The Evil Within 2 REVIEW
Die Ankündigung von The Evil Within 2 gehörte sicherlich zu den größeren Überraschungen der diesjährigen E3. Der 2014 veröffentlichte Vorgänger hat zwar durchaus eine treue Fangemeinde um sich scharen können, spaltete 2014 dennoch die Gemüter. Zu vertrackt, zu gewollt und ohne klare Linie waren gängige Vorwürfe an die Rückkehr von Shinji Mikami (Resident Evil) ins Horrorfach. Aus wirtschaftlicher Sicht scheint sich das Spiel dennoch rentiert zu haben, andernfalls hätte Publisher Bethesda wohl keine Fortsetzung in Auftrag gegeben. Zum Glück kann ich da nur sagen!
Neuer Director, frischer Wind?
Mikami selbst hat für The Evil Within 2 den Regiestuhl geräumt und ist lediglich als ausführender Produzent an Bord. Die Rolle des Directors hat John Johanas übernommen, der bereits die Download-Erweiterungen des Erstlings betreut und diesen eine leicht andere Ausrichtung als dem Hauptspiel gegeben hat. Der kreative Wechsel fällt bereits früh auf und macht sich mit fortschreitender Spielzeit immer stärker bemerkbar. Die mitunter sperrige Narration des Vorgängers ist Geschichte, man folgt diesmal wesentlich stärker einem roten Faden und verzichtet auf allzu viele offene Fragen.
Die Handlung setzt rund drei Jahre nach den Geschehnissen des Erstlings an. Sebastian Castellanos, mittlerweile aus dem aktiven Polizeidienst ausgeschieden, befindet sich sprichwörtlich am Boden und ist wohl häufiger in einer ranzigen Kneipe anzufinden, als in der eigenen Wohnung. Nicht nur die Erlebnisse in der Beacon Nervenklinik, auch der Tod seiner Tochter Lily und das Verschwinden seiner Frau haben den Mann in die Müdigkeit des Lebens gedrängt. Als ihn seine ehemalige Kollegin Kidman aufsucht und offenbart, dass Lily gar nicht tot sei, sondern von der Organisation Mobius entführt und zu Forschungszwecken mit STEM – einem Gerät, welches eine alternative Realität formt – missbraucht wurde, ändert sich für Sebastian erneut schlagartig alles. Bei den besagten Experimenten scheint in der Zwischenzeit einiges schief gelaufen und Lily´s Leben ernsthaft in Gefahr zu sein, weshalb Sebastian nicht lange fackelt und sich auf einen Deal einlässt, um seine Tochter aus STEM zu befreien – wohl wissend, das er wohl weder Mobius, noch Kidman trauen kann.
Mobius? STEM? Kidman? Häh? Wer jetzt nur Bahnhof versteht, dem kann ich keinen Vorwurf machen, denn die Rahmenhandlung stützt sich erneut auf ein paar seltsame Eigenheiten, die zunächst etwas wirr und wie typischer Videospielstory-Quark klingen mögen. Wer den Vorgänger nicht gespielt oder vergessen hat, was in diesem passiert ist, oder nie wirklich den Überblick über die Geschehnisse gehabt hat, braucht sich aber nicht weiter zu sorgen, denn tatsächlich schafft es The Evil Within 2 seine mitunter etwas albern anmutende Handlung nicht nur wesentlich fokussierter, sondern auch nachvollziehbarer zu erzählen und zu einem schlüssigen Ende zu führen. Das Erzähltempo ist dabei angenehm ruhig, gerade in den ersten zwei, drei Stunden lässt sich das Spiel erstaunlich viel Zeit um Szenario, Story und Figuren einzuführen und zu erklären. Dabei entspinnt sich nach und nach eine angenehm geerdete, mitunter emotional durchaus packende Geschichte, die mich sogar auf menschlicher Ebene abholen konnte und stärker mit Sebastian als Hauptfigur hat sympathisieren lassen, als es der erste Teil getan hat.
Intensives Horrorerlebnis
Nicht nur hinsichtlich der Story haben die Entwickler versucht sich vom Ansatz des Erstlings zu lösen. Nirgendwo fällt dies so stark auf, wie bei der Bildsprache. War diese in The Evil Within noch rau und geradezu grobschlächtig, da schaltet Teil 2 einen Gang zurück und wirkt auf den ersten Blick „cleaner“ und schon fast ein bisschen herkömmlich. Das Cinemascope-Format mit seinen breiten Balken und das körnige Bild wurden ad acta gelegt und auch andernorts hält man sich etwas mehr zurück – und das tut dem Spiel und seiner Atmosphäre verdammt gut! So sehr ich Mikamis dauerhafte Terrorbeschallung mit gefühlt alle zehn Minuten wechselnden Szenarien auch mochte, so sehr hat sich dies ab der Hälfte des Spiels mehr und mehr abgenutzt und mich gegen Spielende schließlich vollkommen kalt gelassen. Johanas nuanciert den Horror sehr viel feiner und baut die Stimmung Schritt für Schritt auf. Die Übergänge sind fließender, weniger vorhersehbar und oftmals fast schon subtil. Gerade dadurch wirken entsprechende Momente auf lange Sicht intensiver und natürlicher in das Gesamtgeschehen eingebaut.
