Alan Wake Remastered REVIEW
Lange Zeit war Alan Wake für mich das Objekt der spielerischen Begierde schlechthin. Zum einen, da sich das Spiel inhaltlich, aber auch visuell beim Genrekino der 1980er und 1990er Jahre sowie am Werk von Stephen King orientiert. Zum anderen da mit Remedy Entertainment ein Entwickler verantwortlich ist, welches ich seit Max Payne (2001) vergöttere. Der Haken an der Sache für Adrian aus dem Jahre 2010: ich hatte keine Xbox 360. Erst rund zwei Jahre später konnte ich das Spiel in Form der nachgelieferten PC-Version endlich selbst erleben – und war trotz meines betagten Computers begeistert. Dennoch hatte ich stets das Gefühl, dass Spiel nicht in seiner idealsten Form gespielt zu haben. Glücklicherweise leben wir nun in einer zeit, in der Remakes und Remaster zum guten Ton gehören, sodass nun auch Alan Wake noch einmal für aktuelle Plattformen neu aufgelegt wurde.
Warum sich das Zurückkehren lohnt
Ich liebe es ja sehr zu Spielen zurückzukehren, die ich bereits kenne. Wie auch bei Filmen oder Büchern, so erschließt sich ein Game beim zweiten oder dritten Mal auf eine neue, teilweise vollkommene Art und Weise. Man ist in der Lage das bereits bekannte noch einmal aus einer anderen Sicht zu erblicken, vorherige Gedanken und Rückschlüsse zu erweitern. Vor allem bei Spielen, die narrativ ausgelegt sind, ist ein erneutes Durchspielen für mich häufig eine lohnenswerte Investition meiner Zeit. Dieses Gefühl hatte ich nun auch bei meiner Rückkehr nach Bright Falls.
Zu viel des Guten?
Bright Falls dürfte auf Postkarten und Reisebroschüren wie das Mekka für all jene wirken, die zurück zur Natur wollen, aber dennoch einigermaßen den Komfort des modernen Lebens mit Supermärkten, Restaurants und sozialen Interaktionen beibehalten wollen. Umringt von Bergen und Wäldern, wirkt die Stadt wie der Stoff, aus dem gute Stephen King Geschichten gemacht werden. Da überrascht es nicht, dass das Spiel gleich zum Einstieg den wohl wichtigsten US-amerikanischen (Horror)Autoren des 20. Jahrhunderts zitiert. Und dabei soll es nicht bleiben.
Ich habe selten ein Spiel erlebt, welches derart voll mit Verweisen und Zitaten auf andere Werke ist. You name it: Hitchcock´s Die Vögel, Kubricks Adaption von The Shining, Poltergeist, Lovecraft, Twin Peaks, ein Autor mit Schreibblockade, der sich in seiner eigenen Horrorgeschichte wiederfindet, The Twillight Zone und, und, und. Mehr als einmal übertreibt es das Spiel mit seinen Referenzen, gleichzeitig ist sich die Geschichte aber jederzeit darüber bewusst, was sie ist und nimmt sich selbst, aber auch den für die Geschichte verantwortlichen Autoren Sam Lake aufs Korn. Und irgendwie funktioniert dieses Sammelsurium aus Zitaten am Ende dann ja doch, auch wenn die fragmental erzählte Geschichte mit ihrer auf Sammelgegenständen ausgelagerte Lore hier und da etwas straffer sein könnte.
Wer gar nicht weiß, worum es geht: Protagonist ist der Schriftsteller Alan Wake. Dieser leidet sein nunmehr zwei Jahren an einer ziemlich heftigen Schreibblockade. Dieser Zustand schlägt sich nicht nur auf das Gemüt des einst gefeierten Autoren nieder, sondern auch auf seine Ehe mit Alice. Um ihren Mann abzulenken (und auch in der Hoffnung, dass sich seine Schreibblockade löst) lockt Alice Alan unter einen Vorwand nach Bright Falls. Was beide nicht ahnen: in dem malerischen Städtchen lauert eine dunkle Macht, die es auf Alan abgesehen hat…
Alter Ballast
Alan Wake ist mit seinen rund zehn bis zwölf Stunden Spielzeit eigentlich ein angenehm kurzes Vergnügen. Dennoch wirkt das Spiel gerade nach hinten raus ziemlich in die Länge gestreckt. Tatsächlich sah das ursprüngliche Konzept mal ein Open World vor, letztlich wurde dieser Plan zugunsten eines linearen Erlebnisses verworfen. Viele Versatzstücke der offenen Welt sind aber nach wie vor sichtbar, etwa in den seltsam deplatziert wirkenden Abschnitten, in denen man mit Autos durch eine ziemlich leere Spielwelt fährt. Das macht weder allzu viel Sinn innerhalb der Logik (warum stehen überall verlassene Autos mit Zündschlüssel und wo sind ihre Besitzer) noch bringen die offener gestaltete Abschnitte einen spielerischen Mehrwert. Entsprechend kann man hier ohne großes Nachdenken einfach von A nach B fahren. Leider steckt in mir ein kleiner Completionist, der sich trotz besseren Wissens immer wieder genötigt fühlte die Fahrten zu unterbrechen und nach Sammelgegenständen zu suchen. Mal abgesehen von den Manuskripten, welche die Rahmenhandlung ausfüllen, sind die Collectibles ziemlich belanglos und eine der vielen Hinterlassenschaften einer Ära, in der absurde Anforderungen an das Erfüllen von Achivement- und Trophärenvorgaben geknüpft waren. Zumal die bloße Existenz der Collectibles der Immersion dieser eigentlich so atmosphärisch inszenierten Welt schadet.
