Onrush REVIEW
Mit Onrush will Codemasters Cheshire (ehemals Evolution Studios) das Genre der Arcade-Racer gehörig umkrempeln. Zumindest zieht das neueste Projekt der ehemaligen Motorstorm und Driveclub Macher schon auf dem Papier Interesse auf sich, schafft man doch eine der goldenen Regeln des Genres ab und kreuzt Rennspiel mit Elementen, die man eher aus Ego-Shootern gewohnt ist. Ob das Spaß macht?
Du bist Erster? Wen kümmert´s?
Wer als Erster über die Ziellinie fährt, gewinnt – diese Regel existiert nicht nur in nahezu allen Varianten des realen Rennsports, sondern auch in virtuellen Racern. Onrush schafft eben diese Vorgabe nun aber ab und ersetzt sie durch andere Regelwerke. So gewinnt – je nach Modus – nämlich derjenige, der ordentlich rempelt und die Konkurrenz vom Kurs fegt und somit das eigene Punktekonto nach oben hebt. Dies ist etwa im Switch-Modus der Fall, der am ehesten mit der klassischen Deathmatch-Variante zu vergleichen ist. Jeder Fahrer hat hier drei Leben zur Verfügung, sind diese verbraucht, kann man dennoch noch weiter fahren. Im Lockdown genannten Modus siegt hingegen, wer am meisten von den sich bewegenden Zonen einnimmt. In der Tat kann man sich den Spielablauf also wie ein Call of Duty und Overwatch auf Rädern und ohne Waffen vorstellen.
Ein weiterer Aspekt aus dem Shooter-Genre ist das Team(play). Modi, in denen man Einzeln unterwegs ist, gibt es nämlich nicht, stattdessen ist man sowohl im Solo- wie auch im Multiplayer-Part stets in einer Mannschaft mit fünf weiteren Fahrern auf den Rundkursen. Dazu passt, das sich jedes Fahrzeug (aktuell sind es acht verschiedene) unterschiedlich fahren lässt. Wählen kann man aus Zwei- und Vierrädern, dabei etwa ein Crossbike und ein Buggy. Manche Vehikel sind eher klassische Support-Klassen und versorgen die Kollegen mit Energie und Schilden, andere Fahrzeuge hingegen sind klar auf Konfrontation ausgelegt und rammen mit Leichtigkeit die Gegner ins Aus oder aktivieren zerstörerische Spezial-Manöver.
Rammbock auf Speed
Um eine Spezial-Aktion ausführen zu können, muss man zuvor aber erst die entsprechende Leiste aufgefüllt haben. Dies macht man wiederum, indem man mit Vollgas und im Rush-Modus über die Strecken brettert. Die Rush-Anzeige wiederum füllt man auf, indem man waghalsige Sprünge ausführt, mit den Bikes trickst, die Gegner rammt und bestenfalls eliminiert und das Kanonenfutter in Form grauer, von der KI gelenkter Fahrzeuge zerstört. Das mag vollkommen chaotisch klingen – und ist es auch. Doch gerade das unterscheidet Onrush angenehm von der Konkurrenz und erweist sich als Merkmal, das so im Genre einmalig ist. Und obendrein macht das rüpelhafte Rasen auch noch verdammt viel Laune!
Unsichtbares Team
Leider krankt Onrush aber an einigen Macken. Einige von diesen könnten in der Zukunft (so hoffe ich) beseitigt werden, beispielsweise der derzeit noch recht spärliche Umfang. So gibt es aktuell „nur“ zwölf Strecken, die zwar allesamt abwechslungsreich gestaltet sind, die man aber nach einigen Stunden eben auch in- und auswendig kennt. Auch bietet keine Strecke bisher etwas richtig Neues, stattdessen fährt man durch Wüsten-, Eis-, Dschungel- und andere vertraute Landschaften. Auch bei den Modi darf es in Zukunft gerne etwas mehr sein, denn auf lange Sicht sind vier Spielvarianten doch etwas wenig. Nicht zu wenig gibt es hingegen von den kosmetischen Items, mit denen man die Avatare der Fahrer und Fahrzeuge anpassen und individualisieren kann. Gut: Sämtliche Items müssen erspielt werden. Entweder man kauft sie mit der Ingame-Währung oder man öffnet erspielte Lootboxen. Verbesserungen gibt es hingegen nicht, somit sind die Bedingungen faktisch immer gleich. Bleibt zu hoffen, das sich die Entwickler bzw. der Publisher hier nicht eine Hintertür offen hält und im Nachhinein Mikrotransaktionen gegen Echtgeld integriert…
Negativ aufstoßen dürfte einigen Spielern derweil der spärliche Umfang für Solisten. Es gibt zwar unterschiedliche Ligen mit verschiedenen Herausforderungen, diese kann man aber locker an einem oder zwei Nachmittagen durchspielen. Sonderlich fordernd sind sie sowieso nicht, weshalb zumindest ich auch keine große Lust verspürt habe, sie nach Beendigung noch einmal anzugehen. Onrush ist somit in erster Linie auf seinen Multiplayer ausgelegt. Gerade wenn man mit Leuten aus der eigenen Freundesliste unterwegs ist und via Voice Chat nebenher ein bisschen quatscht, macht das enorm viel Spaß und eignet sich perfekt als Feierabend-Spiel, alle anderen Spielersind hingegen auf das Matchmaking angewiesen. Leider gibt es so gut wie keine Möglichkeiten mit fremden Spielern zu interagieren, letztlich kocht doch jeder sein eigenes Süppchen und fährt für sich alleine.
Schnee von gestern
Auch in technischer Hinsicht hinterlässt Onrush ein zweigeteiltes Bild. Während die treibende Musik und ihre Abmischung phänomenal sind und die Entwickler es außerdem geschafft haben ein immersives Geschwindigkeitsgefühl zu inszenieren, so wirken die Umgebungen doch recht detailarm und steril. Man muss ehrlicherweise aber auch anmerken, dass in der Regel kaum Zeit bleibt, um auf die Landschaften zu achten, was die Entwickler wohl auch wussten und ihre Zeit daher bewusst in andere Bereiche gesteckt haben. Die Prioritäten liegen daher auch eher im Rausch und den flotten 60 Bildern pro Sekunde, die selbstredend einiges hermachen. Zumindest beim Schadensmodell hätte ich mir aber einen höheren Detailgrad gewünscht. Zwar verbeulen die Karossen bei den spektakulären Zusammenstößen befriedigend und werden bei besonders schweren Karambolagen auch gerne in Stücke gerissen, doch an die aberwitzigen Crash-Spektakel eines Burnout reicht es nicht heran.