Cris Tales REVIEW
Mit Cris Tales hat es ein sehr außergewöhnliches JRPG endlich zu uns geschafft. Wer nun das Wort „außergewöhnlich“ liest und sogleich die Screenshots sieht, wird einen Zusammenhang erkennen. Doch ist nicht nur die Optik ein besonderes Merkmal des Spiels. Insbesondere der Faktor der Zeitmanipulation ist ein erfrischendes Konzept. Doch will ich nicht alles Wissenswerte in diesen Absatz quetschen und stattdessen etwas expliziter auf den Titel von Modus Games eingehen.
Vergangenheit, Zukunft, Gegenwart
Cris Tales war für mich hauptsächlich durch die Verschiebungen präsent. Doch nun ist es endlich offiziell erhältlich und lädt ein, entdeckt zu werden. Und dies ist keine hohle Phrase, denn das Rollenspiel hat es innerhalb weniger Stunden geschafft, mich zu packen. Schon der Einstieg beginnt nicht durch eine Story, sondern mündet umgehend in einen Kampf. Trotz erster Instruktionen ist aber der Sieg nicht in greifbarer Nähe. Stattdessen werdet ihr in Unwissenheit zurückgelassen und einige Stunden in der Zeit zurückversetzt.
Obwohl ihr durch den Kampf bereits Crisbell kennengelernt habt, wird nun noch einmal etwas genauer auf das junge Mädchen eingegangen, welches ihr fortan steuert. Wie so oft beginnt alles noch unbeschwert. Die Wendung lässt aber nicht lange auf sich warten und Crisbell erfährt zufällig, dass sie eine Art Zeitmagierin ist. Daran dürft auch ihr teilhaben und euch wird gleichzeitig der Blick auf Vergangenheit, Gegenwart sowie Zukunft erlaubt. Und wie haben uns die Marvel-Comics gelehrt – aus großer Kraft folgt große Verantwortung. Oder besser gesagt, wo ein Held ist, gibt es auch eine Welt zu retten. Das muss sich nun auch die junge Hauptprotagonistin eingestehen, dass ihre neuen Kräfte zugleich mit ihrem Schicksal verknüpft sind.
Beeindruckend
Um den Effekt dreier Zeitstränge zu erzeugen, wird der Bildschirm in ebenso viele Abschnitte unterteilt, der mittig die Gegenwart repräsentiert, rechts die Zukunft zeigt und links an die Vergangenheit erinnert. Optisch wird dies in bester Raffinesse dargestellt, denn ihr könnt in den drei benannten Abschnitten erspähen, wie sich die Menschen, die Flora und jedwede Schauplätze verändern, bzw. verändert haben.
Der Effekt der drei gleichzeitig dargestellten Zeitstränge ist beeindruckend anzuschauen und führt dazu, dass das JRPG in jeder Ecke eine frische Dynamik bietet. So erwische ich mich ständig dabei, dass ich ohne wirkliches Ziel immer und immer wieder die Routen ablaufe, um die einzelnen Veränderungen vollends aufzusaugen.
Gebiete, in denen ihr jederzeit in einen Kämpf hineingezogen werden könnt, bleiben dieser besonderen Darstellung fern und setzen optisch nur auf die Gegenwart. Dasselbe gilt für die Kartenansicht, auf der ihr von einem interaktiven Ort zum nächsten wandern könnt.
Das Spiel mit der Zeit
Cris Tales will aber nicht nur mit der Optik in Erinnerung bleiben, sondern die Ideen der verschiedenen Zeitabschnitte tiefer ins Gameplay verbauen. Dies gelingt insbesondere durch die Kämpfe. Schon am Anfang stoßt ihr auf ein Duo, welches sich durch ein metallisches Schild schützt und daher keinen Schaden nimmt. Mithilfe eines Zaubers soll dieses Schild mit Wasser in Berührung kommen, was aber noch keinen unmittelbaren Nachteil für die Gegner auslöst. Daher muss das Duo direkt nach der Attacke in die Zukunft geschickt werden. Nun sind die beiden Damen mit einem verrosteten Schild ausgestattet, welcher einen kompletten Schutz nicht mehr gewährleisten kann.
Auch Vergiftungen erfahren nun gänzlich neue Facetten. Wird der Kontrahent in die Vergangenheit geschickt und dort vergiftet, wird mit der Rückholung in die Gegenwart ordentlich Schaden erzeugt, was einen schnelleren Sieg einberuft. Nichtsdestotrotz heißt es wie in allen Kämpfen, die anstehenden Runden strategisch nutzen. Abwechselnd duelliert ihr euch mit den Kontrahenten, bis eine Seite vom Platz getilgt ist. Gelingt eurer Party der Sieg, gibt es Erfahrungspunkte spendiert.
Level-Up
Sind genügend Erfahrungspunkte gesammelt, steigt der jeweilige Protagonist in der Stufe auf, was eine Verbesserung einzelner Attribute mitbringt. So wird eure Party resistenter gegenüber Gegner, aber auch kraftvoller in den Attacken und Zaubern. Gleichzeitig dürfen bei den städtischen Händlern hinzugewonnene Murmeln in Ausrüstung investiert werden. Jeder Charakter hat 5 Slots, die bestückt werden möchten, um sich den immer herausfordernden Kämpfen bestmöglich stellen zu können. Trotzdem muss ich an dieser Stelle eine kleine Kritik loswerden. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass es mehr Fundus gibt, den besiegte Gegner zugleich droppen. Als kleiner Wermutstropfen wird es aber ermöglicht, für ein gewisses Entgelt die Waffen zu verbessern.
