Tomb Raider I-III Remastered REVIEW
Mit Tomb Raider I-III Remastered verpassen Crystal Dynamics und Aspyr den ersten drei Abenteuern von Lara Croft eine Frischzellenkur, ohne aber am Kern der Spiele allzu viel zu verändern. Man geht nicht den Weg der großen Triple-A Remakes dieser Tage, sondern lässt die bald 30 Jahre alten Spiele weitestgehend so, wie sie ursprünglich erschienen sind. Eine mutige Entscheidung – und eine gute.
Die Ursuppe der 3D-Adventures
Die in den Jahren 1996, 1997 und 1998 veröffentlichten ersten drei Tomb Raider Teile gehören zu den frühesten 3D-Adventures. Man kann hier durchaus von der Ursuppe der 3D-Spiele sprechen, denn Systeme wie die PlayStation, der Sega Saturn und das Nintendo 64 machten Mitte der 1990er Jahre richtiges 3D erstmals auf Konsolen möglich und eröffneten damit vollkommen neue Spielweisen und Genres. Entsprechend gab es seinerzeit wenige „best practices“ was Mechaniken und Konventionen anging, die originale Tomb Raider Trilogie ist dafür ein gutes Anschauungsbeispiel. Natürlich ist die Reihe rund um Titelheldin Lara Croft aber weitaus mehr als eine Geschichtsstunde in puncto 3D-Adventures und seiner Mechaniken. Viel mehr.
Kinder der 1990er Jahre werden sich vielleicht erinnern, für alle anderen ein kurzer Abriss: Lara Croft war in ihren ersten Jahren groß. Riesengroß. Sie war quasi überall. Abseits der Videospiele gab es Comics, Filme, Bücher und anderes Merchandise noch und nöcher. Nicht zu vergessen Laras Auftritt im „Männer sind Schweine“ Musikvideo von den Ärzten. Lara Croft war eine der ersten Videospielfiguren, die man durchaus auch kannte, wenn man mit Games nichts am Hut hatte. Und sie war eine Frau.
In einer Zeit, in der nach wie vor eine laute Minderheit noch ein Problem mit weiblichen Protagonisten in Videospielen zu haben scheint, stürzte sich Lara Croft vor bald 30 Jahren schon ganz selbstbewusst in eine Welt voller Sagen und Mythen, nahm es mit Dämonen und Mythengestalten, aggressiven Tieren und schießwütigen Männern auf, und hatte immer die Oberhand. Dass die von Toby Gard geschaffene Figur von Anfang an sexistisch angelegt war und infolge des Erfolgs der Spiele immer mehr in Pose gesetzt wurde, lässt sich nicht abstreiten. Aber ich will behaupten, ein überwiegender Teil der Spielerschaft und Fans mochte Lara nicht wegen ihrer Modellmaße und knappen Outfits, sondern weil sie einfach cool war und spannende Abenteuer erlebt hat.
Restaurierung: [1] Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (insbesondere von Kunst- oder Bauwerken) durch einen Restaurator
Umso gespannter war ich auf die Neuauflagen, die eben keine Remakes, sondern Remaster sind und es mit dem Begriff „Remaster“ auch wirklich ernst meinen. Die Entwickler haben die drei originalen Spiele genommen und sie für aktuelle Systeme (PlayStation, Xbox, Nintendo Switch und PC) portiert und technisch sowie hier und da auch inhaltlich restauriert. Die Charaktermodelle wurden durch neue, hoch aufgelöste Modelle ersetzt, ehemalige 2D-Sprites (etwa Gras) sind jetzt in der Regel richtige 3D-Objekte und einst pixeligen Umgebungsgrafiken erstrahlen nun dank hochaufgelöster Texturen zu neuen Leben. Die Architektur der Level, die Spielsysteme und andere Aspekte, die den Flair der Originale ausgemacht haben, wurden weitestgehend beibehalten, auch wenn man einige Zugeständnisse hinsichtlich moderner Spielgewohnheiten eingegangen ist. So kann man jetzt jederzeit abspeichern und wichtige Objekte und Schalter mit einem Ausrufezeichen hervorheben lassen.
Außerdem gibt es ein neues Steuerungsmodell, mit welchem man Lara direkt steuern kann – ganz wie das eben in modernen 3D-Spielen der Fall ist. Wer möchte, kann in den Optionen aber auch auf die klassische Panzersteuerung zurückgreifen, die ebenfalls ihre Vorzüge hat. Vor einigen Jahren hätte ich die träge Originalsteuerung noch als veraltet abgetan, in den vergangenen Jahren habe ich sie aber immer mehr schätzen gelernt und bevorzuge sie nach anfänglicher Eingewöhnungsphase auch in Tomb Raider I-III Remastered. Die moderne Steuerung funktioniert zu weiten Teilen gut und ist schlicht flotter, hat aber ein großes Problem mit der Kamera. Denn gerade in engen Räumen, hat die Kamera Schwierigkeiten, sich richtig zu positionieren. Das Resultat: man hängt zuweilen in irgendwelchen Wänden oder Objekten fest oder kann die Kamera nicht mehr richtig ausrichten.
