New Pokémon Snap REVIEW
In den ersten Jahren zeigten sich Nintendo und The Pokémon Company noch sehr experimentierfreudig was das Pokémon Franchise anging. Egal ob als Flipper (Pokémon Pinball), als seinerzeit spektakulär inszenierter Showkampf (Pokémon Stadium), als Puzzler (Pokémon Puzzle League) oder in Form einer digitalen Adaption des nach wie vor beliebten Kartenspiels (Pokémon Trading Card Game): die Marke um Pikachu und Co. wurde abseits der Hauptreihe für viele Spielweisen adaptiert und sorgte so für Abwechslung. Zwar werden die immens erfolgreichen Maskottchen nach wie vor auch abseits der Hauptreihe umgesetzt, allerdings werden hier vor allem mobile Geräte und mehr oder weniger beliebte Spielmechaniken bedient. Entsprechend euphorisch waren viele Fans angesichts der Ankündigung eines waschechten Nachfolgers von Pokémon Snap für die Nintendo Switch.
Soziale Fotografie
Auf dem Papier ist New Pokémon Snap genau das richtige Spiel für mich. Nicht nur habe ich das Original seinerzeit geliebt, auch habe ich in den letzten Jahren einen richtigen Narren an Fotomodi gefressen und in Spielen wie Red Dead Redemption 2 und Ghost of Tsushima absurd viele Stunden damit verbracht, schöne Bilder zu machen und diese online zu teilen. Hier geht Entwickler Bandai Namco, die das Spiel für Nintendo entwickelt haben, glücklicherweise mit der Zeit und eröffnen Spielerinnen und Spielern die Möglichkeit ihre Schnappschüsse mit der Community zu teilen und Fotos zu editieren. Alles andere wäre angesichts der Prämisse aber auch wirklich dürftig. Dennoch sollte man nicht die Feature-Flut der genannten anderen Spiele erwarten. Denn wo ich im PlayStation 4 exklusiven Samurai Abenteuer Posen, Lichtstimmung, Shader und Filter verwenden kann, da bleiben die Möglichkeiten in New Pokémon Snap letztlich doch eher bescheiden. Zwar gibt es dennoch zusätzliche Bearbeitungsmöglichkeiten wie Filter und Stempel (vieles davon muss man nach und nach freischalten), so richtig austoben kann man sich aber nicht.
Fotosafari mit Einschränkungen
Das liegt mitunter auch am eigentlichen Spiel. Denn freie Bewegung ist hier nicht möglich, stattdessen bleibt das Sequel seinem Vorgänger treu und ist im Kern eigentlich ein Rail-Shooter (nur eben mit Kamera statt Waffe). Man schleicht also nicht durch Dickicht und sucht sich die besten Fotospots selbst aus, sondern wird automatisch – quasi auf unsichtbaren Schienen – vom Start eines Levels bis an dessen Ende gefahren. Das gemütlich langsam fahrende Neo-One-Mobil genannte Gefährt anhalten oder gar aussteigen kann man nicht, dafür sich aber frei umsehen und später kann man zumindest auch einen Turbo einlegen, um sich etwas schnellere durch die Kurse zu bewegen.
Aber worum geht es eigentlich? Nachdem man zu Beginn Namen und Aussehen (hier wählt man aus einem Pool fertig designter Figuren) festgelegt hat, wird man auch schon von Professor Mirror auf einer Insel der Lentil-Region begrüßt. Für den Professor steigt man in das bereits erwähnte Neo-One-Mobil ein und erkundet die hiesige Flora und Fauna, wobei das Augenmerk natürlich vor allem auf den heimischen Pokémon liegt. Von diesen gibt es insgesamt 200, was einen guten Querschnitt darstellt. Man wird viele beliebte und bekannte und auch einige eher weniger bekannte Taschenmonster vor die Linse bekommen. Bedauerlicherweise schafft es New Pokémon Snap nicht die Prämisse in einer sonderlich originellen Handlung einzubetten. Das Getratsche um einer alte Legende sowie dem Lumina-Phänomen sorgte bei mir schnell für Gähnen. Wie auch bei den aktuellen Ablegern der Hauptreihe frage ich mich daher auch hier, warum sich die Autoren nicht mal ein bisschen mehr Mühe geben und versuchen eine einigermaßen spannende Geschichte zu entwerfen – die Prämisse und das Universum geben es her!
