Das Vermächtnis – Testament of Sin REVIEW

Ach, mal wieder die ganz alten Zutaten: Ein religiöses Artefakt mit mystisch-angehauchten Kräften, Verschwörungstheorien über fiese, machthungrige (teils religiöse) Geheimbünde, ein Archäologe, der in den Strudel der Ereignisse hineingezogen wird … Das polnische Adventure Das Vermächtnis – Testament of Sin bekleckert sich bezüglich „Story-Innovationen“ nicht gerade mit Ruhm. Aber was soll’s, solange das Abenteuer spannend umgesetzt wurde und Spaß bereitet ist doch alles in Butter.
Natürlich hat jeder Mensch seine eigene Vorstellung davon, was unter dem Begriff „Spaß“ zu verstehen ist. Und selbst dieses harmlose kleine No-Name-Adventure, welches am 26.11.2008 das Licht der Welt erblickte, versteht es bestens die Meinungen der Spielerschaft zu teilen. Die einen betrachten es als unterhaltsames Einsteiger-Adventure für zwischendurch, die anderen hingegen sehen es als unspektakuläre Durchschnittsware, die keiner weiteren Beachtung bedarf.

Angesichts der Existenz dieses Reviews kann man wohl davon ausgehen, dass ich eher ersterer Gruppe angehöre und tatsächlich hatte ich meinen Spaß mit diesem Spiel, wenn auch mit einigen Einschränkungen. Aber genug Vorgeplänkel, schauen wir uns einmal an, wie der erste Ableger der bislang vierteiligen „Das Vermächtnis“-Serie ausfällt.

Sylvies Abenteuerurlaub

Die junge, aufstrebende Archäologin Sylvie Leroux wird in letzter Zeit von eigenartigen Träumen und Visionen heimgesucht. Diese drehen sich um den Malteser-Ritterorden und seiner – scheinbar nicht ganz ungefährlicher – Geheimnisse. Da ist es doch ein seltsamer Zufall, dass ihr Onkel Olivier Leroux – ebenfalls Archäologe und Sylvies Vaterersatz – jüngst eine sagenhafte Entdeckung auf Malta gemacht hat. Es geht um die dortigen Tempelruinen des Malteserordens, oder genauer genommen deren kürzlich freigelegten Haupthalle (geheimnisvoller Mechanismus inklusive). Natürlich möchte der gutmütige alte Mann den Fund mit seiner geliebten Nichte teilen, und lädt diese auf einen Besuch nach Malta ein. Da Sylvie ihre Kindheit und Jugend auf der Mittelmeerinsel verbrachte und ihre archäologische Neugier befriedigen möchte, fällt es ihr nicht schwer das Angenehme mit dem Nützlichen zu kombinieren und begibt sich sogleich auf den Weg in ihre einstige Heimat.

Dort angelangt geht der Ärger auch schon los. Sylvies Onkel ist spurlos verschwunden, und die örtlichen Behörden behaupten, dass er „vor seiner Flucht“ einige wertvolle Artefakte aus oben erwähnter Ausgrabungsstätte entwendete. Und um den ganzen die Krone aufzusetzen, stellt sich heraus, dass ihm kurz vor dem Diebstahl aus irgendeinem fadenscheinigen Grund die Ausgrabungsrechte entzogen wurden! Klar, dass die Empörung unserer naiven Sylvie angesichts dieser Neuigkeiten – und dem dazugehörigen miesen Verhalten des unangenehmen Inspektor Granc – auf 180 schnellt. Da Ekel Granc keine Hilfe ist, stürzt sich unsere lebenslustige Französin auf eigene Faust ins Abenteuer – vielleicht kann ihr ja James Anderson, der sympathische Sprachwissenschaftler und Assistent ihres Onkels, weiterhelfen?

… Ach ja, das ultramystische Geheimnis der Malteser möchte natürlich auch noch gelüftet werden, wobei es aber – Dan Brown-like – auch in dieser Sache einige, mehr oder weniger, feindliche Organisationen gibt, denen Sylvie mit ihrer Schnüffelei auf die Füße tritt.

Wer zwischen den Zeilen gelesen hat, dem ist vielleicht bewusst geworden, dass mich Handlung und Charaktere nicht wirklich überzeugen. Tatsächlich können diese, für ein Adventure wichtigen Zutaten, in „Testament of Sin“ einfach nicht punkten. Die Handlung scheint nur vor sich hinzuplätschern und dient wohl in erster Linie als Aufhänger für eine gemütliche Urlaubsreise durch den Mittelmeerraum. Hinzu kommen die oberflächlichen (und dementsprechend uninteressanten) Charaktere. Ist es Ironie, dass die vermeintliche Archäologin Sylvie eher wie eine Touristin wirkt?

