theHunter: Primal REVIEW
Das schwedische Entwicklerteam von Expansive Worlds, das in der Vergangenheit an der Jagdsimulation theHunter arbeitete, hat sein Portfolio erweitertet und schleift schon seit einigen Monaten an der etwas anderen Jagdsimulation theHunter: Primal. Darin werden nicht etwa Hirsche oder Hasen, sondern riesige Dinosaurier erlegt. Vor kurzer Zeit hat das Spiel die Early Access-Phase hinter sich gelassen und ist nun offiziell erhältlich. Wir haben den Titel auf Herz und Nieren getestet. Waidmannsheil!
In einem vor unserer Zeit
Schwerverbrecher, die für eine lange Zeit hinter Gitter müssen oder sogar zum Tode verurteilt wurden, sind immer gute Versuchskaninchen für riskante Geheimprojekte. So auch in theHunter: Primal, wo der Spieler als Häftling, mithilfe einer Kapsel, in eine geheime Welt geschossen wird und dort die Kolonisierung vorbereiten soll. Alleine ausgesetzt und mit einer schlappen Nahkampfwaffe bewaffnet, beginnt das Abenteuer als junger Pionier in einer neuen Welt. Wenn ihr der Annahme wart, die Insel wäre unbewohnt und friedlich, liegt ihr meilenweit daneben. Die Pionierarbeit entpuppt sich bald als spannender Horrortrip in einer urzeitlichen Umgebung. Bereits einige Minuten nach der Landung im Zielgebiet tummeln sich einige Dinosaurier an der Absturzstelle und diese Echsen verzehren sich nach frischem Fleisch.
Sobald das Spiel gestartet wurde, wird man als Spieler geradezu in die Spielwelt geworfen. Es ist anscheinend ein Phänomen der aktuellen Spielegeneration, dass Open-World-Sandbox-Titel den Spieler unvorbereitet auf die Schauplätze loslassen. theHunter: Primal reiht sich damit nach Minecraft, Dayz und Co in die Reihe dieser Titel ein.
Der neue Pionier spawnt an einer zufälligen Stelle der großen, offenen Insel. Wie zuvor schon erwähnt, ist die Spielfigur anfänglich nur mit einer Art Schwert bewaffnet, trägt einfache Kleidung und hat einen Datensammler bei sich, der aussieht wie ein riesiger iPod Touch. Mit diesem Gerät lassen sich neue Spuren scannen und es dient als eine Art GPS. Das heißt, es zeigt die Karte und interessante Orte bzw. Objekte in der unmittelbaren Umgebung an. Ausrüstung ist zum Beispiel in Kisten verstaut, die auf der ganzen Karte verstreut sind. Leider gibt es bis jetzt kein Crafting-System, also keine Rohstoffe und herstellbare Ausrüstung. Bei der Ausrüstungssuche ist man also fast ausschließlich auf das Glück angewiesen.
Das Spielgefühl geht stark in Richtung DayZ, nur anstatt gegen Spieler oder Zombies, ist man hier hinter Dinosauriern her. Gejagt wird ausschließlich in der Ego-Perspektive. Und zu Beginn ist das Spiel wirklich knifflig, mit der schwachen Ausrüstung wird man schnell von den wilden Echsen gefressen. Der schwierige Start ist auch einer der größten negativen Punkte an theHunter: Primal. Es kann durchaus vorkommen, dass ihr über eine halbe Stunde durch dichten Dschungel hetzt und nicht einmal eine alternative Waffe findet. Dafür könnt ihr euch nach jedem Tod und vor einem erneuten Start, mit frischen Waffen eindecken. Die einzige Voraussetzung sind Credits, die ihr nur durch getötete Dinosaurier erhaltet. Je größer und gefährlicher die Echse, desto größer ist schlussendlich auch die Belohnung. Gerade anfangs ist dieses System jedoch eine Art Teufelskreis. Ohne Geld kommt ihr sehr schwer an gute Ausrüstung und ohne gute Ausrüstung kommt ihr wiederum schwer an Credits.
