Tetris Effect REVIEW

Mein erster Kontakt mit dem Medium Videospiel fand in den frühen 1990er Jahren mit dem Game Boy meiner Mutter statt. Wie passend, dass das erste Spiel, welches ich auf diesem grauen Klotz spielte, eines war, in welchem ich wiederum graue Klötze in Einklang brachte. Schnell gewannen zwar hüpfende Klempner, rasende Igel und andere meine Aufmerksamkeit, doch Tetris hat mich auch in den nachfolgenden Jahren immer wieder magisch angezogen. Nicht nur auf Nintendos Handheld, auch auf unzähligen anderen Systemen, auf denen sich mal traditionsbewusste Umsetzungen, mal experimentelle Interpretationen des von Alexei Paschitnow erdachten Spielprinzips tummelten. Mit Tetsuya Mizuguchi (Rez, Space Channel 5) hat sich nun ein Game Designer an Tetris gewagt, der vor allem für seine audiovisuell opulenten Werke bekannt ist und dem Evergreen einen eigenen wie auch eindrucksvollen Stempel aufdrückt.

Ein Erlebnis

Tetris Effect ist ein Erlebnis. Punkt. Mehr bräuchte ich eigentlich nicht zu schreiben. Denn um das Spiel wirklich begreifen zu können, muss man es selbst spielen. Das kann man aktuell nur auf PlayStation 4, Umsetzungen für andere Systeme sind derzeit wohl nicht angedacht. Wer zusätzlich noch ein PS VR Headset daheim herumliegen hat, kann dieses außerdem entstauben und in die von Mizuguchi geschaffene virtuelle Welt eintauchen. In Ermangelung eines entsprechenden Gerätes kann ich leider nicht viel zur Qualität im VR-Modus sagen. Diejenigen, mit denen ich mich bisher über das Spiel ausgetauscht habe und die es teilweise auch in VR gespielt haben, sind jedenfalls begeistert. Und zumindest dieses Gefühl teile ich.

Es gab bereits einige Interpretationen, die das bekannte Spielprinzip mit neuen Mechaniken und Kniffen versehen haben. Mizuguchi und sein Team halten zumindest in diesem Punkt aber Abstand von Wagnissen und besinnen sich auf die althergebrachte Ausgangslage, sprich: die in sieben unterschiedlichen Formen vorhandenen Tetrominos purzeln nach dem Zufallsprinzip aus dem Nichts, wobei der Spieler gewillt ist, sie durch Drehungen so anzuordnen, dass sie mindestens eine, bestenfalls zwei, drei oder vier horizontale Linien bilden, damit die Reihe aufgelöst wird. Nach und nach erhöht sich die Geschwindigkeit und aus dem entspannten Puzzler wird eine schweißtreibende Kopfnuss. Was Tetris Effect anders macht, ist das Zusammenspiel mit der Musik. Mizuguchi, der neben seiner Tätigkeit als Entwickler eben auch als Musikproduzent aktiv ist, hat diesen Umstand schon immer in seinen Spielen manifestiert. Sein neuestes Werk ist davon keine Ausnahme.

Synästhesie am Controller

Jede der rund 30 Stages besitzt einen eigenen Song. Hierfür hat sich Mizuguchi quer durch die Genres gewühlt und mit verschiedenen Künstlern zusammengearbeitet. Das Ergebnis ist eine hohe Bandbreite an unterschiedlichen Stücken, die mal elektronisch hämmernd ausfallen, mal mit sanften Vocals die Ohren umschmeicheln und mal mit lockeren jazzigen Klangteppichen ausgestattet sind. Die Musik wird dabei nicht einfach nur im Hintergrund abgespielt, sondern vom Spieler aktiv beeinflusst. Jede Drehung eines Tetrominos, jede geklärte Linie, jeder aufprallende Stein verursacht einen eigenen Klang, der sich in das laufende Musikstück einfügt. Das mag banal klingen, entfesselt aber einen rhythmischer Fluss, der unfassbar mitreißend ist. Ehe man sich versieht, wippt man mit den Füßen und nickt den Kopf im Takt der Musik und ist traurig, wenn eine Stage vorbei ist.