Nun ja, lange Rede, kurzer Sinn: Wer einen nervenaufreibenden, religiös angehauchten Mystery-Thriller á la Dan Brown erwartet, sollte besser gleich umdenken. Sylvies Sightseeing Tour kommt beinahe ohne pseudohistorische Erläuterungen sowie Mord und Todschlag aus, und dementsprechend harmlos präsentiert sich das ganze dann auch – Testament of Sin ist im Bereich „Story“ nichts weiter als eine amüsante kleine Urlaubsreise für Genre-Neulinge.

Standardmäßiges aber auch grundsolides P&C-Adventure-Gameplay

Der Titel spielt sich genau so, wie man es von einem Point & Click-Adventure zu erwarten hat:

  • Man sucht die Renderbilder nach Gegenständen ab, kombiniert diese untereinander und verwendet sie anschließend an passender Stelle.
  • NPCs warten in Form von „Klapper alle Gesprächsoptionen ab“-Dialogen auf ihren großen Auftritt.
  • Und in sehr seltenen Fällen bedienen wir kleinere Mechanismen – sonderlich herausfordernd sind diese jedoch nicht ausgefallen.

Die Steuerung bleibt dem Genreschema F ebenfalls treu: Mehr als die Computermaus wird nicht benötigt, um die Gebiete zu erkunden und Sylvie mittels Doppelklick durch die Screens zu scheuchen – und ehrlich gesagt wünscht man es sich ja auch nicht anders.

Abgesehen davon gibt es noch zwei kleine Besonderheiten: Die Objekte in der Itemleiste können hier mit Klick auf die rechte Maustaste einer genaueren Untersuchung unterzogen werden, was manchmal notwendig ist, um im Spiel weiterzukommen – das gab es ja auch schon in „The Longest Journey“. Des Weiteren gibt es noch eine kleine Hilfefunktion in Form eines Fragezeichens neben der Itemleiste. Ein Mausklick auf dieses genügt, um sich sämtliche Hotspots im Screen anzeigen zu lassen – ganz nett, um sich lästige Such-Orgien zu ersparen.

Auch ohne Hilfefunktion ist der Schwierigkeitsgrad eher niedrig gehalten, denn die Rätsel sind angenehm logisch aufgebaut, was dem Adventure-Neuling schnelle Erfolge ermöglicht. Stellenweise kann es aber auch zu kleinen Problemen kommen, da einige Rätselabläufe in chronologisch korrekter Reihenfolge gelöst werden müssen. Im Klartext bedeutet dies, dass die Lösung von Rätsel B zwar bekannt ist, aber noch nicht getriggert werden kann, solange Rätsel A noch nicht abgeschlossen wurde. Dadurch fühlt man sich nicht nur etwas eingeengt, es führt auch zu einiger lästiger Laufarbeit. Ärgerlich auch, dass diese strikten Reihenfolgen nicht immer sinnvoll eingearbeitet wurden.

Ein weiteres Fundstück aus The Longest Journey findet sich in der oberen Menüleiste. Abgesehen von typischen Möglichkeiten wie Speichern und Laden (was selbstverständlich jederzeit möglich ist) oder der Rückkehr ins Hauptmenü, findet sich dort auch der Unterpunkt „Notizen“. In diesem lassen sich alle freigespielten Dialoge und Dokumente einsehen. Darüber hinaus führt unsere Heldin auch ein Tagebuch, in dem sie die Geschehnisse jedes der sechs Kapitel festhält. Die spielerische Relevanz dieser „Notiz-Optionen“ tendieren (abgesehen von einer Ausnahme) aber auch in diesem Spiel gegen Null.

Viel mehr lässt sich jetzt auch nicht erläutern. Genre-Kenner merken, dass hier nichts wirklich Neues geboten wird, eine Tatsache die mit dem niedrigen Schwierigkeitsgrad und einer recht kurzen Spieldauer von ca. sechs Stunden Hand in Hand geht. Testament of Sin ist im Bereich „Gameplay“ nichts weiter als eine amüsante kleine Urlaubsreise für Genre-Neulinge.