König Atmosphäre
Wenn ich eine Stärke von Alan Wake herausstellen sollte, dann wäre dies stets die Atmosphäre. Egal ob ich mich nun durch die dunklen Wälder bewege, in den verlassenen Straßen von Bright Falls um mein Leben renne oder in alten Minenschächten bei jedem kleinen Geräusch aufschrecke, das nicht von den Schritten von Alan herrührt: die Stimmung, die hier mit akustischen und visuellen Mitteln erzeugt wird, ist nach wie vor phänomenal. Und vielleicht ist diese im Remaster sogar noch ein bisschen dichter als im Original.
Vor allem auf den neuen Konsolen von Sony und Microsoft erstrahlt das Spiel dank 60 Frames, 4kAuflösung und überholten Licht- und Schatteneffekten in einem ansehnlichen neuen Bild. Wenn sich die Dunkelheit zusammenzieht, die Bäume im Wind bewegen, der Wind rauscht und Nebel sich über die Szenerie wölbt, dann ist das Gruselflair aus dem Bilderbuch. Weniger gelungen sind die überarbeiteten Modelle der Figuren. Diese sehen nämlich nach wie vor ziemlich uncanny aus, hinzu kommen die außerhalb von gerenderten Zwischenseqeuenzen stark ins Auge fallenden Gesichtsanimationen, die schlicht seltsam anmuten.
Nicht ideal, aber besser
Ein weiteres Relikt des Originals ist der Gameplayloop. Die stellenweise auftretenden Rätsel sind kaum der Rede wert und auch die Erkundung der eigentlich so schönen Spielwelt kommt mir viel zu kurz. Außer den bereits erwähnten Sammelkram und Munitionskisten gibt es nämlich nichts zu entdecken, nicht einmal mit sonderlich interessanten geheimen Orten wird man belohnt. Das größte spielerische Element bleiben die Kämpfe. Im Original empfand ich diese als enorm unzufrieden, was mich seinerzeit umso mehr überrascht hat, da Remedy zuvor mit den ersten beiden Max Payne Spielen zwei absolut fantastisch Shooter abgeliefert hat. Auch im Remaster haben mir die Kämpfe noch nicht so wirklich viel Spaß gemacht, allerdings empfand ich sie diesmal als angenehmer.
Das liegt aber nicht zuletzt an den speziellen Features des Dualsense-Controllers auf PlayStation 5. E sind diese Kleinigkeiten, die mich nach wie vor an dem Controller so begeistern. Wenn man nicht gerade darauf achtet, dann fällt gar nicht auf, das jeder Schritt von Alan eine kleine Vibration auslöst. Diese ist so gering und auf den ersten Blick unbedeutend, aber sie fügt der Immersion etwas hinzu. Das gleiche gilt für die Kampfsteuerung. Der L2-Trigger zum Zielen besitzt einen kleinen Widerstand. Drückt man den Trigger nur ganz leicht an, zielt Alan. Drückt man den Trigger aber komplett durch, so verstärkt sich der Strahl seiner Taschenlampe. Dieser verstärkte Strahl ist im Kampf essentiell, denn erst wenn man die schattenartigen Kreaturen, die hier als Gegner auftauchen, lange genug mit dem Licht der Taschenlampe geblendet hat, werden die Widersacher verwundbar. In Verbindung mit den sich nun angenehm wuchtig anfühlenden Waffen kommt hier sogar situative Spannung auf.
Pro & Kontra
- Remaster auf den neuen Konsolen mit 60 Frames, 4k-Auflösung und neuen Effekten
- verbesserte Shooter-Steuerung mit zusätzlichen Features dank Dualsense (auf PS5)
- grandiose Atmosphäre
- spannende Story mit vielen Verweisen und Zitaten zum Horrorkino- und Genreliteratur
- mitunter konfuse Erzählung
- trotz Überarbeitung wirken die Figurenmodelle uncanny
- spielmechanische Altlasten des Originals fallen stärker ins Gewicht