Vom Wanderer zum erbarmungslosen Jäger
Selbst wenn ihr sofort eine gute Waffe, Munition dafür, und Tarnkleidung findet, benötigt ihr eine lange Einarbeitungszeit. Das Aufspüren und Anpirschen an die Riesenechsen ist eine eigene Wissenschaft. Läuft euch dann doch ein Exemplar vor die Flinte, bedeutet ein Schuss nicht zwingend ein totes Tier. Um effektiv zu jagen, müsst ihr die lebenserhaltenden Organe wie Herz, Lunge oder Gehirn eurer Beute treffen und das ist nur durch Erfahrung möglich. Zusätzlich erschwerend ist die Tatsache, dass die Echsen die eigene Spielfigur relativ schnell entdecken und dann sofort auf euch zustürmen. Außerdem suchen schwer verwundete Tiere schnell das Weite, eine Verfolgung ist durch die hohe Laufgeschwindigkeit der Giganten kaum möglich. Entkommene Dinosaurier sind später so gut wie nicht mehr auffindbar.
Hier zeigt sich eine weitere Schwäche dieses Titels. Die Laufwege sind unglaublich lange, zudem werdet ihr oft auf unüberwindbare Felswände stoßen. Um auf die andere Seite einer Bergkette zu gelangen, müsst ihr manchmal bis zu 20 Minuten einplanen. Von Fans wird DayZ oft als Waldlaufsimulator 2014 bezeichnet, theHunter: Primal könnte man zum Vergleich als Wandersimulator 2015 bezeichnen. Zumal es leider keine prägnanten Stellen auf der Insel gibt, an denen man sich leicht orientieren könnte. Dafür hat man zum Glück immer eine Karte mit GPS-Funktion dabei.
In der aktuellen Version steht ein Arsenal aus sechs Schusswaffen und einer Menge anderer Ausrüstungsgegenstände zur Auswahl, die die Jagd erleichtern. Verlorene Lebensenergie wird durch Ampullen wieder aufgefüllt, andere Bedürfnisse wie Hunger oder Durst gibt es nicht, wären aber auf jeden Fall eine zusätzliche Herausforderung. Beißt der Charakter dann doch einmal ins Gras, muss man 20 Sekunden auf einen Neueinstieg warten. In dieser Zeit liegt der Charakter reglos am Boden oder rollt einen Abhang hinunter, wenn man auf einem gestorben ist. Dann will das Spiel seine eindrucksvollen Ragdoll-Effekte präsentieren, was aber bei der sich andauernd drehenden Kamera schnell für Übelkeit sorgen kann.
Die Atmosphäre ist in der Spielwelt von theHunter: Primal sehr dicht. Durch die extrem weitläufige Insel entsteht ein Gefühl der Freiheit, wie es nur sehr wenige Spiele erzeugen. Man fühlt sich tatsächlich wie ein kleiner Käfer in einer endlos wirkenden Landschaft. Der dichte Dschungel, die passende Geräuschkulisse, und die Angst, dass hinter jedem Baum ein riesiges Monster lauern könnte, sorgen immer für eine gewisse Anspannung. Wenn ein angeschossener T-Rex auf euch zustürmt, bricht schnell Panik aus. In diesem Fall ist die einzige Option der Kampf, denn der Gigant läuft viel schneller als die Spielfigur. Aus diesem Kampf geht ihr am Ende entweder als Sieger hervor oder werdet vom T-Rex getötet. Somit ist das Spielerlebnis geprägt von Frust und vereinzelten Glücksmomenten, aber überwiegend von Frust.
Hat man einmal eine gewisse Zeit gespielt, kennt man die Karte und die diversen Echsengattungen gut und verfügt man außerdem über nette Waffen, macht das Spiel doch Spaß. Der Spielspaß schleicht sich gewissermaßen mit der Zeit langsam ein. Das Jäger-Gefühl wirkt sehr authentisch, gerade wenn man eine gefühlte Ewigkeit versteckt im Gebüsch lauert und wartet, bis eine geeignete Beute ins Sichtfeld läuft. Ist eines dieser Ungeheuer einmal erlegt, setzen die Glücksgefühle ein. Dark Souls Veteranen werden dieses Gefühl kennen, nach zahllosen Toden hat man die Bestie endlich erlegt und freut sich dann wie ein Kind auf einer Geburtstagsfeier. Besonders spaßig ist diese Prozedur klarerweise im Mehrspielermodus.
Multiplayer:
Das große Geheimnis des Erfolgs liegt bei theHunter: Primal ganz klar im organisierten Multiplayer. Der Einzelspieler-Modus macht zwar Spaß, ist auch sehr spannend, nach vielen Spielstunden vereinsamt man aber, wenn man ohne Begleitung durch den Wald läuft. Deshalb dürft ihr mit bis zu 15 Freunden auf die Jagd gehen und gemeinsam die großen Raubtiere erlegen, darauf ist das Spielkonzept auch ausgelegt. Selbst wenn ihr eine Einzelspielerpartie startet, werdet ihr Host (Leiter) einer Mehrspielerrunde. Ihr könnt aber auch jederzeit einem fremden Server beitreten und dabei neue Mitspieler kennenlernen.