Hinzu kommt noch die visuelle Gestaltung. Jede Stage verfolgt nicht nur musikalisch, sondern auch optisch ein bestimmtes Konzept. Mal befindet man sich über den Wolken, mal im Wasser, mal in außerirdischen Sphären. Diese audiovisuelle Reizüberflutung mag kitschig anmuten und natürlich unterliegt gerade Musik einer subjektiven Wahrnehmung. Mich hat diese für Tetris einmalige Komposition aber sofort abgeholt und begeistert. Wem die knallbunten Partikeleffekte zu viel des Guten sind, der kann sie im Optionsmenü übrigens auch minimieren, wenn auch nicht komplett ausschalten.

Es ist halt Tetris. Oder?

Tetris Effect setzt bei den Modi auf viele bekannte Varianten. Die meisten davon findet man im Effektmodi. Hier kann man das klassische Tetris spielen, in welchem man 150 Linien klärt. Es gibt eine Variante, in welcher man sich stets umorientieren muss, da sich etwa die Größe der Tetrominos ändert oder der Bildschirm auf den Kopf stellt. In einem anderen Modi muss man innerhalb eines bestimmten Zeitfensters so viele Kombos oder Linien wie möglich klären. Und auch für das entspannte Spiel zwischendurch gibt es ein paar Anlaufstellen. Jedes Wochenende wird außerdem ein Event abgehalten, in welchem ein bestimmtes Ziel erreicht werden muss. Dafür winken diverse Belohnungen, wie neue Avatare und andere Ingame-Goodies. Was derzeit wirklich fehlt, ist ein kompetitiver Modus. Weder offline noch online gibt es die Möglichkeit sich direkt mit anderen Spielern zu messen. Laut Entwickler wolle man die Spielerfahrung positiv halten und setze daher auf Leaderboards und asynchrone Multiplayer-Varianten. Dennoch hoffe ich, das in der Zukunft ein kompetitiver Modus via Update nachgeliefert wird.

Zusätzlich zu den Schnell-Spiel-Modi gibt es noch eine The Journey genannte „Kampagne“. In dieser spielt man sich der Reihe nach durch die verschiedenen Stages, wobei stets mehrere Level ineinander übergehen und eine Symbiose ergeben sollen. Das ist nett, aber auch nicht der Rede wert. Es ist halt Tetris. Ein großes Aber gibt es dennoch, denn in The Journey gibt es mit der Zone noch eine neue Mechanik, die in den anderen Modi fehlt. Hat man die entsprechende Leiste aufgefüllt, kann man für einen kurzen Moment die Zeit anhalten und unabhängig Extrapunkte sammeln. Das ist eine durchaus willkommene Ergänzung, zumal man so in hektischen Momenten eine kurze Verschnaufpause erhält. Puristen können auf die jederzeit optionale Zone-Mechanik natürlich auch ganz verzichten.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
87
87
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Tetris Effect ist eine ganzheitliche Erfahrung der Sinne. Das mag jetzt abgehoben und esoterisch klingen, es beschreibt das, was ich beim Spielen empfinde, aber am ehesten. Die Synergie zwischen Musik, visuellen Effekten und den Vibrationen des Controllers entfesseln einen geradezu psychadelischen Trip, der mich durch und durch beeindruckt hat. Gleichzeitig zeigt sich einmal mehr, das Tetris schlichtweg das perfekte Videospiel ist. Zumindest fällt mir auch nach reiflicher Überlegung kein anderes Spiel ein, welches so rund und in sich stimmig ist und immer und immer wieder eine solche Euphorie und Spaß am Spiel in mir auslöst. Und selten hatte ich an einer Umsetzung des Klassikers eine solche Freude, wie bei Tetris Effect.

- Von  Adrian

Playstation 4
MS Windows

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