Grafik, Sound und Präsentation

Optisch präsentiert sich der Titel recht klassisch. Es werden detaillierte Renderbilder in einer 1024×768 Auflösung verwendet, während die Charaktere in 3D-Grafik gehalten sind. Die Hintergrundbilder sind liebevoll ausgearbeitet, und die Ortschaften wurden ansprechend gestaltet. Die Rendersequenzen sind jedoch bestenfalls zweckmäßig und können nicht mit denen der deutschen Konkurrenz mithalten. Ärgerlich ist auch das Recycling der Malta und Gozo Ortschaften, die man im Verlauf des Spiels drei mal abklappert. Gegen Ende des Spiels gab es noch einen lästigen Grafikbug. Da war dann auf einmal ein Gegenstand in der Inventarleiste, sowie der Hotspot-Button leicht nach rechts gedrückt. Spielerisch hatte das aber keine negativen Auswirkungen.

Der OST dudelt oftmals unpassend und aufdringlich im Hintergrund vor sich hin und gehört zu den wenigen Soundtracks überhaupt, die mich ernsthaft dazu drängten den Lautstärkeregler im entsprechenden Optionsmenü nach unten zu drehen. Manch einer wird in diesem Menü wohl auch die Sprachausgabe ausschalten, denn auch in diesem Bereich bekleckert sich der Titel nicht gerade mit Ruhm. Die Stimmen an sich sind gar nicht mal so schlecht, auch wenn Sylvies Sprecherin auf mich viel zu jugendlich/naiv wirkt – sie erfüllt auf jeden Fall das Klischee der chronisch gut gelaunten Adventure-Heroine. Abgesehen davon liegt das eigentliche Problem aber in der lustlosen Präsentation der Gespräche begründet. Mit Grausen erinnere ich mich an die Dialoge zwischen Sylvie und James. „Hölzern“ ist das perfekte Wort, um diese zu beschreiben. Unterm Strich ist der Sound die größte Enttäuschung in diesem Spiel.

Zwar bietet uns „Testament of Sin“ viele sehenswerte Renderbilder, allerdings ist der Titel hinsichtlich Präsentation dann doch alles andere als überragend. Dünne Story und Charaktere, Grafikbugs, nerviger OST … City Interactive hatte seinerzeit noch einiges nachzuholen. Einzig das Gameplay kann überzeugen und bereitet – trotz mangelnder Besonderheiten – zumindest Genre-Neulingen und Freunden leichter Spiele einigen Spaß.

Tatsächlich ist der Titel gerade für diese Spieler wunderbar geeignet: Relativ leichte und logische Rätsel und eine gemütliche, eher gewaltfreie Abenteuerurlaubsreise, dürften genau das richtige sein, um der Mutti sein liebstes Hobby näher zu bringen. Also auch in Sachen Gesamtpräsentation nichts weiter als eine amüsante kleine Urlaubsreise für Mutter und Co..

Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pros
  • einsteigerfreundlich, generell angenehmer Schwierigkeitsgrad
  • schicke Renderbilder
  • gewohnt solides Gameplay und Steuerungsschema
  • relaxte Atmosphäre

thumbs-up-icon

Cons
  • oberflächliche Handlung und Charaktere
  • geringe Spieldauer von ca. sechs Stunden
  • nerviger OST
  • recycelte Ortschaften

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Spiel Bewertung
Singleplayer
72
72
-
Multiplayer

FAZIT

Nun neigt sich Sylvies Urlaub also dem Ende zu … Spaß hat die Reise durch den Mittelmeerraum schon gemacht, sonderlich vermissen werde ich Sylvie dann aber doch nicht, dafür wirkt mir die gute doch etwas zu blass und unspektakulär. Dieser Kritikpunkt trifft leider auch auf ihr erstes Abenteuer „Testament of Sin“ zu. Dennoch bietet der Titel grundsolide Kost für Genre-Neulinge. Somit sei die amüsante kleine Urlaubsreise zumindest Newbies wärmstens ans Herz gelegt. Abgesehen von Sylvies ersten beiden Point & Click-Abenteuern „Testament of Sin“ und „Der Baum des Lebens“ gibt es übrigens auch zwei Wimmelbild-Ableger namens „Die Legende des Heiligen Schatzes“ und „Das Geheimnis des verschollenen Königreichs.“

- Von  Volker

MS Windows

Das Vermächtnis – Testament of Sin REVIEW

USK 6 PEGI 16

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