Psycho Pass – Mandatory Happiness REVIEW
Eine Gesellschaft, in der die Menschen zufrieden und friedlich miteinander leben und es de facto keine nennenswerte Kriminalität gibt – kann es das wirklich geben? Und wenn ja, zu welchem Preis? Der fantastische Anime Psycho Pass versucht seit 2012 eine Antwort auf diese Frage zu finden und erfreut sich dank seiner kompromisslosen Herangehensweise und dem dystopischen Setting großer Beliebtheit. Und wie es bei populären Anime oftmals ist, so dauert es nicht lange, bis die Lizenzen weitergereicht und für eine Videospieladaption genutzt werden. Im Falle von Psycho Pass – Mandatory Happiness stehen die Vorzeichen zunächst sehr gut und versprechen mehr als den oft mittelmäßigen Lizenzdurchschnitt zu bieten. Obwohl es sich angeboten hätte, wurde aus dem Stoff nämlich kein Action-Titel, sondern eine Visuel Novel mit Fokus auf die Erzählung gemacht. Und verantwortlich zeigt sich mit 5pb. (Steins;Gate) auch noch ein Studio, welches seine Qualitäten im Genre bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Warum das Spiel trotzdem nicht so ganz überzeugen kann, klärt der Test.
Big Brother war gestern
Psycho Pass spielt im Japan einer gar nicht mehr so weit entfernten Zukunft. Das sogenannte Sibyl-System errechnet von jedem Menschen die emotionale Stabilität und ist so in der Lage den idealen Lebensweg jedes Individuums vorzubestimmen. Die Verwendung dieser Technik hat die Kriminalitätsrate quasi auf Null sinken lassen. Offiziell sind alle Bürger mit ihrem Dasein zufrieden und gehen unbescholten ihrem Leben nach. Gleichzeitig leben sie aber in ständiger Angst davor, dass ihre Psyche durch äußere Faktoren beeinträchtigt wird und ihr „Hue“ Index, mit dem die psychische Stabilität eingestuft wird, ins Negative kippt. Geschieht das, so gelten sie als anfällig für kriminelle Handlungen – und damit als Gefahr für die Gesellschaft.
In diesem Fall tritt das Public Safety Bureau des Gesundheitsministeriums auf den Plan und versucht Schlimmeres zu verhindern. Für die oftmals brenzligen Einsätze der Ermittler werden lediglich psychisch enorm belastbare Personen in Betracht gezogen. Und – so ironisch das im Kontext dieser Welt zunächst auch klingen mag – verurteilte Verbrecher. Diese können ihrer Strafe entgehen und als Enforcer für das nationale Organ arbeiten, müssen aber jederzeit damit rechnen exekutiert zu werden, sofern ihr „Hue“ Wert bedrohliche Maße annimmt.
Lange Rede, kurzer Sinn: Psycho Pass – Mandatory Happiness verfrachtet uns in die Rolle eines Mitgliedes des Public Safety Bureau und erzählt eine vom Anime unabhängige Handlung, die sich in die Geschehnisse der ersten Staffel eingrenzt. Vor Spielstart hat man die Wahl zwischen einer weiblichen und einer männlichen Figur. Die große Rahmenhandlung ist unabhängig von der Charakterwahl dieselbe, allerdings besitzt jede der beiden für das Spiel neu erdachten Figuren eigene Handlungshintergründe. Zusätzlich wird man in der rund zehn stündigen Story immer wieder vor verschiedenen Entscheidungen gestellt, die sich marginal auf den weiteren Verlauf auswirken. Dadurch entsteht durchaus ein gewisser Wiederspielwert, das große Ganze wird aber nicht durch die unterschiedlichen Abzweigungen beeinflusst.
Nicht für jedermann
Wie Eingangs erwähnt ist Psycho Pass – Mandatory Happiness eine Visuel Novel. Für mich als großen Fan der Vorlage und des Genres ist das klasse, denn ein solch stimmiges Universum mit Augenmerk auf die Entwicklung der Charaktere und der Etablierung einer komplexen Geschichte ist der ideale Ausgangspunkt für diese Art von Spielen. Der hiesige Release auf PlayStation 4 und PS Vita ist außerdem ein weiteres Indiz dafür, das sich Publisher immer mehr trauen solchen Nischen auch außerhalb Japans eine Chance zu geben.
Im Vergleich zu den im Westen bekannteren und breiter akzeptierten Marken wie beispielsweise Ace Attorney ist Psycho Pass – Mandatory Happiness allerdings eine Visuel Novel, wie sie klassischer kaum sein könnte. Wo Capcom die Reihe über einen tollpatschigen Anwalt Visuel Novel mit Adventure-Mechaniken kombiniert, da besinnt sich die Adaption der Anime-Dystopie ganz auf die Wurzeln des Genres und zwingt den Spieler in eine passive Rolle. Und das heißt vor allem: lesen, lesen, lesen. Abgesehen von den gelegentlich eingestreuten Entscheidungsmöglichkeiten und einem kleinen Minispiel, welches man im Hauptmenü findet, findet keine Interaktion im geläufigen Sinne statt.
Distanziertes Erlebnis
Das sollte man wissen oder zumindest in den ersten Spielminuten akzeptieren lernen, andernfalls wird man wenig Freude an Psycho Pass – Mandatory Happiness finden. Wobei Freude hier sowieso das falsche Wort ist, denn wie der Anime, so will auch das Spiel unbequem sein und den Rezipienten mit unangenehmen Fragen und Wahrheiten konfrontieren. So wird man in seiner Rolle als frisch eingestellter Ermittler des Public Safety Bureau sehr bald mit diversen Fällen konfrontiert, in denen unter anderem das Leben eines Kleinkindes in Gefahr ist und eine Schülerin Opfer einer Entführung wird. Das Spiel macht schnell klar, das es nicht immer ein Happy End geben kann – und lässt den Spieler mit manchmal erschütternden Ausgängen zurück. Toll, dass die Storyschreiber der Vorlage treu geblieben sind und versuchen den Spieler ins Mark zu treffen.
Bei mir ist diese Rechnung allerdings nicht aufgegangen. Weder die mir aus der Serie bekannten Figuren, noch die Rahmenhandlung konnte mich fesseln und auch die verschiedenen Schicksale haben mich komplett kalt gelassen. Müsste ich mit dem Finger auf den Grund zeigen, so würde ich ihn in der Schreibe ausmachen. Obwohl die englische Lokalisation (deutsche Texte gibt es nicht) gelungen ist und der japanische Sprechercast des Anime eine gute Arbeit bei der Vertonung geleistet hat, so wirken die Dialoge, Gedankengänge etc. nicht lebendig. Diese „kalte“ Sprache ist zwar auch im Anime vorhanden und passt dort aufgrund des Settings sehr gut. Im Spiel will das Ganze aber nicht so recht funktionieren und verhinderte bei mir, dass ich mich in die Lage der Figuren und Situationen versetzen konnte.
Dazu kommt die sehr starre Inszenierung, die bei klassischen Visual Novels nun einmal üblich ist. Eigentlich ist Psycho Pass – Mandatory Happiness optisch durchaus ansprechend, zumal der Stil der Vorlage ohne Abstriche übernommen wurde. Allerdings wird für meinen Geschmack zu viel mit Standbildern und überschaubaren Szenerien gearbeitet. Während die Schauplätze komplett als Standbilder dargestellt werden, so verfügen zumindest die Charaktere in den Dialogszenen über einige Animationsphasen, wenn auch nicht sonderlich vielen.