The Bouncer REVIEW
The Bouncer ist ein Beat ‚em Up mit RPG-Elementen. Das Spiel hat die Ehre Squaresofts allererster Gehversuch auf der PS2 zu sein. Tatsächlich sollte The Bouncer sogar ein Starttitel für die PS2 werden. Daraus ist jedoch nichts geworden, das Game erschien in Japan erst am 23.12.2000 und somit ca. 8-9 Monate nach dem Launch der PS2. Wir Europäer durften dann am 22.06.2001 die virtuellen Fäuste in Squaresofts und Dream Factorys Brawler-Epos fliegen lassen. The Bouncer ist übrigens nicht das erste Kampfspiel eben genannter Unternehmen. Bereits auf der PSone wurden mit den beiden „Tobal“-Teilen und „Ehrgeiz“ Spiele aus diesem Sektor veröffentlicht.
Heutzutage sind sämtliche Prügelspiele des RPG-Giganten in Vergessenheit geraten. Ob jedoch The Bouncer immer noch ein Spielchen wert ist oder nicht, soll folgender Test aufzeigen.
Drei Engel für Dominique
The Bouncer konfrontiert uns mit einem der ältesten Videospielklischees: Die Rettung der Maid in Not. Doch alles der Reihe nach. Wir befinden uns in einer nahen Zukunftsvision der Erde. Die fiktive Stadt Edge steht unter der Knute des Mikado-Konzerns, welcher vom Schönling Dauragon C. Mikado geführt wird. Dauragon hat ein spannendes neues Projekt am Start. Er will einen Satelliten aktivieren, welcher die gesammte Erde mit umweltfreundlichen Solarenergie-Strom versorgen soll. In Wahrheit ist Dauragon aber alles andere als ein Weltverbesserer. Eine Tatsache, welche die Belegschaft der Bar „Fate“ schon bald zu spüren bekommt. Die Bar beschäftigt derzeit drei Rausschmeißer. Den grantigen Teenager Sion Barzahd, den einschüchternden aber gutherzigen Volt Krueger und den tätowierten Spaßmacher Kou Leifoh.
Seitdem Sion das Waisenmädel Dominique Cross auf der Straße aufgegabelt hat, gehört sie zum Freundeskreis der Rausschmeißer und hängt regelmäßig mit den Jungs in der Bar herum. Natürlich ist Dominique in Sion verschossen, was den abgehärteten Jugendlichen jedoch scheinbar kalt lässt. Doch Sions Attitüde ändert sich umgehend, als eine Gruppe von Ninja-Kämpfern die Bar stürmt, um Dominique zu entführern. Unserem Trio gelingt es nicht die Ninjas zu stoppen, aber immerhin identifiziert Volt die Typen als Mikado Special Forces. Kou hingegen lässt seine Connections spielen, und lotst die Gruppe zum Bahnhof, wo sehr bald ein Mikado-Güterzug zum Firmengebäude abfährt. Somit sind die Weichen zur Rettungaktion für Dominique gestellt. Jedoch müssen sich die drei Buddies auf eine lange, harte Nacht einstellen, denn sowohl Dominique, als auch die drei Rausschmeißer sind enger mit dem Mikado-Konzern verbunden, als gedacht. Der Kampf gegen Mikado zwingt sie dazu sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Obendrein verfolgt Dauragon finstere Pläne, die besser vereitelt werden sollten.
The Bouncer ist nicht nur einer der wenigen Brawler, welcher eine interessante Handlung zu bieten hat, tatsächlich ist die Story des Spiels das Herzstück. Die Zwischensequenzen machen ca. drei Viertel des Abenteuers aus. Die Prügeleien wirken da oftmals nur wie Beiwerk zur Auflockerung. Glücklicherweise ist die cyberpunkige Story von The Bouncer derart abgedreht und spaßig inszeniert, dass man diesen Umstand nicht unbedingt als Nachteil wahrnehmen wird. Es macht einfach Laune diesen spielbaren Actionfilm zu erleben. Obendrein bietet die Story durch die drei Charaktere variable Blickpunkte und sogar leicht abweichende Storyrouten, was zum wiederholten Durchspielen einlädt.
Ein Makel ist jedoch wichtige Schlüsselereignisse aus der Vergangenheit der drei Hauptcharaktere in Form von Schrifttexten zu präsentieren, welche während der Ladescreens(!) angezeigt werden. Das Problem ist, dass die Ladezeiten sehr kurz sind, und der Spieler somit keine Chance erhält diese Texte durchzulesen. Solch ein heftiger Fehler ist für ein Großunternehmen wie Square natürlich megapeinlich. Glücklicherweise fügt dies der Handlung keinen ernsten Schaden zu.
