Pikmin 4 REVIEW
Im Herbst 2015 verkündete Shigeru Miyamoto in einem Interview, ein viertes Pikmin sei so gut wie fertig. Danach kam für lange Zeit nichts und man wunderte sich mit der Zeit schon, was aus dem Spiel eigentlich geworden ist und warum sich Miyamoto zu der Aussage hat hinreißen lassen. Tatsächlich sollte es ganze fünf Jahre dauern, bis die Reihe mit einem Remaster von Pikmin 3 auf der Nintendo Switch debütierte, kurz darauf erschien mit Pikmin Bloom noch ein Mobile-Ableger im Fahrwasser von Pokémon GO und holte die bunten Kerlchen erstmals aus dem Nintendo Ökosystem. Letztlich hat es aber geschlagene zehn Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung des Vorgängers auf der Wii U gedauert, bis nun mit Pikmin 4 endlich einen neuen Hauptteil in den Läden und im Nintendo eShop verfügbar ist.
Bunte Helfer
Eigens für Konsole entwickelte Strategiespiele sind nach wie vor rar, obwohl längst bewiesen ist, dass das Genre auch mit Controller wunderbar funktioniert. Der erste Serienteil, 2001 für den GameCube veröffentlicht, hat das trotz einiger Kinderkrankheiten aus dem Stand heraus bewiesen und auch mit dem nunmehr vierten Teil bleibt das Konzept von Pikmin ziemlich einmalig im Genre.
Pikmin, das sind kleine Wesen, die auf Befehl unterschiedliche Aufgaben erledigen. Sie können Gegner angreifen, Material abbauen, Brücken bauen und vor allem Gegenstände transportieren. Die in unterschiedlichen Farben existierenden Männeken haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Rote Pikmin sind die klassischen Allrounder und sind sowohl im Kampf als auch im Transport gut geeignet und außerdem recht feuerfest. Gelbe Pikmin können etwa Elektrozäune niederreißen und lassen sich weitaus höher werfen, als ihre Artgenossen und kommen so auch an schwer erreichbare Orte. Schwarze Pikmin tragen quasi eine Rüstung aus Stein und sind daher gegen Angriffe ziemlich widerstandsfähig und können massive Wände einreißen. Neben anderen wiederkehrenden Typen gibt es mit den grün leuchtenden und den Eis-Pikmin zwei neue Arten. Erstere leuchten im Dunkeln und können außerdem einen mächtigen Helligkeitsangriff auslösen, der Gegner blendet. Der neue Eis-Typ hingegen friert Gegner und Wasser ein, was entsprechende Vorteile mit sich bringt.
Bühne frei für Otschin
Die Rahmenhandlung ist gewohnt simpel gestrickt. Der aus den ersten beiden Spielen bekannte Captain Olimar gilt nach wie vor als verschwunden, weshalb ein Rettungstrupp entsendet wird. Blöderweise macht das Raumschiff auf dem unserer Erde zum verwechseln ähnlich genannten Planeten PNF-404 eine Bruchlandung, weshalb eine weitere Rettungscrew losgeschickt wird. Wobei Crew ein wenig übertrieben ist, denn die Retter der Retter bestehen lediglich aus unserer im überschaubaren Figuren-Editor zusammengebauten Spielfigur sowie aus dem Hunde ähnlichen Otschin. Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Otschin der Star von Pikmin 4 ist.
Nicht nur sieht der gelbe Hund mit nur zwei Beinen und ohne Nase zum knuddeln süß aus, auch ist unser treuer Gefährte mindestens so praktisch, wie eine ganze Horde Pikmin. Spieltechnisch gesprochen, ist Otschin ein geradezu mächtiges Tool. Seine feine Spürnase, die, wie gesagt, visuell nicht vorhanden ist (aber nun gut), spürt Schätze, Pikmin, Ressourcen und verschwundene Mitglieder der Rettungsmannschaft auf. Man kann auf den Rücken von Otschin springen und mit ihm kleine Steigungen überspringen, Hindernisse durchbrechen, selbst große Gegenstände alleine transportieren, auf Gegner zustürmen und gegen diese kämpfen. Hätte Otschin auch noch die Trillerpfeife, mit der die eigentliche Spielfigur auf Knopfdruck verstreute Pikmin zurückruft, dann könnte der optional direkt steuerbare Hund nahezu alle Aufgaben des Spiels alleine lösen.
