Bevölkerung zu bringen und am lebenden Objekt zu testen. Das Ergebnis waren Zombies, grässliche Mutanten und andere Wesen, die man lieber in einem Horrorfilm weiß, anstatt in der Realität.
Zwei Monate später eskaliert die Lage in Raccoon City endgültig und die Stadt versinkt im Chaos. In dieser undurchsichtigen Lage hat der frisch von der Polizeiakademie kommende Leon S. Kennedy seinen ersten Tag, welcher statt mit einer fröhlichen Feier mit Kuchen und Papphüten in der örtlichen Polizeistation mit gammelnden Untoten und abgerissenen Gliedmaßen beginnt. Auch Claire Redfield, Schwester des aus dem ersten Teil bekannten Chris, hat sich die Suche nach ihrem Bruder in der mittlerweile vollkommen zerstörten Stadt sicherlich anders und vor allem weniger blutig vorgestellt. Die Marschroute fortan ist relativ klar und verleiht dem Genre auch seinen Namen. Allerdings ist das überleben inmitten des wahr gewordenen Horrors alles andere als einfach. Aber es geht wohl auch keiner davon aus, das Zombies, Mutanten und gemeine Videospiel-Entwickler mit Hang zu lachhaft unlogischen Rätseldesign eine einfache Hürden darstellen. Oder?
Interaktiver B-Horror
Seine stilistischen Wurzeln hat die Reihe ganz klar im schmuddeligen B-Horrorkino, in denen es vor allem auf visuelle Schauwerte und billige Schocktricks ankommt. Viele Elemente aus entsprechenden Pendants der großen Leinwand finden sich daher auch in Resident Evil 2“ wieder. Dies hat aber nicht nur einen Einfluss auf die Ästhetik und Grundstimmung, sondern auch auf die Handlung, die – wenn wir mal ehrlich sind – im großen und ganzen ziemlich hanebüchener Unfug ist, die dennoch aber ihren Unterhaltungswert besitzt und den Quatsch nicht so sehr auf die Spitze treibt, wie es spätere Serienableger gemacht haben. Für die starke ästhetische Verortung im Genre-Kino ist maßgeblich Serienvater Shinji Mikami verantwortlich, dessen Weggang von der Reihe nach Resident Evil 4 (dem zweiten großen Fanfavoriten) für einen nicht unerheblichen Teil der Spielerschaft auch gleichbedeutend mit dem Tod des bis heute existierenden Franchise ist.
Mikami hatte jedoch nicht nur die richtigen stilistischen Ideen zur richtigen Zeit, er wusste seinerzeit auch wie kaum ein andere Videospieldesigner wie man ein stringentes Spielerlebnis ohne jegliche Längen schafft. Diese Kompaktheit zeichnet das Spiel auch heute noch aus, denn was den Spielfluss angeht, so ist Resident Evil 2 auch außerhalb seiner eigenen Serie eines der für mich nach wie vor besten Beispiele dafür, wie ein virtuelles Abenteuer von Anfang bis Ende perfekt durchdacht wurde. Nach dem sehr fulminanten Anfang wechselt die Grundstimmung eher in bedächtigen Horror, der, wie gute Filme des Genres auch, in effektiv gelegten Abständen Höhepunkte und Schockmomente bereitstellt. Das war seinerzeit grandios und ist es – mit teilweise Zeit bedingten Abstrichen in Sachen Inszenierung und ihrer Wirkung – noch immer. Daran sieht man aber auch, wie gut Capcom seine Formel zu einem so frühen Zeitpunkt schon verstanden hat, denn im Grunde funktionieren auch aktuelle Survival-Horror Spiele nach einem nahezu identischen Muster und greifen die selben Muster auf, die schon Ende der 1990er Jahre ihre Wirkung erreicht haben.