Interaktiver Film mit wackligen Brawler-Einlagen
The Bouncer bietet drei Spielmodi: „Story Mode,“ „Versus Mode“ und „Survival Mode.“ Das Herzstück ist der Story Mode, also schauen wir uns diesen zuerst an. Der grundlegende Spielablauf dieses Spiemodus läuft wie folgt ab. Ihr schaut euch minutenlange Cutscenes an, werdet irgendwann aufgefordert einen der drei spielbaren Charaktere Sion, Volt oder Kou auszuwählen und prügelt euch dann 1-2 Minuten mit Standard- und/oder Bossgegnern in kleinen Arealen. Nach dem Kampf verteilt ihr die verdienten „Bouncer Points“ (sind quasi Erfahrungspunkte), speichert bei Bedarf ab, und das eben genannte Schema wiederholt sich bis zum Spielende. In seltenen Fällen versucht das Game das Schema aufzulockern. So muss man an einer Stelle innerhalb kurzer Zeit eine Schlüsselkarte finden (scheitert man wird der nächste Level härter) oder man muss für Dominique durch eine längere Spielpassage den Bodyguard spielen. In Kou’s Route gibt es sogar eine Art Memory-Minigame, welche als Stealth-Sequenz präsentiert wird. Jedoch täuschen diese Gimmicks nicht über den Mangel an Gameplay-Inhalt hinweg. Ein Spieldurchlauf dauert ca. 2 Stunden, und die meiste Zeit betrachtet man Cutscenes. Bei Bedarf gibt es eine Option im Pausemenü die aktuelle Zwischensequenz zu überspringen, allerdings zerstört man damit den eigentlichen Sinn des Spiels, da die Prügeleinlagen nicht unbedingt die Besten im Genre sind.
Die drei Hauptcharaktere verfügen allesamt über einen individuellen Kampfstil. Sion nutzt eine Mischung aus Kempo und Straßenkampf, Volt nutzt Wrestling und Kou Taekwondo. Hierdurch fühlen sich die drei Rausschmeißer im Kampf auch unterschiedlich an und bieten individuelle Kampfmoves. Das grundlegende Steuerungsschema ist jedoch bei allen gleich. Jedem Button des Playstation-Controllers ist ein hoher (Dreick), mittlerer (Quadrat), tiefer (Kreuz) oder Sprungangriff (Kreis) zugewiesen. Es versteht sich von selbst, das man kleinen Gegnern wie Kampfhunden am besten mit tiefen Angriffen beikommt usw. Ferner wird Gebrauch von der Drucksensitivität der Buttons gemacht. Je nachdem ob man leicht oder stark auf den Button drückt, wird ein regulärer oder starker Angriff durchgeführt. Darüber hinaus gibt es auch Button-Kombotechniken, welche im Handbuch hinterlegt sind.
Falls das immer noch nicht ausreicht, kann man sich mit verdienten Bouncer Points weitere Angriffstechniken für die Burschen freikaufen. Obendrein gibt es noch den sogenannten „Trinity Rush.“ In der Hitze des Gefechts geben eure K.I.-Kameraden manchmal ein akustisches Signal. Betätigt man daraufhin schnell die R2-Taste, starten die Bouncer eine cool inszenierte Dreier-Superattacke, welche leider nicht ganz so effektiv ist wie erhofft.
Da der Kampf mit zwei K.I.-Gefährten und einer oftmals mies platzierten, automatischen Kamera alles andere als übersichtlich ausfällt, bekommt man mit L1 eine Lock-on-Funktion und kann mit R1 blocken, um eingehenden Schaden zu negieren. Der Block kommt jedoch mit einem unsichtbaren Energiebalken daher, und kann daher nicht inflationär eingesetzt werden. Obendrein verfügen einige Bosse über Block-brechende Attacken.
Unterm Strich ist der Kampf zwar funktional, fühlt sich aber selbst nach der Eingewöhnungszeit einfach zu wacklig an. Neben den Übersichtsproblemen stört auch die Gegner-K.I., da diese entweder strunzdoof agiert oder auch mal mit blitzschnellen Spezialangriffen die eigenen Lebenspunkte zusammenschrumpft. Die Ragdoll-Mechanik ist zwar witzig anzuschauen, zieht aber sowohl bei Freund als auch Feind zu viel Lebensenergie ab, wenn diese durch einen hinlatzenden Mitstreiter umgekegelt werden.
Motivierend sind hingegen die RPG-Elemente. Bouncer Points gibt es für beseitigte Gegner und für das bloße bestehen eines Spielabschnitts. Abgesehen von neuen Kampftechniken kann man mit den BP auch die Statistikwerte von Sion, Volt und Kou verbessern. Mehr Lebensenergie, mehr Angriffskraft und mehr Haltbarkeit für den Block kann man auf diese Weise erlangen.
Gelingt es mehrere Gegner innerhalb eines kurzen Zeitrahmens zu bezwingen, kann man sogar Multiplikatoren für die BP erlangen, was dazu motiviert strategischer zu kämpfen. Leider gibt es hierbei jedoch einen Stolperstein. Gegner, die von den K.I.-Gefährten beseitigt werden werfen keinerlei BP ab. Ein weiterer derber Designmangel, den man von einem Profi wie Square nicht erwarten würde.
