Kena: Bridge of Spirits REVIEW
Im Rahmen der offiziellen Enthüllung der PlayStation 5 und ihrer ersten Spiele lag der Fokus natürlich auf den großen Marken von Sony und der Partnerstudios. Darüber hinaus konnten aber auch einige kleinere Entwickler die große Bühne nutzen und ihre Titel präsentieren. So auch Ember Lab, die mit ihrem Kena: Bridge of Spirits Social Media und Foren in Sturm erobert haben. Vor allem die grafische Qualität und der wunderschöne Artstyle verblüffte nicht wenige. Da stellte sich auch mir die Frage: kann das Spiel etwas oder handelt es sich um einen Blender?
Wachgerufene Erinnerungen
Die positive Antwort vorweg: ja, Kena: Bridge of Spirits kann mehr als schön aussehen. Allerdings fällt es ein bisschen aus dem Schema aktueller Spiele heraus. Zwar gibt es Kletterpartien, wie in Uncharted. Man kämpft mit einem Bogen, wie in Horizon Zero Dawn. Die Struktur und das Bombem-Item erinnern hingegen unmissverständlich an The Legend of Zelda. Dennoch ist das Spielgefühl kein komplett modernes. Stattdessen habe ich beim Spielen immer wieder an vergleichbare Action-Adventures der Gamecube-Ära denken müssen. Und das meine ich positiver, als es vielleicht klingen mag.
Bei Ember Lab hat man sich sehr offensichtlich von bewährten Elementen inspirieren lassen, was für ein Studio, welches sein erstes Spiel veröffentlicht und ursprünglich gar nicht aus dem Bereich der Games kommt, mehr als sinnig ist. Die Umsetzung spielt sich in jeden Fall gut und obwohl ich immer wieder die Inspirationen vor den Augen hatte, so entwickelt Kena: Bridge of Spirits über seine Laufzeit eine eigenständige DNS.
Tolle Heldin, aber leider keine gute Erzählung
Heldin ist die titelgebende Geisterführerin Kena. Ihre Aufgabe ist es Geister, die sich noch an die weltliche Welt klammern, in das nächste Leben zu führen. Zu Beginn ihres Abenteuers trifft sie etwa auf zwei junge Geschwister, die nach ihrem Bruder suchen, später trifft Kena auf Menschen mit ähnlichen Schicksalen. Die Suche nach einem geliebten Menschen, die Angst um den Verlust, Tod aber in gewissen Sinne auch Wiedergeburt sind zentrale Themen der Geschichte. Im Kern ist diese auch interessant, einige emotionale Momente inbegriffen.
Zu Beginn hat der Plot aber ziemliche Startschwierigkeiten, was auch an dem seltsam unvermittelten Einstieg liegt. Wer Kena ist, was sie macht und warum sie es macht, wird eigentlich nie so wirklich erklärt, auch wenn man es sich am Ende irgendwie zusammenreimen kann. Das ist umso bedauerlicher, da Kena als Hauptfigur eigentlich ziemlich cool und sympathisch ist. Auch ihr für Videospiele eher untypischer Look hat es mir ziemlich angetan. Leider sind aber nahezu alle Figuren nicht sonderlich tiefgehend ausstaffiert.
Dennoch wird das Spiel bis zum Ende nicht langweilig. Hier ist aber auch die angenehm kurze Spielzeit von rund zehn bis zwölf Stunden sehr zuträglich. Die Entwickler wussten offenbar sehr gut, was sie für ein Spiel haben und haben die ideale Länge gefunden. Gelungen ist auch der Wechsel zwischen den spielerischen Elementen. Weder das klettern, noch das rätseln, noch das Kämpfen haben an ihren Reiz verloren. Alle genannten Mechaniken sind vergleichsweise simpel, erhalten mit der zeit aber etwas mehr Tiefgang.
Kena´s Säulen
Ab der zweiten Hälfte werden die Plattforming-Abschnitte angenehm anspruchsvoll. So muss man immer wieder zerstörte Brücken mit der Bombe reaktivieren (klingt seltsam, aber spirituelle Kraft funktioniert hier einigermaßen als Erklärung). Allerdings sind die wieder errichteten Konstruktionen nur für eine kurze Zeitspanne aktiv, weshalb man sich sputen muss. Auch die Rätsel lassen sich durchaus sehen. Ein wichtiges Element sind hier die Rott. Das sind die kleinen Begleiter, die Kena nach und nach einsammelt und die sicherlich nicht von ungefähr an die Rußlinge aus dem Animationsfilm Mein Nachbar Totoro erinnern. Die kleinen Kreaturen sind aber nicht nur unfassbar putzig, sondern auch ziemlich stark und können sogar größere Objekte bewegen. Ähnlich wie in Pikmin, befiehlt man die Rott und lässt sie Statuen und andere Dinge bewegen. Auch reinigen die Rott verunreinigte Areale, die sich in der ansonsten wunderschönen Spielwelt ausbreiten.
Und natürlich stehen die Wesen einem auch im Kampf zur Seite. Die meiste Arbeit macht zwar Kena, die mit ihrem Stab auch Gegner eindrischt und später auch einen Bogen erhält. Allerdings gibt es diverse Spezialattacken, etwa einen Rott-Hammer oder einen mit Rott aufgeladenen Pfeilschuss. Die Kämpfe gegen die Standardgegner sind…okay. Sonderlich viel Anspruch kommt hier nicht auf, selbst auf den höheren Schwierigkeitsgraden. Das ändert sich aber schlagartig, wenn man sich den Bossgegnern gegenüber sieht. Nein, ich werde keinen Vergleich zu gewissen Spielen wie von gewissen Studios ziehen, die mit From anfangen und mit Software aufhören. Aber das man sich auch bei Ember Lab an entsprechenden Titeln orientiert hat, ist kaum von der Hand zu weisen.
