Hades REVIEW
Mit Returnal und Hades sind binnen kürzester Zeit zwei Rogue-lites erschienen, die auch weit über die Grenzen dieser eigentlich für eine ziemlich Spitze Zielgruppe gemachten Spiele viel Beachtung erhalten haben. Das ist umso erstaunlicher, da diese Spielart in den vergangenen Jahren nicht gerade mit einer Unterrepräsentation zu kämpfen hatte. Doch sowohl das PlayStation 5 exklusive Spiel von Entwickler Hosuemarque, wie auch Hades scheinen vor allem bei jenen einen Nerv zu treffen, die bisher wenig bis gar nichts mit Rogue-lites bzw. Rogue-likes anfangen konnten. Besitzerinnen und Besitzer der alten und aktuellen PlayStation und Xbox Konsolen dürfen sich im Falle von Hades nun endlich auch in die griechische Mythologie stürzen und herausfinden, was es mit dem Hype auf sich hat.
Rebellion in der Unterwelt
Im Grunde erzählt Hades so etwas wie eine Coming-of-age Geschichte. Zagreus, Sohn des Hades und der Nyx und somit auch Prinz der Unterwelt, hat keine große Lust mehr in der ewigen Verdammnis zu verweilen und will von zuhause abhauen. Die Rebellion seines Sprösslings missfällt Hades natürlich ziemlich, zumal der Gott der Unterwelt mit der Verwaltung seines Reiches ohnehin genug Arbeit um die Ohren hat. Mutter Nyx hingegen befürwortet die Rebellion von Zagreus und auch den Göttern des Olymp bleiben die Fluchtversuche des Zöglings nicht verborgen…
In der Vergangenheit waren Spiele, welche die Design-Philosophie von Rogue (1980) aufgegriffen haben eher selten der Schauplatz für interessante Geschichten. Supergiant Games schafft es nun aber nicht nur eine spannende Geschichte in das spielerische Konstrukt zu integrieren, sondern die Story sogar eng mit dem Gameplay zu verzahnen. Prinzipiell kann man Zagreus schon im ersten Spieldurchlauf aus dem Hades führen. Wer das schafft: Respekt! Die überwiegende Mehrheit dürfte den Abspann aber wohl erst nach mehreren Dutzend Anläufen schaffen. Und das ist auch gut so, denn die Geschichte (sowie das Gameplay) entfalten sich mit jedem Tod von Zagreus. So wirklich sterben tut dieser ohnehin nicht, stattdessen startet jeder Run in der Vorhalle des Hades, die auch als Hub dient. Hier wird man nicht nur immer wieder vom Vater zurechtgewiesen, sondern kann auch mit anderen Figuren der griechischen Mythologie sprechen.
Bemerkenswert ist dabei die Dichte und gleichbleibende Qualität der Dialoge. Ich habe Hades mittlerweile um die 30 Stunden gespielt und auch mehrere Male „durchgespielt“. Dennoch erhalte ich nach wie vor neue Dialoge und Informationen, welche die Geschichte weiterführen. Und tatsächlich ist die Geschichte auch wirklich interessant, wobei das Spiel hier vor allem von den Figuren lebt. Egal ob Nyx, Achilles, Hypnos und wie sie noch alle heißen: jede Figur hat einen eigenen Charakter und durchaus interessante Dinge zu sagen und zu erzählen. Zum einen berufen sich die Entwickler bei der Charakterisierung zwar auf die Vorlagen der Überlieferungen, gleichzeitig hat man sich aber auch die nötige Freiheit raus genommen, um die Figuren jenseits ihrer bekannten Merkmale zu gestalten.
Ich will hier raus!
Eine noch größere Finesse beweist das Studio aber in spielmechanischer Hinsicht. Um es ganz knapp auf dem Punkt zu bringen: Hades ist ein Paradebeispiel für in sich stimmiges Gamedesign mit einem absolut eindrucksvollen Polish. Bei Supergiant Games war man sich offensichtlich sehr wohl im klaren, was man will und hat eben jene Linie konsequent verfolgt, ohne Ballast aufzuladen.
Jeder „Run“ beginnt in der bereits erwähnten Hubwelt. Hier führt man Gespräche, unternimmt Tauschgeschäfte, holt sich Vorteile in Form von dauerhaften Perks und wählt die Waffe der Wahl. Anschließend wird man in die erste von insgesamt vier Arealen geworfen. Jedes Gebiet ist aus mehreren Kammern zusammengesetzt, wobei das Spiel hier nicht ganz auf zufällig erstellte Räume setzt, sondern fertige Blöcke nach Zufallsprinzip aneinanderreiht. Pro Gebiet wird man sich durch um die zehn (plus/minus) Räume kämpfen müssen. Und meine Güte machen die Kämpfe selbst nach Dutzenden Spielstunden noch Spaß!