Ein Panzer namens Lara
Eine Besonderheit der Spiele war seinerzeit, die große Vielfalt an Bewegungen, die Lara ausführen konnte und musste. Gerade bei späteren Abschnitten muss man immer wieder teils ziemlich knifflige Sprünge und Parcours absolvieren, sich von der Kante hängen oder regelrechte Tricksprünge vollführen, um weiterzukommen. Ich habe mit der modernen Steuerung immer wieder Probleme gehabt, diese Passagen hinzubekommen, mit der Panzersteuerung und der aufgezwungen langsameren Ausrichtung der Spielfigur, ging das alles viel einfacher.
Übrigens kann man nicht nur zwischen neuer und alter Steuerung hin und her wechseln, sondern auch zwischen neuer und alter Grafik. Das geht im Spiel per Tastendruck und ist ein ganz hervorragendes Features, eines, welches ich mir immer wieder in dieser Art von Neuauflagen wünsche, aber selten bekomme. Die alte Grafik ist dabei nicht ganz die der originalen Spiele, sondern imitiert sie lediglich – das aber macht sie ziemlich gut. Ähnlich wie bei der Steuerung hätte ich auch hier vor einigen Jahren noch gesagt: den Pixelbrei brauche ich nicht mehr! Heute hege ich eine große Liebe für die Optik früher 3D-Spiele. Entsprechend habe ich auch hier immer wieder zwischen neu und alt hergeschaltet und wie auch bei der Steuerung, bringt der Wechsel bei der Grafik teilweise spielerische Vorteile.
Es werde Licht
Denn dank neuer, realistischerer Beleuchtung im modernen Grafikgewand, sind dunkle Areale mitunter stockfinster. Schalter oder Objekte, die sich in diesen Bereichen befinden, sind dadurch stellenweise kaum ausfindig zumachen, zumal aufnehmbare Objekte, wie etwa Medipacks, nun ein kleineres Modell haben als im Original. Die Lösung: zur alten Grafik zu schalten! Das mag mitunter frustrierend klingen, irgendwie hat dieser Workaround aber fast schon ein bisschen Charme.
Erst nach der Veröffentlichung kam heraus, dass die Entwickler sich maßgebliche Unterstützung aus der Fan-Community geholt haben. Darunter auch Xproger, der seit einigen Jahren bereits an OpenLara gearbeitet hat. Dahinter verbirgt sich ein Projekt, welches Tomb Raider mit vielen technischen Überarbeitungen und jeder Menge moderner Komfortfunktionen spielbar gemacht hat. Während andere Entwickler und Publisher solche Fanprojekte abschießen und die Macher im schlimmsten Fall verklagen, haben Crystal Dynamics und Aspyr sich also Fans ins Boot geholt und diese machen lassen. Das merkt man dem Endergebnis auch an und ich will fast behaupten, dass ich selten ein Remaster gespielt habe, welches mit derart viel Feingefühl an das Ausgangsmaterial herangegangen ist, wie Tomb Raider I-III Remastered.
Zeitlos gut?
Die eigentlich spannende Frage bleibt aber natürlich, ob die Spiele auch heute noch gut sind. Ich möchte sagen: ja. Aber mit Abstrichen. Alles andere wäre eine Lüge. Drei Dekaden sind eine ziemlich lange Zeit, vor allem in einem derart technisch getriebenen Medium, wie dem Videospiel. Dennoch funktioniert all das, was die ersten drei Abenteuer von Lara Croft einst ausgemacht hat, auch noch heute. Ich habe zum Beispiel ganz vergessen – und neu schätzen gelernt – wie angenehm ruhig das erste Spiel ist und wie sehr es sich auf die Bewegung im virtuellen Raum und die Erkundung beschränkt. Die eingestreuten Rätsel sind meist noch recht simpel, die Sprungpassagen dafür angenehm fordernd. Auf die Kämpfe könnte ich verzichten und auch das abgefahrene Ende von Teil 1 habe ich irgendwie verdrängt.
Die Kämpfe in der originalen Trilogie mochte ich noch nie so wirklich, vor allem gegen menschliche Gegner, die schießen. Diese sind 2024 eine der größten spielerischen Schwächen und machen wirklich keinen Spaß. Leider übertreibt es gerade der zweite Teil mit schießwütigen Gegnern, hat dafür aber auch die mitunter coolsten Locations und Rätsel der gesamten Trilogie. Teil 3 war schon immer das Stiefkind der Reihe und wurde in der niedrigen Gunst vieler Fans erst durch Tomb Raider: The Angel of Darkness (2003) abgelöst.
Die Spiele sind sich in vielen ähnlich, zeigen aber auch, wie weit die Entwickler binnen weniger Monate gekommen sind. Man muss sich das wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen: ab 1996 gab es bis 2000 jedes Jahr einen neuen Hauptteil vom Hauptentwickler, nach dem damaligen Verständnis war jedes der Spiele Triple-A. Heute ist das mit den immer länger werdenden Entwicklungszyklen undenkbar und sicherlich haben sich die Entwickler auch in den späten 1990er Jahren mit Crunch um die geistige Gesundheit gebracht.
Pro & Kontra
- technisch sauber gemachte Remaster mit vielen Neuerungen (neue Modelle, neues Lichtsystem etc.)
- modernisierte Steuerung und andere Quality-of-life-Anpassungen
- drei auch heute noch spaßige Adventures
- Erweiterungen sind mit an Bord
- schöne Musik
- Kameraprobleme wenn man mit moderner Steuerung spielt
- die Kämpfe gegen menschliche Gegner sind heute mehr Graus denn je