Nach einigen Level-Ups steigt die Chance, neue Fähigkeiten zu erlernen. So gelingt es Crisbell zum Beispiel dank eines Heilzaubers, ihren Gefährten vor einem anstehenden Exitus zu retten. Gleichzeitig sollte beim Einsatz von Elementarzaubern bedacht werden, ob diese wirklich dem Gegner schaden. Pflanzenmonster freuen sich über einen Schub Wasser. Aber all das sind Features, die routinierte Rollenspielfans zur Genüge kennen. Trotzdem schafft es Cris Tales, euch in den Bann zu ziehen. Insbesondere die Möglichkeit der Zeitmanipulation eröffnet viele taktische Variationen und verschont euch damit, stundenlang Looten und Leveln zu müssen.
Nebenquests und mehr
Wie jedes typische Rollenspiel seid ihr nicht nur mit der Hauptstory beschäftigt. Optional stehen noch einige Nebenquests zur Erkundung bereit. Wer alle absolviert, wird kein Problem damit haben, die Spielzeit auf über 20 Stunden zu strecken. Zudem hat man die Möglichkeit, mit Aktionen in der Vergangenheit oder der Gegenwart Einfluss auf die Zukunft mancher NPCs zu nehmen. Dies treibt regelrecht an, jede Aufgabe lösen zu wollen und so manches Schicksal ins Positive zu rücken.
Das Wort „Strecken“, das ich noch einmal aufgreifen will, ist in dem JRPG aber relativ subjektiv. Wenn kein Weiterkommen in Sicht ist, reicht eine einzelne Taste, um einen Hinweis zu aktivieren. Diese umschweifen nie das geforderte Ziel und verhindern damit, dass ihr lange an einer Stelle feststeckt. Aber auch der sprechende Frosch Matias steht mit Rat und Tat an eurer Seite und bringt die Geschichte um Crisbell und ihren Freunden schnell voran.
Optik
Für einige wird es weit hergeholt sein, aber Cris Tales erinnert mich in der Optik etwas an Cartoon Network Trickfilme. Harte Linien, übertriebene Proportionen und eine einnehmende Gestik präsentieren sich im Vordergrund. Allgemein zeigt das Rollenspiel einen sehr eigenständigen Stil, der einen hohen Wiedererkennungswert vorweist. Die Animationen scheinen weich und flüssig, dennoch irgendwie simpel gehalten. Die Charaktere wirken dynamisch – schaffen diesen Effekt aber mit wenigen Einzelbildern zu erzeugen. Die Hintergründe zeigen sich mit Ecken sowie Kanten und legen nicht viel Wert auf eine realitätsnahe Interpretation.
Beim Farbenspiel wird weniger übertrieben. Sehr viele Blau- wie Grüntöne wirken auf mich ein, die dennoch von einer monotonen Darstellung weit entfernt sind. Hauptsächlich wird auf ein Farbschema in Pastell gesetzt, was sehr einzigartig daherkommt.
Das gesamte Spiel wirkt in seiner Harmonie mit Charakteren, Monstern, Umgebung und Farben komplett stimmig. Zudem gibt es immer witzige Momente zu entdecken, wie beispielsweise Frosch Matias, der während der Kämpfe seinen Boxhandschuh herausholt und suggeriert, er würde die Gegner K.O. schlagen. Der Rest wird durch sehr skurrile Figuren mitgebracht, der dem Spiel den letzten optischen Schliff verpasst.
Technik
Der Sound ist ein weiteres schönes Beiwerk des Rollenspiels. Zumeist könnt ihr beruhigende Klänge genießen, die während eines Kampfes aber in eine fordernde Akustik umschlagen. Begleitet wird das Abenteuer von einer sehr gelungenen Sprachausgabe, die es aber nur im englischen Original zu lauschen gibt. Die deutsche Übersetzung findet sich in den Bildschirmtexten. Hier möchte ich hervorheben, dass die Texte besonders groß und deutlich dargestellt sind, was das Lesen enorm erleichtert. Generell verzichten die Entwickler darauf, euch mit unendlich langen Textpassagen einzuschüchtern.
Dank des sehr durchdachten Kampfmenüs ist die Steuerung schnell verinnerlicht. Eine überladene Knopfbelegung gibt es ebenso wenig, da die zufallsgenerierten Kämpfe rundenbasiert vonstatten gehen. Cris Tales stellt sich als ein sehr gelungenes Rollenspiel heraus, welches sich nicht nur durch die extravagante Optik in euren Kopf brennen wird. Insbesondere die Idee, Vergangenheit, Gegenwart wie Zukunft für eigene Vorteile zu nutzen, ist ein erfrischendes Feature, welches ich in noch keinem Spiel so erleben durfte. Entzückende Charaktere, die man schnell lieb gewinnt, tragen zusätzlich zum positiven Gesamteindruck bei. Lediglich virtuelle Sammler werden ein wenig enttäuscht sein, dass das Inventar nicht breiter gefächert ist.
Pro & Kontra
- Stimmungsvolle und extravagante Welt mit auffälliger Optik
- Tolles Feature der Zeitmanipulation
- Eingängiges Kampfsystem
- Mehr Fundus für Sammler wäre schön gewesen
- Ich vermisse ein paar anspruchsvolle Rätseleinlagen