Insgesamt gibt es sechs Inseln, die thematisch abwechslungsreich gestaltet sind. Mal ist man in einem Naturpark mit weiten Wiesen unterwegs, mal fährt man durch einen dichten Dschungel, mal nimmt man die putzigen Taschenmonster an einem Urlaubsstrand ins Visier und auch eisige sowie sehr heiße Gefilde laden zur Fotosafari ein. Welche Pokémon man vor die Linse bekommt, ist von der Umgebung und teilweise auch von der Tageszeit abhängig. Die pummelige Eule Hoothoot etwa schläft tagsüber, ist in der Nacht aber aktiv. Darüber hinaus ist auch der Forscherlevel pro Abschnitt entscheidend. Mit jeden neuen Forscherlevel (insgesamt gibt es drei) verändern sich die einzelnen Abschnitte ein bisschen, vor allem hinsichtlich welchen Pokémon man begegnet.
Frust und Freude
Durch die angenehme Varianz in der Spielwelt und ihren Orten sowie den Pokémon erhält das eigentlich recht simple Gameplay erstaunlich langfristige Motivation. Eine weitere Karotte sind natürlich die Bewertungen der gemachten Fotos. Hier zählen Merkmale wie Posen, Blickrichtung und Positionierung des abgelichteten Pokémon. Die besten Bewertungen erhält man für besondere Momente, etwa wenn das abgelichtete Modell nach dem Verzehr eines Apfels glücklich in die Luft springt. Mit Äpfeln, aber auch mit einer Melodie und Leuchtkugeln kann man Pokémon übrigens anlocken und beispielsweise aus Gebüschen hervorlocken. Teilweise stellt sich der Bewertungsablauf aber auch als frustrierend heraus. Nicht selten habe ich Professor Mirror verflucht, da er bzw. seine KI mir für ein objektiv schlechteres Foto eine höhere Bewertung hat zukommen lassen als für eines, bei welchen die Kriterien eher erfüllt werden. Macht ein Pokémon etwa eine besondere Pose, wird aber nur von hinten oder abgeschnitten fotografiert, so kann es durchaus vorkommen das dies besser bewertet wird, als gelungenes und mittiges Frontalfoto, bei dem nur keine vermeintlich besondere Pose gemacht wird.
So wirklich böse habe ich dem Spiel seine Fehler aber nicht genommen. Das liegt zum einen an den bereits erwähnten Aspekten, die motivieren. Einen immensen Anteil Spielspaß habe ich aber nicht zuletzt aus der Darstellung der Pokémon selbst gezogen. Jedes einzelne ist nämlich mit unterschiedlichen Verhaltensweisen ausgestattet, wodurch auch tatsächlich jedes der kleinen und großen Monster einen eigenen Charakter erhält. Ich will gar soweit gehen und behaupten das es bisher kein Spiel gab, welches seinen Hauptfiguren so viel Leben gegeben hat, wie New Pokémon Snap. Das die Entwickler etwas vom comichaften Look abgewichen sind und einen leicht realistischeren Ansatz in der visuellen Umsetzung der Spielwelt und ihrer Bewohner angestrebt haben, war ebenfalls eine gute Entscheidung.
Pro & Kontra
- motivierendes Gameplay-Gerüst
- viele unterschiedliche Pokémon, die allesamt eigene Verhaltensweisen haben
- abwechslungsreiche Areale
- Fotos lassen sich bearbeiten und online mit der Community teilen
- langweilige Rahmenhandlung
- keine Möglichkeit sich frei zu bewegen