The Vanishing of Ethan Carter REVIEW
Das am 26. September 2014 veröffentlichte The Vanishing of Ethan Carter ist nicht nur der Debut-Titel des polnischen Entwicklerstudios „The Astronauts“, sondern auch einer der großen Hits des Walking Simulator bzw. Exploration Game Genres. Selbst heute noch kann das Spiel mit seiner eindrucksvollen grafischen Kulisse überzeugen und bekam neben einer Umsetzung für die PlayStation 4 und Xbox One sogar eine Redux-Version spendiert. Dieser Test beschäftigt sich jedoch ausschließlich mit der Original-Version. Anders als viele andere Exploration Games bietet Ethan Carter neben einer spannenden Handlung und toller Atmosphäre sogar ein paar vernünftige Rätseleinlagen. Aber was das Spiel nun im Detail taugt, wollen wir im folgenden Review herausfinden.
Wo befindet sich Ethan Carter?
Der Spieltitel deutet bereits an worum es in diesem Spiel geht: Ethan Carter, jüngster Spross einer Familie von bornierten Hinterwäldlern, hat ein schriftliches Hilfegesuch an sein Idol, den übersinnlich begabten Privatdetektiv Paul Prospero gerichtet. In seinem Heimatort Red Creek Valley im US-Bundesstaat Wisconsin geht das Böse um, und bedroht das Leben der Carters – insbesondere das von Ethan selbst. Da Paul auf übernatürliche Fälle spezialisiert ist und bereits hunderte dieser heiklen Aufträge bewältigen konnte, folgt er dem Hilferuf seines jungen Fans. Obendrein soll dies Prosperos letzter Fall sein. In Red Creek angekommen, stellt der Detektiv recht schnell fest, dass Ethan keineswegs übertrieben hat. Bereits nach kurzer Zeit stößt er auf tödliche Fallen und eine verstümmelte Leiche. Doch Pauls Fähigkeiten erlauben ihm Portale in die Geisterwelt zu schaffen, wo er die Erinnerungen Verstorbener rekonstruieren kann, um somit die Täter zu entlarven. Dummerweise entpuppt sich der Täter in Red Creek Valley als bösartige Entität, welche von den Carters nur als „Der Schläfer“ bezeichnet wird. Wird Paul Ethan Carter retten können, oder kommt bereits jede Hilfe zu spät? So oder so wird unser Schnüffler den Jungen finden müssen, um den Fall abschließen zu können.
Zunächst wähnt man sich in einer typischen Mystery-Detektiv-Geschichte, die mit übernatürlichen Elementen angereichert wurde. Doch nach einiger Zeit kristallisiert sich heraus, dass da doch mehr dahintersteckt. Die Entdeckungen die Paul in Red Creek macht, nehmen sehr bald absurd-phantastische Züge an, die keinen klaren Kontext zur Rahmenhandlung um den mysteriösen Schläfer aufweisen. Da reicht die Bandbreite von Zombies, über den Cthulhu-Mythos bis hin zu einem mysteriösen Astronauten, der sich durch die Gegend teleportiert. Sobald man den Abspann zu sehen bekommt, löst sich dieses Kuddelmuddel aber glücklicherweise auf und alles ergibt doch noch einen Sinn. Ja, The Vanishing of Ethan Carter ist eines der wenigen Mystery-Spiele, welches das große Geheimnis zum Schluss offenlegt und dabei sogar einen netten Aha-Effekt erzeugt. Wäre schön, wenn dieses Beispiel Schule macht.
Endlich: Ein Exploration Game mit handfesten Gameplay
Als Exploration Game geht es in Ethan Carter freilich in erster Linie darum, in aller Ruhe die Umgebung zu erkunden, sowie sich an der Grafikpracht und Handlung zu erfreuen. Ehrensache, dass die konfigurierbare Steuerung nach altbewährten First-Person-Muster arbeitet und keinerlei Probleme bereitet. Man könnte sogar kritisieren, dass die Steuerung zu bequem arbeitet, denn Paul fühlt sich eher wie eine schwebende Kamera an, als eine richtige Person mit Armen und Beinen. So geben zum Beispiel einige Dinge wie Baumäste keinerlei Widerstand, wenn man durch sie hindurch läuft. Ist aber ehrlich gesagt nur Erbsenzählerei.
Die Spielwelt selbst entpuppt sich hingegen als relativ kleines, aber feines Open World-Areal, welches erlaubt die verschiedenen Rätsel und Aufgaben in beliebiger Reihenfolge abzuwickeln. Wer den Abspann sehen möchte, kommt jedoch nicht drumherum alle größeren Aufgaben zu lösen. Folglich kann sich die Open World auch zum Stolperstein entwickeln, wenn man kurz vorm Ziel damit konfrontiert wird alle ungelösten Rätsel nachzuholen. Dies kann dann natürlich auch nerviges Backtracking provozieren. Aber dafür kann das Spiel wiederum eben gerade durch den Inhalt von Rätseleinlagen punkten. Etwas, was man in vielen anderen Walking Simulators vergeblich sucht.