Richtig cool ist hingegen die Beifügung einer Game+ Funktion. Bei weiteren Spieldurchläufen kann man mit hochgelvelten Charakteren einsteigen. Beim dritten Spieldurchlauf bekommt man dann sogar noch eine weitere Form des Endgegners freigeschaltet. Generell ist The Bouncer auf mehrere Spieldurchläufe ausgelegt, da die Auswahl der Spielfigur Einfluss auf die Zwischensequenzen und Story hat. Im Extremfall kann man sogar geheime Bosskämpfe freischalten (z.B. wenn man einen Spieldurchlauf ausschließlich mit Kou bestreitet). Das Spiel hat also trotz seiner Macken einige coole Ideen zu bieten.
Aber kommen wir nun zu den anderen Spielmodi. Der Story Mode ist eine reine Einzelspieler-Angelegenheit, im Versus Mode können hingegen bis zu vier Spieler gegeneinander antreten, oder zwei Spieler können sich zwei Dreierteams erstellen, von denen jeweils zwei von der K.I. gesteuert werden. Man kann diese Versus Modi auch als Solospieler angehen und alle anderen Spielfiguren von der K.I. übernehmen lassen, aber das ist eher witzlos. Zu Beginn stehen euch nur Sion, Volt und Kou für diesen Modus zur Verfügung, aber durch Spieldurchläufe im Story Mode könnt ihr weitere Charaktere für den Versus Mode freischalten wie etwa Dominique oder verschiedene Varianten von Dauragon.
Survival Mode ist eher im Stil eines klassischen Brawlers strukturiert. Hier prügelt ihr euch ohne jeglichen Storyballast durch insgesamt 10 Areale und müsst jeden Gegner beseitigen, der sich euch in den Weg stellt. Das ist jedoch leichter gesagt als getan, da es, anders als im Story Mode, keine Regeneration der Lebensenergie zwischen den Stages gibt. Allerdings darf man diese Herausforderung auch mit hochgelevelten Varianten von Sion, Volt und Kou, oder den freigespielten Charakteren des Versus Modes angehen.
Unterm Strich sind die zusätzlichen Spielmodi eine nette Dreingabe, aber das Herzstück ist ganz klar der Story Mode.
Grafik und Sound
Für einen frühen PS2-Titel sieht The Bouncer richtig schick aus. Die Charaktermodelle sind groß und detailliert gestaltet, sowie bemerkenswert lebendig animiert. Und natürlich springt sofort das Artwork von Tetsuya Nomura ins Auge, welcher dem Brawler den Look eines Final Fantasy-Spiels verleiht. Die Umgebungen, in denen die Prügeleien stattfinden können da schon weniger begeistern. Meistens ist man in industriellen Arealen zugange und das gesamte Spiel findet in einer einzigen Nacht statt, mit Tageslicht ist hier also nicht viel. Aber eigentlich bekommt man sowieso nicht viel von den Umgebungen mit, da die automatische Kameraführung sehr nahe am Geschehen ist und sich hauptsächlich auf die Kampfteilnehmer konzentriert.
Als Entschädigung gibt es aber haufenweise tolle Ingame-Cutscenes, welche das Gefühl eines spielbaren Actionfilms untermauern. Abgesehen von den gelungenen Ingame-Cutscenes, gibt es aber auch die Squaresoft-typischen Rendersequenzen zu bestaunen. Unterm Strich ist The Bouncer grafisch sehr gut gelungen und gab einen ersten Einblick in die grafischen Möglichkeiten der PS2, sowie des nächsten Final Fantasy-Teils.
Auch beim Soundtrack kann das Spiel Überzeugen. Die Tracks fetzen richtig gut und unterstützen die Prügelaction wunderbar. Ehrensache, dass die Schlägereien mit befriedigenden Kampf- und Prügellauten untermauert werden. Die englische Sprachausgabe ist für ein altes PS2-Game überraschend hochwertig gelungen. Die Charaktere verfügen über angenehme und prägnante Stimmen und die Synchronsprecher liefern einfach gute Arbeit ab. Apropos Englisch: Eine deutsche Übersetzung hat sich Squaresoft für The Bouncer gespart. Nicht nur die Sprachausgabe, sondern auch die Texte liegen ausschließlich in englischer Variante vor. Übersetzt wurde lediglich das Handbuch.
Pro & Kontra
- für ein frühes PS2-Spiel eine tolle audiovisuelle Präsentation
- herrlich abgedrehte Cyberpunk-Story
- hoher Wiederspielwert durch variable Storyrouten mit 3 Spielfiguren, Charakter-Verbesserungen und Game+
- zusätzliche Spielmodi mit Multiplayer-Option
- die Kämpfe sind kurz, unübersichtlich und etwas janky
- das Spiel wirkt trotz des hohen Wiederspielwerts umfangsarm
- keine deutsche Übersetzung verfügbar