Call of Duty: Black Ops Cold War REVIEW
Studio Raven Software, das in Madison, Wisconsin beheimatete ist, hat in den drei Jahrzehnten seines Bestehens so einige Klassiker des Shooter-Genres auf den Markt gebracht. Doch die Zeiten, in denen man das Unternehmen mit Spielen wie Heretic, Soldier of Fortune und Star Wars Jedi Knight in Verbindung gebracht hat, liegen schon lange in der Vergangenheit, denn im letzten Jahrzehnt ist Raven eigentlich nur als Zuarbeiter für das Call of Duty Franchise in Erscheinung getreten. Mit dem aktuellsten Ableger Call of Duty: Black Ops Cold War dürfen die Amerikaner nun das erste Mal seit der Übernahme durch Activision wieder ein (nahezu) komplett eigenständig entwickeltes Spiel vorlegen und nutzen ihre Chance auch gleich um ein bisschen frischen Wind ins Franchise zu bringen.
Fulminanter Auftakt
Schon der Einstieg hat es in sich. Nach einem kurzen, das Setting etablierenden Intro, wechselt die Szenerie von realen Nachrichtenbildern ins Gameplay und damit in eine Bar im Amsterdam der frühen 1980er Jahre. Als Mitglied einer verdeckten CIA-Mission ist man auf der Spur eines Terroristen, der in Besitz wichtiger Informationen rund um einen russischen Agenten namens Perseus sein soll. Der brachialen Schießerei über den Dächern der holländischen Hauptstadt folgen Ausflüge nach Ostberlin, in die Türkei, nach Russland und Vietnam, die ebenfalls nicht an Action geizen, aber auch einige ruhige Passagen liefern.
Plötzlich progressiv?
Darüber hinaus gibt es einige durchaus spannende Designentscheidungen. So erstellt man nach dem Auftakt eine eigene Spielfigur, bei welcher man nicht nur die ethische Zugehörigkeit, die Geheimdienstvergangenheit, die Hautfarbe sowie das psychologische Profil festlegt, sondern auch die Wahl zwischen männlich, weiblich und dem non-binären Geschlecht hat. Sieht man mal vom Profil ab, durch welches man der eigenen Figur zwei Perks, wie zum Beispiel mehr Lebensenergie und das schnellere Ziehen der Waffe, mitgibt, haben die im entsprechenden Auswahlbildschirm getroffenen Auswahlmöglichkeiten so gut wie keine Auswirkung auf den Verlauf des Spiels. Das aber ausgerechnet das politisch eher konservative bis rechte Call of Duty geradezu progressiv agiert, hat mich ziemlich überrascht und mir Hoffnungen gemacht, das die alten Mühlen vielleicht doch einmal in eine etwas andere Richtung drehen.
Wer nun aber eine inhaltlich differenzierte Auseinandersetzung mit dem Kalten Krieg, der Rolle der CIA und der USA im Allgemeinen erwartet, sollte diesen Optimismus schnell wieder zurückschrauben. Innerhalb der Story und der Art und Weise, wie Cold War die verschiedenen Konfliktparteien darstellt, herrscht weiterhin das übliche „gute Amerikaner, böse Russen“ Schema vor, wobei man aber immerhin etwas gnädiger mit dem aktuellen Lieblingsfeindbild der Reihe umgeht, als noch im Vorgänger Modern Warfare, und eine prominente russische Figur hat, die nicht negativ dargestellt wird.
Musste das wieder sein?
Und immerhin lässt man den Geschichtsrevisionismus auch bleiben. Dennoch verstecken sich auch in der aktuellen Kampagne wieder zweifelhafte Zwischentöne. Diese betreffen den bereits erwähnten Perseus, eine Figur, deren historische Existenz mittlerweile weitestgehend widerlegt ist. Die Einflechtung des vermeintlichen russischen Spions ist dennoch heikel, haben Strömungen innerhalb der Alt-Right-Bewegung Perseus mit ihren wirren politischen Ideen und Agenden verbunden. Wie auch in anderen Teilen der Reihe muss man sich also auch hier die Frage stellen: muss das wirklich sein? Konnte man nicht einfach einen fiktiven Spion erfinden? Wie gewohnt schreibt sich zwar auch Cold War historische Fakten ins Intro, vor allem ist das Spiel aber ein Actionspektakel, in welchem die Fiktion zugunsten von Dramaturgie und Spielfluss überwiegt.
Mehr als nur ballern
Ich möchte aber noch einmal auf die getroffenen Designentscheidungen zurückkommen, die das Gameplay spürbar für mich aufgewertet haben. Viel mehr als die anderen Studios setzt Raven Software nämlich auf Momente, in denen man schleichen muss oder sogar gar keine Waffe in der Hand hält. Insbesondere ein Abschnitt in einem KGB-Büro ist mir im Gedächtnis geblieben. Im entsprechenden Abschnitt steuert man einen Agenten des russischen Geheimdienstes, dessen Zusammenarbeit mit den Amerikanern aufzufliegen droht. Um sich Zeit zu verschaffen, muss man den Fokus auf einen anderen General lenken, wobei man hier unterschiedliche Möglichkeiten erhält. Man kann den unliebsamen Konkurrenten verleumden und Beweise manipulieren, um die Aufmerksamkeit von der eigenen Person abzulenken. Man kann aber auch soweit gehen und den General vergiften.