Dunkle Seelen stehen Pate
Die Bosskämpfe haben mir übrigens sehr gut gefallen, auch wenn ich zunächst etwas irritiert vom angezogenen Schwierigkeitsgrad war. Spätestens gegen Bosse werden auch die zusätzlichen Fähigkeiten von Kena wichtig. So kann diese Angriffe parieren, indem sie kurz vor dem gegnerischen Aufschlag ihren Schutzschild aktiviert. Hat man das Timing gut drauf, kann man schön mit den Gegnern spielen und auf jede Parade einen Gegenschlag ausführen. Mit dem Schutzschild lassen sich Angriffe auch nahezu komplett abblocken, allerdings lässt sich die Fähigkeit nicht unendlich oft verwenden und besitzt eine Abklingzeit. Im letzten Spieldrittel erhält man außerdem noch einen Dash. Mit diesem kann man Angriffen schnell ausweichen, richtet man den Hechtsprung aber gegen einen Feind, so taumelt dieser für kurze Zeit und ist ohne Gegenwehr angreifbar.
Leider habe ich ziemlich schnell festgestellt, dass man den Dash ausnutzen und mit sämtlichen Bossen kurzen Prozess machen kann. Gerade in Kombination mit den Rott-Angriffen, kann werden die späteren Gegner zum Klacks. Das ist insofern schade, da die Bosse echt ziemlich cool sind und auch mehrere Phasen mit sich bringen. Und auch die Ideen, die hier gezeigt werden, sind nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Umsetzung cool.
Atemberaubende Spielwelt, wunderschönes Artdesign
Zwischen den drei großen Säulen (Plattformer, Rätsel und Kämpfe) bewegt man sich durch die zwar weitläufige, aber im Kern doch recht lineare Spielwelt. Hier locken diverse Geheimnisse in Form von versteckten Truhen, zusätzlichen Kämpfen und Kopfbedeckungen, die man den Rott aufsetzen kann und die dadurch nur noch süßer werden. Die Belohnungen sind zwar wenig spannend, dennoch hatte ich großen Spaß die Spielwelt zu erkunden.
Das liegt natürlich nicht zuletzt an der visuellen Gestaltung, die in jeder Hinsicht meinen Geschmack getroffen hat. Die merklich von historischen japanischen Bauten aber auch der japanischen Mythologie inspirierte Welt ist einfach wunderschön – punkt. Hier merkt man dann auch wirklich, woher Ember Lab eigentlich kommt. Ich will noch einmal festhalten: Kena: Bridge of Spirits ist das Erstlingsspiel eines Indie-Studios, welches eigentlich aus der Werbebranche kommt. Vor allem mit 60 Frames und 4k-Auflösung auf der PlayStation 5 ist das Spiel ein visueller Genuss.
Lediglich eine inszenatorische Entscheidung fällt hier raus. Die Zwischensequenzen wurden nämlich vorgerendert und liegen nur mit 24 Frames vor, wie es etwa bei Spielfilmen üblich ist. Und dieser Kontrast zwischen 60 FPS Gameplay und 24 FPS Videos ist seltsam und hat mich vorallem zu Beginn immer wieder rausgerissen. Dabei sind die Videoszenen ziemlich stimmungsvoll und auch aus cineastischer Perspektive ansprechend gemacht. Und auch die Übergänge zwischen Spiel und Video könnten organischer gelöst sein.
Nachholbedarf
Kritik muss ich auch an den Accessibility-Optionen üben. Abgesehen von frei konfigurierbaren Button-Layouts, ist da nämlich nicht viel mehr. Die Untertitel sind ziemlich klein und lassen sich weder in anderen Farbtönen noch mit Hintergrund versehen. In den Videos ist das noch einigermaßen okay, da diese im Breitbildformat vorliegen und die Untertitel im unteren Balkenbereich abgespielt werden. Ingame allerdings ist es stellenweise nahezu unmöglich die Texte zu lesen.
Ein weiteres Problem ist die Steuerung. Ja, man kann das Layout anpassen. Dennoch ist die Steuerung an Anbetracht der eher überschaubaren Aktionsmöglichkeiten von Kena unnötig krampfig. Um den Dash auszuführen, muss man beispielsweise erst den Schutzschild aktivieren und die Taste gedrückt halten und gleichzeitig die Dash-Taste plus Richtungstaste drücken. Ein weiteres Problem ist das Anvisieren der Bossgegner. Hier hatte ich immer wieder das Problem, das, obwohl ich den Gegner anvisiert habe, sich der Fixpunkt automatisch gelöst hat oder es zu Problemen mit der Kamera gekommen ist.
Pro & Kontra
- spaßiges Gameplay mit Plattforming, Rätseln und Kämpfen
- tolle Heldin und Setting
- wunderschöne Spielwelt, die zum Erkunden anregt
- grandioser Soundtrack
- spätere Bosskämpfe haben angenehmen Schwierigkeitsgrad
- Kena und ihre Motivation bleiben einem fremd
- die eigentlich interessante Geschichte wird nicht gut erzählt
- Nachholbedarf bei den Accessibility-Optionen