Shadow Labyrinth REVIEW

Normalerweise gehören Film- und Serienadaptionen zum später angeflanschten Teil der Vermarktung und Ausweitung einer Games-IP. Im Falle von Shadow Labyrinth wurde der Spieß umgedreht. Als Teil der durchaus interessanten, wenn auch nicht sonderlichen geglückten Anthology-Serie Secret Level auf Amazon Prime Video, basiert die rund 15. Minuten lange Episode Pac-Man: Labyrinth trotz der bekannten Marke im Titel auf ein Spiel, welches es bis dato noch gar nicht gegeben hat. Die Episode machte eine ziemlich spannende Prämisse auf und präsentierte den ikonischen Pac-Man in einer neuen wie ungewöhnlichen Rolle und verfrachtete das Universum in ein düsteres Setting. Shadow Labyrinth baut darauf jetzt auf und zeigt die in diesem Jahr ihr 45. Jubiläum feiernde Marke auch spielerisch von einer neuen Seite.

Pac-Mania


Heute mag man das vielleicht gar nicht mehr nachvollziehen können, aber Pac-Man in seinen Anfangstagen eine richtige Ikone. Als die gelbe Kugel 1980 erstmals in den Arcade-Hallen dieser Welt aufschlug, war das von Tōru Iwatani entworfene Spiel einer der ersten großen Hits des Mediums und mitverantwortlich für den ersten Boom digitaler Spiele. Es folgten unzählige Nachfolger, zig Ableger, Merchandise und mehr. Mit dem Ende der Arcades und der Verlagerung des Mediums in die Wohnzimmer hat Pac-Man zunehmend an Strahlkraft eingebüßt und bei Namco (Bandai) schien man lange nicht gewusst zu haben, wie man mit der Marke weiter verfährt. Die obligatorischen Neuveröffentlichungen alter Teile in Form von Remastern und Remakes sind sicherlich nett, dürften außer alten Fans und Interessierten aber kaum jemanden noch hervorgelockt haben. Man kann also sagen: Shadow Labyrinth ist das erste Mal seit langer, langer Zeit, dass die Marke einigermaßen wieder ins Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit gelangt. Vor allem auch weil das Spiel eine radikale Abkehr von so ziemlich allem ist, was Pac-Man bisher ausgemacht hat.

Der einst so fröhliche Arcade-Spaß ist nicht mehr, stattdessen hat man es mit einem waschechten Metroidvania in einem erstaunlich düsteren Sci-Fi-Setting zu tun. Entwickelt wurde das Ganze von Bandai Namco Studios. Unter diesem Namen firmieren die internen Teams des Publishers und es ist nicht ganz so einfach nachzuvollziehen, wer genau federführend an Shadow Labyrinth mitgewirkt hat. Als Director wird Tomoaki Fukui gelistet, dessen einzige andere Rolle in dieser Position das 2004 für den GameBoy Advance veröffentlichte Kirby & The Amazing Mirror ist. Wesentlich bekannter ist da schon Katsuhiro Harada. Der auch auf Social Media ziemlich umtriebige Produzent der Tekken-Franchise bekleidet auch bei Shadow Labyrinth diese Position. Interessant.

Etablierte Genre-Norm und…?


Interessant ist auch, was die Entwickler letztendlich hier auf allen gängigen Systemen (PlayStation, Xbox, Nintendo Switch und PC) vorgelegen. Ich will ehrlich sein: gäbe es nicht die Verbindung zu Pac-Man, hätte mich Shadow Labyrinth nicht wirklich interessiert und das, obwohl ich einen Hang für Metroidvanias habe, aufgrund der immensen Flut an Spielen dieses Genres aber mittlerweile sehr wählerisch bin. Ich würde mich auch nicht einmal in die Nähe des Pac-Man-Fantums rücken, habe ich in meiner gut drei Jahrzehnte währenden Spielerkarriere vielleicht zwei, drei Spiele der Reihe überhaupt mal gespielt. Wenn etablierte Marken aber sich in vollkommen neuen Genres ausprobieren, dann bin ich zumindest interessiert, was dabei herumkommt.