Eine weitere Abweichung von der Call of Duty Norm betrifft verschiedene Antwortmöglichkeiten innerhalb der Dialoge, die jedoch kaum Einfluss auf den Spielverlauf haben, sowie die multiplen Enden, die man erreichen kann. Zwar sind all diese Elemente nicht konsequent zu Ende gedacht, dennoch zeigen die Entwickler in ihrem spielbaren Spionage-Thriller das es sich lohnt abseits der banalen Schießbude zu denken.
Kompakt, groß, frustrierend, motivierend – alles dabei!
Beim Multiplayer-Modus zeigt sich Cold War leider etwas weniger experimentierfreudig. Federführend für den Mehrspieler ist aber nicht mehr Raven Software, sondern Treyarch. Die bekannten und beliebten Modi, wie Team Deathmatch und Abschuss sind gewohnt spaßig, die Neulinge hingegen so lala. Verbundene Waffen, ein zielbasierter Modi für bis zu 24 Spieler*innen auf großen Maps inklusive Fahrzeuge, hat eine angenehme taktische Tiefe. In Feuertrupp: Schmutzige Bombe bekämpfen sich zehn 4er Teams auf der großen Battle Royale Map, was in meinen bisher gespielten Partien in einem absolut unübersichtlichen Chaos und Frust geendet ist. Und auch das an Counterstrike erinnernde VIP-Eskorte, in welchem man einen ausgewählten Spieler aus dem Team sicher zu einen bestimmten Punkt auf der Karte geleiten muss, geht nicht so richtig auf. Hinzu kommen noch die neuen Maps, die wie auch schon in Modern Warfare recht kompakt gehalten sind, qualitativ aber einen Schritt zurück machen. Richtig Spaß hatte ich eigentlich nur auf der neuen Variante von Nuketown sowie auf Moscow, die anderen Karten sind teils zu unübersichtlich und verwinkelt und auch visuell irgendwie kaum erinnerungswürdig.
Untote ohne Biss
Das gleiche zählt übrigens auch für den Zombie-Modus. Die in den vorherigen Inkarnationen des beliebten PVE-Modus noch gegenwärtige, stets sehr pulpige Story ist hier so gut wie gestrichen, übrig bleibt das gewohnt muntere Ballern gegen Horden von Untoten. Das ist zwar gewohnt nett und gerade mit einem eingespielten Trupp, in welchen man sich untereinander kennt, auch durchaus motivierend. Allerdings haben nahezu alle vorherigen Zombie-Varianten von Call of Duty mehr Charme und Wiederspielwert gehabt, zumal man erneut viel Zeit für eine Partie mitbringen muss, die gerne auch mal über die 30, 45 Minuten herausgeht.
Unterm Strich hatte und habe ich im Multiplayer von Cold War zwar meinen Spaß. Hier sind es aber eben die bekannten Mechanismen, wie das Aufleveln von Waffen und Spielfigur, sowie das flotte Gameplay in den bewährten Modi, als ein neuer Modus oder Kniff, der mir die Zeit versüßt.
Kein leichter Abzug mehr
Mit Cold War gibt die Reihe ihr Debüt auf den neuen Konsolen von Microsoft und Sony. Auf der von mir getesteten PlayStation 5 Version besticht das Spiel von den aufgewerteten Licht- und Schatteneffekten, die mit der neuen Engine Einzug gehalten haben. Vor allem die Kampagne nutzt die neuen Möglichkeiten gut aus und sorgt für stellenweise grandios inszenierte Schauplätze. Für den Multiplayer wurde die grafische Pracht wie gewohnt etwas runter gedreht, dafür läuft das Spiel auch hier, abgesehen von gelegentlichen Verbindungsabbrüchen, rund. Allerdings sollte man für die Online-Modi Raytracing ausschalten. Diese haben bei mir nämlich immer wieder für ärgerliche Ruckler gesorgt. Diese gibt es hier und da zwar auch mal in der Kampagne, da stören sie aber kaum. Die Einbindung des Dualsense-Controllers sorgt hingegen für mehr Immersion, denn bei aktivierten haptischen Triggern wird der Widerstand von Waffen simuliert. Das ist auf Dauer etwas anstrengend und für den Erfolg Multiplayer-Modus eher hinderlich. Im Rahmen der Kampagne ist das Feature aber sinnig eingesetzt.
Pro & Kontra
- abwechslungsreiche Kampagne
- neue Ansätze (Entscheidungsfreiheit, multiple Enden etc.) sorgen für frischen Wind
- viele unterschiedliche Schauplätze
- Einbindung des Dualsense-Controllers sorgt für mehr Immersion
- tolle Performance und audiovisuell top (PS5)
- neue Ansätze (Entscheidungsfreiheit, multiple Enden etc.) noch nicht zu Ende gedacht
- insgesamt schwache neue Maps
- Zombie-Modus ohne Charme und Langzeitmotivation
- aktiviertes Raytracing sorgt für Ruckler (PS5)