Castlevania (Netflix) REZENSION
Seit dem 7. Juli ist die mit Spannung erwartete, eigenproduzierte Adaption des Videospiel-Klassikers Castlevania auf Netflix verfügbar. Im Vorfeld versprachen die Macher einen Anime, der sich durch eine ähnliche Gangart wie Game of Thrones hervorheben würde und sowohl Fans, wie auch mit dem Franchise unerfahrene Zuschauer abholen solle. Ein ambitioniertes Vorhaben. Zu ambitioniert?
Der Fluch von Dracula
Die Handlung der Serie orientiert sich lose an dem 1989 erschienenen Castlevania III: Dracula’s Curse und ist im späten 15. Jahrhundert verortet. Im Zentrum steht Trevor Belmont, letzter noch lebender Abkömmling des einst so einflussreichen Belmont Clans. Ohne Bleibe und ohne wirkliches Ziel reist Trevor durch Walachei, bis er eines Tages in einer von Dämonen belagerten Stadt ankommt. Jede Nacht auf´s Neue jagen die Wesen der Hölle die Bewohner der Stadt, ermorden wahllos Kinder, Frauen und Männer. Gleichzeitig wütet ein brutaler Bischof und verfolgt all jene, die in Verdacht stehen schwarze Magie zu nutzen oder auf der Seite der Dämonen zu stehen.
Besagter Bischof ist an der Misere der Stadt alles andere als unschuldig, war er es doch, der Lisa, die geliebte Frau von Dracula, der Hexerei angeklagt und sie auf einem Scheiterhaufen verbrannt hat. Unfähig seine geliebte Frau vor den Flammen zu retten, schwor Dracula daraufhin brutale Rache. Belmont geht dies eigentlich nichts an, dennoch wird er an die Ehre und das Erbe seiner Familie erinnert, die sich schon in der Vergangenheit den Mächten der Unterwelt entgegen gestellt hat…
Nah an der Vorlage
Die erste Staffel der lediglich als Castlevania betitelten Umsetzung umfasst gerade einmal vier Episoden mit einer Lauflänge von knapp 23. Minuten pro Folge. Der geringe Umfang ist bedauerlich, noch bedauerlicher ist allerdings, das wir uns bis zum nächsten Jahr gedulden müssen, ehe die bereits angekündigte zweite Staffel an den Start gehen wird. Bedauerlich, da die Adaption des Videospiel-Klassikers in beinahe allen Belangen überzeugen kann.
Wenig überraschend hegten viele Fans im Vorfeld teilweise große Skepsis gegenüber dem Projekt. Denn anders, als bei anderen eigenproduzierten Anime-Serien hat Netflix für Castlevania kein japanisches Studio engagiert. Stattdessen wurde mit den Frederator Studios (Adventure Time) eine westliche Produktionsfirma ins Boot geholt. Diese orientieren sich zwar optisch am japanischen Animationsstil, haben aber gleichzeitig einen eigenen Ansatz gefunden und etwas Eigenständiges geschaffen. Erfreulicherweise konnten die Frederator Studios offenbar einen Großteil des Budgets für die Animationen verwenden.
Gerade die erste Episode überzeugt in visueller Hinsicht von vorne bis hinten. In den verbleibenden Folgen sinkt die Qualität zwar leicht ab, bleibt aber dennoch auf einem guten Niveau. Insbesondere bei den reichlich vorhandenen und überraschend blutig inszenierten Actionszenen wurde merklich Sorgfalt und Detailarbeit investiert. Die verschiedenen Handlungsorte sind ebenfalls stimmig inszeniert und erzeugen eine schaurige Grundstimmung – ganz wie man es von der Vorlage gewohnt ist.
Lediglich die stellenweise etwas hakeligen Animationen und das Charakter-Design waren für mich zunächst gewöhnungsbedürftig. Wie viele andere Fans, so verbinde ich das Design der Figuren mit dem gotisch angehauchten Stil von Ayami Kojima, die das Spiele-Franchise seit Castlevania: Symphony of the Night (1997) begleitet und viele Jahre in optischer Hinsicht stark geprägt hat. Ihr unverwechselbarer Stil stand sichtbar Pate, wird aber nicht erreicht. Das soll weniger eine negative Kritik, als vielmehr eine Beobachtung sein die sicherlich auch den ein oder anderen Fan zunächst abschrecken könnte.
Kurzes, aber großes Vergnügen
Dennoch ist Castlevania ein großes Vergnügen, der sowohl bei Fans, wie auch unbelasteten Zuschauern ankommen wird. Den selbstbewussten Vergleich mit Game of Thrones kann ich zwar erkennen, vielmehr atmet die Adaption in meinen Augen aber den Spirit von Berserk, gemischt mit einer Spur Van Hellsing. Überrascht hat mich vor allem der hohe Gewalt-Grad. Zwar ist auch die Vorlage durchaus blutig und geizt nicht mit schaurigen Szenen, der Anime geht in dieser Hinsicht aber noch einmal einen Schritt weiter und wirkt wesentlich rauer.
Der vornehmlich als Comicautor arbeitende und hier für die Adaption der Handlung engagierte Warren Ellis beweist außerdem ein gutes Händchen für eine stimmige Ausarbeitung der Figuren und gekonnte Etablierung von Handlung und Welt. Zwar wirkt die Progression der Story immer mal wieder etwas gehetzt, doch dies ist eher der leider zu kurzen Spielzeit geschuldet, weshalb ich hoffe, das die zweite Staffel sich mit einer eventuell erhöhten Episoden-Anzahl mehr Zeit lassen darf.
Sehr lobenswert hervorheben muss ich außerdem die Sprecher. Gerade der englischsprachige Cast ist mit Richard Armitage (Der Hobbit) als Trevor Bermont, Graham McTavish (Der Hobbit) als Dracula und Matt Frewer (Eureka) als Bischof stark besetzt. Aber auch die deutschen Sprecher machen ihren Job sehr gut und verleihen ihren Figuren Profil.
Fazit
Die anfängliche Skepsis ist schnell der angenehmen Überraschung gewichen. Castlevania ist eine richtig gute Adaption der berühmten Videospiel-Reihe geworden und geht bewusst und selbstbewusst mit der zugrunde liegenden Vorlage um. Zwar wirkt das Erzähltempo mitunter etwas gehetzt und schon nach vier Folgen ist leider auch schon Schluss. Dennoch haben die Beteiligten hier einen wirklich guten Anime vorgelegt, der in Sachen Story und Umsetzung überzeugt und sowohl Fans, wie auch Neueinsteiger mit Interesse an einem stimmigen Horror-Anime abholen dürfte.