Zugängliche Strategie
Otschin ist die größte Neuerung und eine durch und durch gelungene. Davon abgesehen, macht der vierte Serienteil eigentlich nicht viel anders als seine Vorgänger. Angesichts von gerade einmal vier Spielen in einem Zeitraum von zwanzig Jahren ist das alles andere als ein Problem. Nach wie vor ist Nintendos Ansatz von einfach zugänglicher Strategie frisch und unverbraucht und ich wundere mich irgendwie schon, dass in zwei Jahrzehnten niemand das Konzept aufgriffen hat. Zugegeben, die Reihe war nie der große Verkaufsschlager und der jetzige Erfolg von Pikmin 4 dürfte nicht zuletzt auch aufgrund der enormen Verbreitung der Nintendo Switch von mittlerweile über 125 Millionen verkaufter Einheiten zurückzuführen sein. Dennoch wundere ich mich schon, wie sehr Strategie bis heute vor allem auf eine spitze Zielgruppe zugeschnitten ist, die hohen Anspruch sucht. Nintendos Gegenentwurf kann zwar auch in komplexe Rätsel und knackige Zeitvorgaben ausarten, diese sind aber fast alle optional.
Ein Pikmin für jedes Problem
Insgesamt gibt es sechs unterschiedliche Gebiete, darunter einen Garten, einen Strand und eine Küche. Alles ist riesig, Spielfigur, Otschin und Pikmin sind hingegen klein, entsprechend stellt ein Küchenstuhl ein zunächst schier unüberwindbar erscheinendes Hindernis dar, ebenfalls wie eine kleine Pfütze im Sand oder ein Gartensprinkler. Also greift man auf die speziellen Fähigkeiten der unterschiedlichen Pikmin-Typen zurück und sucht nach Lösungen. So bahnt man sich einen Weg durch die visuell hübsch gestalteten Oberwelten sowie die neuen Höhlen und erledigt verschiedene Aufträge. Neu sind nächtliche Ausflüge, in denen man lediglich Zugriff auf die leuchtenden Pikmin hat und in Tower Defense ähnlichen Auseinandersetzungen gegen stärkere Varianten der bekannten Gegner überleben muss.
Das Spiel unterscheidet in Haupt- und Nebenmissionen, wobei Letztere meist recht einfach gehalten sind. Da will ein Auftraggeber etwa, dass man 300 Pikmin erblühen lässt, indem diese Nektar trinken. Ein anderer Auftraggeber möchte, dass man Mitglieder einer anderen Forschungstruppe sucht, wieder ein anderer Auftraggeber ist damit zufrieden, wenn man neue Lebewesen auf dem Planeten entdeckt. Bis auf ein paar Ausnahmen, wo die Aufgabenstellung dann aber auch etwas kreativer ist, ist die Belohnung für das Erledigen der Missionen meist Rohmaterial. Aus diesem können Pikmin unter anderem Brücken und andere Strukturen bauen, um neue Wege zu schaffen, außerdem benutzt man Rohmaterial im Hub-Areal, um neue Items und Tools, etwa in Form von Elementarschaden negierende Ausrüstung, zu kaufen. Das Hub-Areal ist mäßig interessant, erfüllt aber seinen Zweck. Wie so oft denke ich mir aber auch hier, ein einfaches, gerne auch hübsch gestaltetes Menü hätte es getan.
Koop ohne Biss
Etwas mehr Zeit hätten die Entwickler gerne in den Koop-Modus investieren dürfen. In Pikmin 3 Deluxe war dieser ziemlich unterhaltsam und bot genügend Anreize, damit man sich zu zweit auf in die bunte Spielwelt begibt, in Pikmin 4 ist es leider das genaue Gegenteil. Denn die zweite Person kann nicht sehr viel mehr machen, als Steine werfen, um etwa Gegner abzulenken oder auch anzulocken. Eigentlich ist man als Player 2 zum zugucken verdammt und das ausgerechnet ein Nintendo First-Party-Spiel einen derart banalen Couch-Koop abliefert, ist bemerkenswert.
Immerhin hat man noch die Möglichkeit kompetitiv in den sogenannten Dandori-Duellen mit einer weiteren Person zu spielen bzw. gemeinsam gegen die CPU anzutreten. In diesen Duellen, die auch in der Kampagne immer wieder als knackige Herausforderung eingestreut werden, muss man in einer vorgegebenen Zeit möglichst viele Punkte sammeln. Dies macht man vor allem, indem man Schätze sammelt oder Gegner besiegt und diese in die eigene Basis bringt. Mitunter sind die Gefechte gerade mit aktivierten Items und Handicaps herrlich chaotisch und machen für ein paar Runden auch wirklich Laune.
Pro & Kontra
- wunderschön gestaltete Oberwelten mit Höhlen und anderen spannenden Entdeckungen
- zwei neue Pikmin-Typen erweitern das Roster und damit die Möglichkeiten
- Otschin!!!
- Dandori-Duelle bringen Würze in den Ablauf
- Koop-Modus der diesen Namen kaum verdient
- Story ähnelt sehr den Vorgängern und reizt das Potenzial nie aus
- redundante Nebenmissionen