Unzählige Möglichkeiten
Man hat zwei unterschiedliche Angriffe (schnell und schwach sowie behäbig und stark), einen Fernkampf sowie einen Dash. Das klingt nicht nach viel, doch je nach gewählter Waffe und ausgerüsteter Fähigkeiten kann man jeden Durchgang mit einer sich teilweise vollkommen unterscheidenden Spielerfahrung angehen. Während man sich zwischen Schwert, Speer, Bogen und Co. Zu Beginn eines jeden Runs entscheiden kann, so ist die Auswahl der Fähigkeiten mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Hier kommen die unterschiedlichen Götter und Sagengestalten zum Einsatz. Denn auf dem Weg durch den Hades trifft man unter anderem auf Zeus, Demeter, Ares oder auch Hermes. Und alle haben vollkommen unterschiedliche Fähigkeiten im Angebot, mit denen man sich ausstatten kann. Bei Zeus etwa kann man die Angriffe mit Blitzkraft versehen, Demeter hingegen verwandelt den Fernkampf in mächtige Eisangriffe. Bei Hermes hingegen ist vieles auf Schnelligkeit ausgelegt.
Pro Run kann man sich ein buntes Set an Fähigkeiten zusammenstellen, wobei man die Obolusse der Fürsprecher auch miteinander mischen und teilweise sogar kombinieren kann. Zum großen Teil unterscheiden sich die Fähigkeiten übrigens mit der aktuell ausgerüsteten Waffe, was in Gänze betrachtet eine schiere Unmenge an Möglichkeiten mit sich bringt.
Jeder Tod ein neuer Beginn
Wohl oder übel wird Zagreus auf seinem Weg „nach draußen“ einige Male ins Gras beißen. Dadurch verliert man einen gewissen Teil des Fortschritts. Alle Gaben der Götter werden einem abgenommen und man startet wieder am Anfang. Abseits von Münzen behält man aber die erspielten Währungen. Mit Dunkelheit etwa kann man permanente Verbesserungen (etwa mehr Lebensenergie zum Start) kaufen, Nektar hingegen kann man den Figuren schenken und dadurch Perk-Gegenstände und mehr erhalten. Sogar Romanzen sind mit einigen Figuren möglich, was ebenfalls Auswirkungen sowie Vor- und eventuell auch Nachteile haben kann. Dann gibt es auch noch Kristalle, die man beim Baumeister des Hades abgibt. Hier kann man nicht nur die Unterwelt ein bisschen nach dem eigenen Geschmack gestalten, sondern auch hilfreiche Truhen und Vasen mit mehr Münzen in die Dungeons bauen lassen.
Hades gestaltet den stetigen Neuanfang auf die angenehmste Art und Weise, die ich bisher in einem Rogue-lite erlebt habe. Durch die bereits erwähnten und in ihrer Anzahl beinahe unerschöpflichen Möglichkeiten hinsichtlich der Zusammenstellung von Fähigkeiten und Perks, bleiben die Runs auch beim 40, 50 und 60en Male noch spaßig und bieten immer wieder was neues. Cool: Selbst nach unzähligen Stunden trifft man in den bekannten Bereichen immer mal wieder auf neue Gegner. Und auch die Bosse, die am Ende eines Areals warten, erhalten mal neue Fähigkeiten oder werden mal so gar ganz ausgetauscht.
Ich will hier doch nicht raus, denn es ist so schön!
Ein paar Worte möchte ich noch der Präsentation widmen. Gerade die visuelle Gestaltung ist nämlich ein absoluter Augenschmeichler. Insbesondere die Profile der Figuren haben es mir richtig angetan, zumal die Interpretationen der Designer der jeweiligen Figuren bei mir immer wieder Vibes von Atlus-Spielen (Shin Megami Tensei, Persona etc.) hervorgerufen haben. Aber auch das Design der Gegner sowie die Gestaltung der Level ist über so ziemlich jeden Zweifel erhaben. Ja, es gibt nur vier Areale und gerade wenn man mehrere Dutzend Spielzeit auf der Uhr hat wünscht man sich diesbezüglich etwas Abwechslung. Dennoch gibt es immer wieder kleine Details zu entdecken, die den positiven Eindruck hoch halten. Auf den aktuellen Konsolen von Sony und Microsoft darf man diese Pracht mit 60 Frames und 4k-Auflösung genießen, auf PlayStation 4 und Xbox One bleibt bei Auflösung bei immer noch sehr ansehnlichen 1080p.
Pro & Kontra
- spaßige sowie zunächst simple Grundmechanik, die nach und nach an Komplexität und Umfang gewinnt
- unzählige Möglichkeiten bezüglich der Kombination von Fähigkeiten und Perks
- Art und Weise der Effekte von Perks unterscheiden sich je nach gewählter Waffe
- gelungene Verzahnung von Geschichte und Gameplay
- fantastische audiovisuelle Präsentation
- "nur" vier Areale