Mit dem Metroidvania hat man sich ein Genre ausgesucht, welches vom ursprünglichen Gedanken von Pac-Man kaum weiter entfernt sein könnte – und gerade das macht die Sache so spannend. Die etablierten Spielregeln des Genres werden adaptiert. Man bewegt sich durch eine verschachtelte, aber zusammenhängende Welt mit unterschiedlichen Arealen und Biomen. Man steht vor sprichwörtlich und metaphorischen Türen, die verschlossen sind und sich erst später mit neuen Fähigkeiten und Items öffnen lassen. Man wartet auf den obligatorischen Doppelsprung und Dash, bis man hohe und weite Kanten überwinden kann. Man nutzt einen Greifhaken, um an dafür vorgesehenen Stellen weite Strecken in der Luft zu überwinden und sich direkt zu Gegnern hinzuziehen. Man füllt das Arsenal an Fähigkeiten auf und schwingt nicht nur mit einem Schwert, sondern verschießt unter anderem auch Bomben und andere freischaltbare Waffen. Im Kampf blockt oder pariert man, um das Zeitfenster zum Gegenangriff für schnelle Gegenschläge auszunutzen.

So weit, so normal. Leider hält Shadow Labyrinth den Vergleich mit vielen anderen Titeln dieser Spielart nur schwer stand. Es ist vielleicht nicht immer fair, gleich die großen Konkurrenten heranzuziehen und Vergleiche mit Schwergewichten wie Hollow Knight und Castlevania: Symphony of the Night anzustellen. Aber wenn man diese Spiele kennt und gespielt hat weiß man eben, wie ein grandioses Metroidvania auszusehen hat. Davon ist man hier ein ganzes Stück entfernt. Nun gehört gerade das Metroidvania aber eben zu jenen Spielarten, die derart gut dokumentiert sind, dass man sich schon sehr blöd anstellen muss, um ein schlechtes Spiel zu machen. Auch davon ist diese Umkehr von Pac-Man ein ganzes Stück entfernt. Und so pendelt man sich vor allem erst einmal in der soliden Mitte ein.

Namco Museum


Das Ruder in Richtung „Ui, das ist spannende Idee“ reißt man durch die Integration der eigenen Firmengeschichte um. Ich möchte aus Spoiler-Gründen nicht allzu tief in die Materie eintauchen, nur soviel: Shadow Labyrinth beruft sich nicht nur auf Pac-Man, sondern auch auf andere alte Namco-Marken vor der Fusion mit Bandai. Gerade was die Gegner und Lore angeht, gibt es hier für Eingeweihte einiges zu entdecken. Die Story ist übrigens total Banane und ich habe bis zum Ende nicht wirklich verstanden, was hier eigentlich vor sich geht.

Spielerisch ist die Integration der eigenen Firmengeschichte wesentlich spannender und auch besser gelungen. Zu den Highlights gehören die Labyrinthe, die man ca. ab der Spielmitte freischaltet. Diese mehr oder weniger optionalen Areale werfen mit ziemlich knackigen Herausforderungen um sich, in denen man als Pac-Man unter Zeitlimit mehrere Stages absolvieren und einen finalen Boss legen muss. Wirklich jedes dieser Labyrinthe ist innovativ gestaltet und nutzt spannende Mechaniken, ist aber stellenweise auch verdammt unbarmherzig. Auch im eigentlichen Spiel, in dem man mit Nummer 8 einen wortkargen Schwertkämpfer spielt, der von der gelben Kugel Puck begleitet wird, wechselt man immer wieder dank entsprechender Bahnen in den Körper von Pac-Man.

Darüber hinaus kann man im Kampf eine Leiste auffüllen, um sich für kurze Zeit in einen Mecha zu verwandeln. Zu Beginn empfand ich diese Möglichkeit als unfassbar stark und habe Zwischenbosse teilweise im ersten Versuch ohne Probleme gelöst. Hinten raus taugt der Mecha trotz freischaltbarer Upgrades im Bosskampf aber eher als kurze Atempause, da man einigermaßen unbehelligt ein bisschen Schaden austeilen kann, bevor man sich wieder in Nummer 8 zurückverwandelt.