Pauls Aufgabe besteht oftmals darin alle interessanten Objekte in der jeweiligen Umgebung aufzuspüren, mental zu scannen und gegebenenfalls an ihren Ursprungsort zurückzubringen, um auf diese Weise Schritt für Schritt ein Portal in die Geisterwelt zu öffnen. Dort angekommen findet er dann Erinnerungsfetzen der Carters vor, die es nun in die korrekte Reihenfolge anzuordnen gilt, um anschließend den jeweiligen Tathergang zu rekonstruieren. Auf diese Weise wird das Schicksal der Carters Stück für Stück offengelegt und hoffentlich wertvolle Hinweise zum Aufenthaltsort von Ethan entblößt.
Abseits dieser Tatort-Rekonstruktions-Passagen, bietet das Spiel aber noch weitere interessante Entdeckungen und Puzzle. So findet man z.B. ein verfallenes Haus voller seltsamer Portale oder muss sich in einem finsteren, labyrinthischen Minenstollen an einem Zombie vorbei schleichen, um Leichen aufzuspüren, deren Geisteressenzen anschließend bei einem Symbolrätsel weiterhelfen sollen. Ab und zu darf man auch mal Schienenfahrzeuge bedienen oder muss schlicht und einfach die Gegend erkunden, um Events zu triggern.
Unterm Strich bietet Ethan Carter wesentlich mehr Gameplay-Inhalt als die meisten anderen Exploration Games. Das bedeutet aber nicht, dass wir es hier mit einem vollwertigen Adventure zu tun haben, welches euch zahlreiche schlaflose Nächte bescheren wird. Der Schwierigkeitsgrad in diesem Spiel ist eher niedrig angesetzt und äußert sich in erster Linie darin, dass die Entwickler bewusst auf Tutorial-Anweisungen oder sonstige Hilfen wie etwa ein Handbuch verzichtet haben. So soll man etwa Pauls Gabe der Sicht in die Gegenwart selber entdecken, mit deren Hilfe er nicht nur die Fundorte wichtiger Schlüsselgegenstände, sondern sogar die bloße Existenz eben dieser Gegenstände freilegen muss. Ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit ist also erforderlich, um erfolgreich zu sein.
Leider ist die Suche nach Ethan Carter bereits nach maximal 4 Stunden abgewickelt, das war zumindest laut Steam meine ungefähre Spielzeit, und ich bin ein eher lahmarschiger Spieler, der Speedruns nicht sonderlich gut leiden kann. Den aktuellen Vollpreis von aufgerundet 19 Euro sollte man also nur zahlen, wenn man ein echter Fan des Genres ist.
Grafik und Sound
Wie bereits klargestellt, bietet The Vanishing of Ethan Carter eine fantastische Grafik, die einen großen Teil zum Spielspaß beiträgt. Die Original-Version des Spiels nutzt die Unreal 3-Engine, während man für die Redux-Version die Unreal 4-Engine nutzt. Besonders eindrucksvoll sind die tollen Texturen im Spiel. Da sieht man unter anderem schöne Details wie die rissige Lackierung eines Brückengeländers, was einfach unverschämt detailverliebt ausschaut. Und natürlich kann auch die liebevoll aufgebaute Landschaft an sich überzeugen. Diese setzt sich jedoch in erster Linie aus klassischen Wald- und Wiesen-Locations mit ein paar verfallenen Gebäuden zusammen. Zwischendrin gibt es aber auch etwas Abwechslung in Form eines Minenstollens. Etwas schade ist hingegen, dass der Hauptcharakter Paul Prospero nur eine schwebende Kamera ist und die Spielwelt etwas leblos erscheint, da kaum Tiere und Menschen vor Ort sind. Dennoch erwartet euch hier ein wahrer Augenschmaus. Schön ist weiterhin, dass sich die Ladezeiten für ein Unreal 3-Engine Spiel in Grenzen halten und die Technik auch auf etwas schwächeren Rechnern nicht so stark herumzickt, wie erwartet. Gerade in dieser Hinsicht, wirken Grafik und Technik sogar noch beeindruckender.
Der Soundtrack gehört zu jener Sorte, die unaufdringlich im Hintergrund spielt, was auch gut zum Spielprinzip passt. Und dennoch stechen die Tracks wohltuend hervor und untermauern den mystischen Flair des wunderschönen Red Creek Valleys. Auch die englische Synchronisation ist sehr hochwertig. Highlight ist natürlich Paul Prosperos rauchige Privatdetektiv-Stimme, aber auch die anderen Sprecher können mühelos überzeugen. Alles in allem kann die Akustik in Ethan Carter mühelos überzeugen. Ein richtiges audiovisuelles Prachtstück!