Natürlich spart auch The Evil Within 2 nicht an Szenen mit ekelhaften Darstellungen, jeder Menge Blut, Gekröse und Body-Horror und auch die bizarren Welten, mit denen die Entwickler sich dank des STEM-Kniffs austoben können, sind nach wie vor ein Element des Spiels. Toll, wie hier erneut verschiedenste Einflüsse aus Kunst, Film und Religion miteinander verwoben und zu einem stimmungsvollen Alptraum geformt wurden. Das sich die grafische Qualität im Vergleich zu 2014 kaum gebessert hat, nehme ich angesichts der einfallsreichen Präsentation gerne in Kauf. Auf so manche Ruckler in actionreichen Momenten hätte ich hingegen gerne verzichten können und frage mich außerdem, warum das Design der Gegner einen derartigen Rückschritt gemacht hat und nun – abgesehen von den Bossen – mit vergleichsweise austauschbar wirkenden Zombie ähnlichen Kreaturen aufwartet.
Willkommen in Union
Die große Neuerung beim Spieldesign ist die Öffnung der Welt. Diesmal verschlägt es Sebastian via STEM nach Union, einem Abbild einer US-amerikanischen Kleinstadt, die klischeehafter nicht sein könnte. – wären da nicht die umherschlürfenden Untoten und die immer weiter voranschreitende Zerstörung des einst idyllischen Ortes. Trotz gesteigerter Freiheit kann man hier aber mitnichten von einer Open-World sprechen, Union ist nämlich mit seinen wenigen Straßenzügen und an beiden Händen abzählbaren Bauten, die sich betreten lassen, kompakt und übersichtlich gehalten. Das kommt dem Horrorkonzept natürlich zu gute, eine zu große Welt mit zu vielen Möglichkeiten hätte sich letztlich wohl zu stark auf die Atmosphäre ausgewirkt.
Nicht nur lässt sich Union relativ frei erkunden, auch gibt es abseits des Haupthandlungsstrangs einiges und vor allem interessantes zu entdecken. Optionale Aufgaben erzählen kleine Nebengeschichten, die uns verdeutlichen, was in Union geschehen ist und wie schließlich alles den Bach runtergehen konnte. Die Länge der Nebenquests hält sich stets in einem angenehmen Rahmen und bildet gemeinsam mit der eigentlichen Handlung ein in sich stimmiges Ganzes. Schön auch: interessante Orte werden nicht auf der Karte angezeigt, stattdessen muss man die Augen und Ohren selbst aufhalten. Dabei behilflich ist der Kommunikator, letztlich ein Walkie-Talkie, der Störgeräusche empfängt, denen man durchaus mal nachgehen sollte.
Abwägen ist das A und O
Die Auseinandersetzung mit der Spielwelt ist aber auch deshalb erstrebenswert, da euch erneut eine starke Knappheit an sämtlichen Ressourcen das Überleben erschweren wird. Wer nicht einigermaßen aktiv nach Munition, Kräutern, Schießpulver und anderen Materialien Ausschau hält, der wird schnell ohne Kugeln in den Waffen und Heilgegenständen im Inventar dastehen. Die meisten Gegenstände müssen selbst hergestellt werden. Das kann man zwar jederzeit machen, allerdings kostet das Herstellen abseits der in der Spielwelt verteilten Werkbänke mehr Ressourcen. Abwägen und vorausplanen sind hier also gefragt, wie die Entscheidung, ob man sich auf einen Kampf einlässt, oder versucht dies zu vermeiden.
Meistens sind die Gegner in kleineren Gruppen unterwegs. Versucht man Kontakt zu vermeiden? Lässt es auf ein offenes Gefecht ankommen und riskiert dabei Lebensenergie und Munition? Versucht man die Gegner voneinander zu trennen und einzeln aus dem Hinterhalt zu meucheln? Die Möglichkeiten sind durchaus vielfältig und erlauben einigermaßen eine taktische Raffinesse, was das Kampfsystem auch bis zum Ende noch motivierend macht. Die in der Menge gespürt zurückgefahrenen Bosskämpfe sind dabei ebenso abwechslungsreich, wie die Auseinandersetzung mit den normalen Gegnern.
Ganz um den Einsatz der Waffen wird man aber schon deshalb nicht herumkommen, da getötete Gegner das schon aus dem Vorgänger bekannte grüne Gel hinterlassen. Mit diesem lassen sich an einer speziellen Apparatur verschiedene Statuswerte von Sebastian verbessern. Auch hier hießt es wieder abwägen, was man wirklich braucht und was dem eigenen Spielstil entspricht. Setze ich auf mehr Lebensenergie, bevorzuge ein besseres Handling mit Feuerwaffen, bessere Schleichfähigkeiten oder doch mehr Ausdauer?