Zombie killender Tofu
Eine der großen Besonderheiten von Resident Evil 2 war und ist das Capcom eigentlich zwei Spiele in eines integriert hat. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte schon der Vorgänger, war aber bei weiten nicht so konsequent. Die Rede ist von der zu Spielstart stattfindenden Entscheidung zwischen den beiden Protagonisten Claire und Leon und der damit einhergehenden Kampagne, welche sich nicht nur aufgrund der Charakterwahl unterscheidet, sondern auch, weil es ein sogenanntes A und ein B Adventure gibt, das durchgespielt werden will. Obwohl das Grundszenario an sich in beiden Kampagnen die selbe ist, unterscheiden sich beide Adventures im Detail doch angenehm großzügig voneinander. Man bekommt teilweise andere Rätsel, die Position von Items ist variiert, man kommt an andere Orte und auch der Schwierigkeitsgrad verlagert seinen Schwerpunkt. Darüber hinaus treffen Claire und Leon in ihren Kampagnen noch andere Charaktere, sodass sich auch andere Hintergründe zur Handlung ergeben. Hinzu kommt, das man nach dem erfolgreichen durchspielen beider Adventures noch zwei zusätzliche Modi erhält. Vollkommen absurd wird es dann schließlich, wenn man in einen der Bonus-Modi als menschengroßer Tofublock auf Zombiejagd geht.
Doch nicht nur der immense Umfang ist ein Garant für Spielspaß. Es ist auch das zugrunde liegende Gameplay, das nach wie vor einen großen Teil der Faszination ausmacht. Der Augenmerk des Spielmechanik liegt bewusst auf ruhige Momente um diese immer wieder punktuell durch das auftauchen diverser Kreaturen zu stören, die Claire bzw. Leon an die Wäsche wollen. Wie es in einem klassischen Survival-Horror sein sollte, so muss man durchaus abwägen ob ein Kampf klug ist oder nicht. Munition ist nämlich begrenzt, heilende Items muss man auch erst einmal finden und aufgrund der fummeligen Steuerung sind die Gefechte gerade in hektischen Momenten eine schweißtreibende Angelegenheit. Der taktische Anspruch, den zumindest klassische Genre-Vertreter wie Resident Evil 2 besitzen, wird gerne unter den Tisch gekehrt, macht aber einen nicht unerheblichen Teil des Spieldesigns aus, denn theoretisch ist es sogar möglich, dass aufgrund eines falschen Ressourcenmanagements das Spielende nicht erreicht werden kann oder man dazu gezwungen ist, einen früheren Spielstand zu laden um gemachte Fehler zu korrigieren.
Kreative Polizisten
Ein sehr berüchtigter Bestandteil der Reihe sind natürlich auch die Rätsel. Bekanntermaßen gehört Capcom zu jenen Entwicklern, die gerne mal durch absolut schwachsinniges Rätseldesign auffallen, welches sich bar jeglicher Logik präsentiert. Recht früh findet man beispielsweise im Besprechungsraum der Polizeistadtion, welche knapp 2/3 der Spielzeit als Hauptschauplatz dient, einen Kamin mit einem darüber hängenden Ölgemälde. Hinter diesen befindet sich offenbar ein Gegenstand, den man an anderer Stelle benötigt. Nun werden in Resident Evil 2 nicht einfach Bilder von der Wand genommen, nein, man macht es sich eine Spur komplizierter indem man den Kamin anzünden und warten muss bis genug Hitzeentwicklung stattgefunden hat, das sich das Bild auflöst. Dann erhält man schließlich einen Rubin. Dieser Rubin ist wiederum Teil eines anderen Rätsels, bei welchen man ihn und ein gleichwertiges Gegenstück in eine Statue einsetzen muss um – richtig – einen weiteren Gegenstand zu erhalten. Da soll doch mal einer sagen, Polizisten hätten zu viel Zeit und wüssten diese nicht zu nutzen.
Dieses eigentlich vollkommen blöde Rätseldesign, das sich durch den gesamten Teil und die Reihe zieht, wirkte schon vor 16 Jahren reichlich absurd. Allerdings führt es dazu, das man hin und wieder seinen Kopf anstrengen und richtig kombinieren muss. Es sind weniger die Gameplay Elemente, als vielmehr technische Gesichtspunkte die mit den Jahren etwas Staub angesetzt haben. Dabei ist natürlich vor allem die Grafik zu nennen, wobei hier sehr strikt zwischen Polygonfiguren und Levelhintergründen unterschieden werden muss. Während die Figurenmodelle nicht viel mehr als klobige Brocken sind, die hölzernen Animationsphasen während Dialogszenen immer wieder für Gelächter sorgen und Goreszenen im Pixelbrei unterzugehen drohen, so vermitteln die gerenderten Hintergründe nach wie vor eine stimmige, ja in Zusammenspiel mit dem gruseligen Soundtrack geradezu unheimliche Atmosphäre und wirken weitaus weniger antiquiert, wie andere grafische Elemente.