Ein organisierter Plan ist im Team sehr wichtig. Das erste Ziel sollte die Vereinigung der Gruppe an einem festgelegten Treffpunkt sein. Wer alleine durch die Landschaft wandert, wird wohl oder übel sehr schnell ins Gras beißen. Hat sich die Gruppe nun getroffen, lassen sich Waffen und andere Ausrüstung tauschen und Squads erstellen. Im Multiplayer macht der Kreidezeit-Simulator am meisten Spaß. Mit etwas Glück trefft ihr als Anfänger auf einem fremden Server sogar freundliche Mitspieler, die euch mit brauchbarer Ausrüstung versorgen.
Derzeit sind zu jeder Tageszeit genügend Server verfügbar, so dass sich die Suche nach einer passenden Partie recht einfach gestaltet. Hat der Host eine gute Internetverbindung, verläuft das Spielgeschehen größtenteils flüssig und ohne Lags. Dedizierte, also eigenständige, Server sind derzeit laut einem Foreneintrag der Entwickler leider nicht geplant. Jeder Server ist nur verfügbar, solange der Betreiber online ist. Wer selbst ein Online-Spiel erstellen will, muss am Modem zuvor zwei Ports freigeben. Das schreckt leider viele neue Spieler davon ab, ihre Freunde einzuladen, da für das Öffnen der Ports ein gewisses Grundwissen vorausgesetzt wird.
Technik
Gerade Open-World-Titel leiden, aufgrund der riesigen Spielwelt, oft an diversen technischen Mängeln. Dieses Schicksal trifft leider auch theHunter: Primal, es sind die Kleinigkeiten, die negativ auffallen. In der Summe fallen diese Kleinigkeiten jedoch auch negativ auf. Aus der Distanz betrachtet sehen die Texturen und Details der Landschaft sehr gut aus, betrachtet man die Umgebung jedoch genauer, fallen matschige bzw. eintönige Landstriche auf. Die Spielwelt wirkt etwas, wie von einem Zufallsgenerator generiert. Es fehlt der Insel an Wiedererkennungswert und Charme. Zumindest ein dynamischer Tag-/Nachtwechsel wurde integriert.
Die Soundkulisse ist den Entwicklern im Vergleich zur Grafik sehr gut gelungen. Besonders die Geräusche im dichten Dschungel wirken sehr authentisch, erzeugen beim Spieler gleichzeitig Staunen und Anspannung. Von starker Angst getrieben, in den nächsten Sekunden von einem Reptil verspeist zu werden, erschreckt man sogar vor seinen eigenen Schritten. Die Vertonung der Riesenechsen stimmt auch, die Giganten sind aus großer Entfernung schon gut zu hören und unterscheiden sich in ihren Lauten.
Vor einigen Wochen befand sich die Dinosaurier-Jagd noch in der Early Access-Phase, die mit dem finalen Release-Tag auch beendet wurde. Eine verlängerte Testphase hätte dem Spiel mit Sicherheit gut getan, denn an einigen Stellen läuft so manches noch nicht so ganz rund. Manchmal stürzt das Spiel ab, die Texturen sind weit weg von knackig und das integrierte Lexikon ist nur in der englischen Sprache verfügbar. Die Lokalisierung der Bildschirmtexte wäre sicherlich kein großer Aufwand, würde das Gesamtkonzept aber besser aussehen lassen.
Die Steuerung mittels Tastatur geht gut von der Hand und ist an Hits, wie DayZ angelehnt. Wer gelegentlich Ego-Shooter oder Rollenspiele wie Fallout oder The Elder Scrolls 5: Skyrim spielt, wird sich sofort zu Hause fühlen. Eine Gamepad-Steuerung steht bis jetzt leider noch nicht zur Verfügung, Konsoleros müssen mit der klapprigen Tastatur zurechtkommen.
Für die gebotene optische und spielerische Leistung fallen die Anforderungen an die Hardware relativ hoch aus. Insbesondere der Prozessor kommt an manchen Stellen stark ins Schwitzen, die Grafikkarte und der Arbeitsspeicher werden hingegen mäßig beansprucht. Wer theHunter: Primal in seiner vollen Pracht bewundern möchte, benötigt eine gute CPU und einen angenehm leisen Lüfter.