Viel Luft nach oben


Am Ende mag ich Shadow Labyrinth wohl etwas mehr, als es das Spiel eigentlich verdient hätte. Denn rein objektiv betrachtet, leisten sich die Entwickler einige Schnitzer. Ganz persönlich gefällt mir zum Beispiel die visuelle Gestaltung gar nicht. Ich kann nicht so recht den Finger drauflegen, aber die Ästhetik wirkt schlicht eine Spur zu billig. Das würde ich auch sagen, wenn der Titel nicht von einem großen Haus wie Bandai Namco, sondern einem Indie-Studio stammen würde.

Abseits von diesem sehr subjektiven Eindruck gibt es aber auch diverse objektive Mängel. Das größte ist das Leveldesign, welches stellenweise absurd schlecht ist. Wie in jedem Metroidvania, so schaltet man auch hier immer wieder Abkürzungen frei. Teilweise gibt es Areale, in denen ich eine Abkürzung freischalte, nur um im nächsten Raum eine weitere Abkürzung freizuschalten, welche die vorherige vollkommen nutzlos macht. Bis zu beiden Abkürzungen musste ich mich aber durch lange Strecken kämpfen, in denen ich rein gar keine Möglichkeit hatte schnell wieder zum vorherigen Ausgangspunkt zurückzukommen. Der zahlenmäßige Mangel an Speicherpunkten und Checkpoints innerhalb der teils absurd großen Gebiete ist ebenfalls ein Problem. Und überhaupt ist mir nicht ganz klar, warum man zwei unterschiedliche Arten von Speicherpunkten zur Verfügung stellt. Die klassischen „Miku Sol“ genannten Speicherpunkte erlauben nicht nur das Festhalten des Spielfortschritts, sondern gewähren auch die Möglichkeit neue Fähigkeiten freizuschalten und die Skills auszurüsten. Außerdem dienen die Speicherpunkte als Schnellreisepunkte, von denen man hin- und herreisen kann. Die Checkpoints hingegen speichern den Fortschritt ab und gewähren außerdem die Schnellreise zum letzten „Miku Sol“. So richtig brauchbar sind die Checkpoints nicht. Zwar speichern sie und füllen die Lebensenergie auf, nicht aber die Ressourcen an Heilmaterial. Und neue Fähigkeiten kann man hier auch nicht freischalten. Angesichts der Tatsache, das es „Miku Sol“ Stationen oftmals nur ein oder zweimal pro Gebiet gibt, ist das mitunter frustrierend, zumal man an Checkpoints nicht per Schnellreise zurückkommen kann.

Was das Spiel für mich wirklich mitunter frustrierend gestaltet hat, ist das in die Länge gezogene Leveldesign. Die Gebiete sind viel zu groß. Oder anders gesagt: sie bieten meistens zu wenig Anreize, welche ihre Größe rechtfertigen. Vollkommen absurd ist das Geflecht an unzähligen Fahrstühlen und Liften im Gebiet „Schwarzer Turm“. Derart freche Spielzeitstreckung habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Seinen Höhepunkt erreicht die Frustration in solchen Gebieten, wenn man stirbt und ewig lange weder Speicherpunkt noch Checkpoint begegnet ist…

Video zum Spiel


Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pros
  • Pac-Man als düsteres Metroidvania? Das ist interessant!
  • abseits von Pac-Man werden auch andere alte Namco-Marken eingebaut
  • griffige Steuerung
  • die Labyrinthe stellen eine spaßige aber auch fordernde Abwechslung dar
  • toller Soundtrack

thumbs-up-icon

Cons
  • in die Länge gezogenes und immer wieder seltsam gestaltetes Leveldesign
  • braucht ein paar Stunden, bis es interessant wird
  • konfuse Story

Facebook
Twitter

Das könnte dir auch gefallen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Partner: