Hamtaro: Ham Ham Freunde REVIEW
Manch einer erinnert sich vielleicht noch an die große Anime-Offensive, welche um die Jahrtausendwende herum von RTL II auf Deutschland losgelassen wurde. Neben großen und qualitativ fragwürdigen „Klassikern“ wie „Pokémon“ oder „Yu-Gi-Oh!“ gab es auch immer wieder mal unaufdringlichere Anime-Serien. Eine davon ist Hamtaro, welche auf der gleichnamigen Kinderbuch-Serie von Ritsuko Kawai basiert und von den alltäglichen Abenteuern eines kleinen Goldhamsters und seiner Freunde handelt. Ich selbst habe seinerzeit nichts von dem Hamtaro-Anime mitbekommen (war eher der Monster Rancher-Fan). Dasselbe gilt auch für die Videospielumsetzungen.
Das diesem Test zugrunde liegende Hamtaro: Ham Ham Freunde erwarb ich auch nur als Teil eines Game Boy-Konvoluts auf Ebay. Ham Ham Freunde ist bereits das zweite Spiel einer vierteiligen Adventure-Serie für Game Boy Color und Game Boy Advance. Der erste Teil hatte es, im Gegensatz zu den Fortsetzungen, übrigens nie aus Japan herausgeschafft, und auch Teil 2 ließ einige Zeit auf sich warten. Wo es in Japan bereits im April 2001 erschien, wurde Deutschland erst im Januar 2003 bedient.
Das interessante an diesem Spiel ist, dass es sich um ein Adventure handelt, ein Genre, welches auf Konsolen und Handhelds ja absoluten seltenheitswert genießt. Darüber hinaus wird auf Wikipedia ein gewisser Shigero Miyamoto als Mitproduzent an den Game Boy-Hamtaro-Spielen gelistet. Ist eure Neugier jetzt geweckt? Wenn ja, lest ruhig weiter, um herauszufinden, was es mit diesem Spiel auf sich hat.
Ein Tag im Leben eines Anime-Goldhamsters
Die Handlung hat nicht viel zu bieten. Hamtaro bekommt vom Boss des Ham-Ham-Clubhauses den Auftrag sämtliche Mitglieder (insgesamt 15 an der Zahl) zusammenzutrommeln, damit der Boss seine neue Überraschung präsentieren kann. Da Hamtaro selbt, der Boss und der verschlafene Ratzi bereits als Anwesend zählen, gilt es für den kleinen Goldhamster also nur noch die 12 verbleibenden Hamster-Freunde aufzusuchen und nach Hause zu beordern. Das ist freilich leichter gesagt als getan, da die Racker sich in der ganzen Nachbarschaft herumtreiben und ihren eigenen Beschäftigungen nachgehen. Glücklicherweise ist Hamtaro ein ebenso hartnäckiges wie hilfsbereites Kerlchen. Er wird nicht locker lassen, ehe er alle Ham-Hams zusammengetrommelt hat, damit der Boss zufrieden gestellt wird.
Tja, und mehr gibt’s dazu eigentlich nicht zu sagen. Da ich die Serie nie angeschaut habe, kann ich nicht sagen, inwiefern dieses Spiel zur Vorlage passt und wie gut oder schlecht die Charaktere getroffen wurden. Apropos Charaktere: Diese wirken im Spiel durchaus liebenswürdig und weisen individuelle Marotten auf. Die süße Bijou ist in Hamtarto verknallt, der Boss ist eine Art Baumeister, Keppi hat einen merkwürdigen Mützen-Fetish … Dadurch wirken die 15 Ham-Ham-Freunde lebendig, vielseitig und witzig. Es macht Spaß sie nach und nach kennenzulernen, vor allem da sie innerhalb des Clubhauses sogar miteinander interagieren und somit wie eine echte Gemeinschaft wirken.
Abseits der Ham-Hams gibt es freilich noch viele weitere Hamster in der Nachbarschaft anzutreffen und natürlich auch einige andere Tiere. Der Fokus liegt hier also eher auf den witzigen Charakteren, als auf der Story an sich. Die Handlung dient ganz einfach nur als Mittel zum Zweck, um die Erkundung der Spielwelt zu rechtfertigen. Das merkt man auch daran, dass Hamtaro ein Open End-Spiel ist. Selbst wenn ihr die Hauptaufgabe abgeschlossen habt, könnt ihr nach der Credit-Endingsequenz einfach weiterspielen. Und welches andere Adventure kennt ihr, welches über eine Open End-Funktion verfügt!? Es gibt sogar eine weitere primäre Aufgabe mit eigener Credit-Endingsequenz (den Ham-Chat vervollständigen) und sogar einige Sidequests, welche kniffliger und umfangreicher ausfallen als die beiden Hauptaufgaben.
Des Hamsters Wortschatz
Im Titelscreen erwarten euch zunächst drei Optionen in Form der Sprachauswahl, des regulären Spielstarts und des sogenannten „Ham-Jam.“ Letzterer ist nur ein belangloser kleiner Bonus. Hier könnt ihr die freigespielten Ham-Chat-Animationen mit bis zu 10 verschiedenen Melodien verknüpfen (welche wie auch die Chat-Animationen erst mal freigespielt werden müssen). Den daraus resultierenden Hamster-Tanz kann man dann sogar mit seinen Freunden via-Link-Kabel tauschen. Ist aber wie gesagt nur ein Gimmick ohne Substanz.
Wenn ihr bereits ein Spiel angefangen habt oder ein gebrauchtes Modul erworben habt, könnt ihr freilich auch das laufende Spiel laden. Und ja, Hamtaro: Ham-Ham Freunde ist eines jener Spiele, die nur einen einzigen Speicherstand anbieten, welcher freilich gelöscht werden muss, wenn man ein neues Spiel starten will. Ärgerlich, aber immerhin wird der Speicherstand automatisch festgehalten, man muss also nicht manuell an Speicherpunkten speichern oder so.
Das Spiel ist ein Top-Down-Abenteuer, welches aus der Vogelperspektive mitverfolgt wird und eine unkomplizierte Steuerung bietet. Die Steuerung wird einem ohnehin im Tutorial näher gebracht. Besagtes Tutorial beschert Hamtaro auch die ersten 11 von insgesamt 85 Ham-Chat-Einträgen. Der Ham-Chat ist sozusagen das Herzstück des Gameplays, da er sämtliche zur Verfügung stehenden Sonder-Aktionen und Dialog-Optionen wiederspiegelt. Per Knopfdruck (A-Knopf) wird das Chatfenster aufgerufen und sämtliche mögliche Aktionen werden aufgelistet. In der Regel stehen immer die vier Grundaktionen Hamha (Hallo), Hif-hif (Schnuppern), Bautz (Rolle/Anrempeln) und Digidugi (Graben) zur Verfügung. Aber je nachdem wem oder was man gegenübersteht, ändern sich auch die Ham-Chat-Optionen. Mit NPCs gibt es freilich die unterschiedlichsten Konversations-Optionen, welche von Banalitäten wie Ja oder Nein bis hin zu Freundschafts- und Liebesbekundungen reichen. Steht man hingegen vor einem Baum, erhält man durch den Ham-Chat auch mal die Option diesen hinaufzuklettern.
Sollte man den jeweiligen Ham-Chat-Eintrag noch nicht freigeschaltet haben, so wird die jeweilige Aktion im Chatfenster mit einem Fragezeichen gekennzeichnet. So weiß man immer, wo man später noch mal zurückkehren sollte, wenn man ein paar neue Chat-Einträge freigeschaltet hat. Neue Chateinträge erlernt man durch Dialoge mit anderen Hamstern, welche kreuz und quer über die sieben Ortschaften der Spielwelt verteilt sind. Netterweise verrät einem die Stadtkarte, wo man noch Chat-Optionen erlernen kann. Sobald man nämlich alle Chat-Wörter in einem Areal gefunden hat, beginnt die Ortsmarkierung zu rotieren.
Da es sich um ein Adventure handelt, muss man freilich auch ein paar Items zusammensuchen, um anderswo weiterzukommen. Allerdings reicht es hierbei immer aus, den jeweiligen Gegenstand im Inventar zu haben. Man muss also nichts kombinieren, anwählen oder dergleichen. Darüber hinaus gibt es auch ein paar Sammelgegenstände. Sonnenblumenkerne etwa dienen als Zahlungsmittel für die Shops der Spielwelt. Die meisten Shops verkaufen bloß Kleidungsstücke und Musiktracks für den Ham-Jam. Den Ham-Jam habe ich bereits erläutert. Die Kleidungsstücke kann man in Hamtaros Zimmer im Clubhaus anlegen und den Goldhamster anschließend fotografieren. Das jeweilige Foto wird dann im Titelscreen angezeigt und kann wahrscheinlich auch per Linkkabel getauscht werden oder so. Wie schon der Ham-Jam, so ist auch diese Bekleidungsfunktion für Hamtaro absolut überflüssiges Beiwerk, welches keine Substanz aufweist.
Weitere Sammelobjekte umfassen Eicheln, welche man bei einem bestimmten Hamster gegen jeweils 20 Sonnenblumenkerne eintauschen kann. Steine, die dazu benötigt werden eine verschlossene Steintür zu öffnen, und die Sterne, welche jedoch erst in der Spielwelt auftauchen, wenn man die Hauptaufgabe vom Boss erfüllt hat. Wer alle 12 Sterne findet, schaltet eine der 10 Melodien für den Ham-Jam frei. Es gibt also einiges zu tun, zumindest für diejenigen, die unbedingt alles vom Spiel sehen wollen. Viele der Nebenaufgaben schalten halt nur neuen Inhalt für den Ham-Jam oder die Bekleidungsfunktion frei. Und ich habe ja bereits klargestellt, dass es sich hierbei nur um Gimmicks handelt.
Im Endeffekt liegt es also beim Spieler, wie intensiv er sich mit Hamtaro: Ham-Ham Freunde beschäftigen möchte. Der Umfang ist für ein GBC-Spiel aber definitiv lobenswert, denn man bekommt in diesem Adventure doch einiges zu tun und hat auch abgesehen von oben genannten Aspekten immer wieder was lustiges zu entdecken. Man sollte sich aber bewusst sein, dass man es mit einem reinen Adventure zu tun hat. Wer Action sucht, liegt hier falsch.
Grafik und Sound
Die Grafik ist an und für sich recht hübsch. Es ist interessant die Welt aus der Sicht eines kleinen Hamsters zu erleben, was dieses Spiel recht gut veranschaulicht. Allerdings wirken die Umgebungsgrafiken stellenweise etwas detailarm, was aber durch die bunte Einfärbung der Spielwelt wieder etwas ausgeglichen wird. Man darf auch nicht vergessen, dass es sich um eine Anime-Umsetzung handelt, da macht der stärkere Fokus auf Farben statt auf liebevolle Pixelung durchaus Sinn. Die wahre Stärke sind jedoch die liebevollen und vor allem zahlreichen Charakteranimation der Hamster. Der Ham-Chat umfasst immerhin über 80 Einträge, und jeder Eintrag steht für eine eigene Animation. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere lustige Animationen innerhalb des Spiels, z.B. wenn Hamtaro in einer Schlammpfütze besudelt wird oder die Nase rümpft, wenn er an etwas stinkenden riecht. Der Detailgrad ist unglaublich hoch für so ein kleines Game Boy Color-Spielchen und verdeutlicht, wie viel Liebe hier hineingeflossen ist.
Auch der Soundtrack kann mühelos überzeugen. Freilich wurde der Titelsong des Animes für das Modul umgesetzt, aber auch die anderen Tracks wissen zu überzeugen. Viele Tracks weisen auch dieses wohlige Nintendo-Feeling auf, was doch eine sehr positive Überraschung ist. Da bekommt man den Eindruck, dass Nintendo doch etwas enger in die Produktion involviert war als man denken mag. Das würde mich anhand der hohen Qualität dieses Spiels aber auch nicht verwundern. Auch die Soundeffekte sind einfach klasse und hauchen den quitschigen Hamstern während ihrer Ham-Chat-Konversationen unglaublich viel Leben ein. Die hochwertige audiovisuelle Präsentation trägt jedenfalls sehr viel zum Charme und Spielspaß des Moduls bei!
Pro & Kontra
- es ist ein Adventure für den GBC!
- der Ham-Chat ist ein innovaties Adventure-Spielsystem
- gelungene audiovisuelle Präsentation
- die großen Sidequests (Sterne und Lieder sammlen, Bekleidungsläden) sind nur Augenwischerei und bieten keine Substanz
- bietet nur einen automatisch speichernden Speicherplatz