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Crazy Thunder Road REZENSION


Das ein namhaftes Studio die Abschlussarbeit eines Filmstudenten kauft und ins Kino bringt, ist eine ziemliche Seltenheit und in Japan wohl noch ungewöhnlicher als im Rest der Welt. 1978 und 1980 ist dieses Privileg gleich zweimal Sogo Ishii (Punk Samurai Slash Down, August im Wasser) zuteil geworden. Zunächst finanzierte Nikkatsu die Langfassung des ehemaligen Kurzfilmes Panic High School, darauf kaufte Toei sich die Rechte an den durch und durch anarchischen Crazy Thunder Road und veröffentlichte den auf 16mm gedrehten Streifen auf 35mm im Kino.

Gesellschaftliche Konformität? Pff!


Bis heute gilt Ishii als absoluter Außenseiter in der japanischen Filmlandschaft, eine Stellung die der sich seit früher Jugend als offen links und Punker identifizierenden Studenten gleich mit seinem zweiten Spielfilm zementiert hat. Crazy Thunder Road ist ein lauter Schrei, gegen die Gesellschaft und ihre Normen, gegen rechte Spinner und für ein selbstbestimmtes Leben. Warum wie ein Zombie im Anzug zur Arbeit schlurfen, wenn man auch lange ausschlafen und die Gegend auf dem Motorrad unsicher machen kann? Eine derartige Positionierung für ein der vermeintlichen Norm vollkommen entgegenlaufendes Lebensbild ist bis heute eine Seltenheit in einer Gesellschaft, die das Wir über dem Ich stellt und nach wie vor jeglichem Individualismus eine Absage erteilt.

Mit einer hektischen Kamera bewaffnet, die mit ihren schnellen Schwenks und Zooms an die Frühwerke eines Kinji Fukasaku (Battles Without Honor or Humanity) erinnert, inszenierte Ishii für seine Abschlussarbeit einen auch heute noch durchaus eindrucksvollen Film. Der oftmals als Mad Max Japans betitelte Streifen (ein Label, was ich nachvollziehen, aber nicht unterschreiben würde) ist jüngst erstmals außerhalb Asiens für den Heimkinomarkt erschienen und hierzulande von Rapid Eye Movies in einem schön aufgemachten Mediabook veröffentlicht worden. Leider hat man auf einen Schuber verzichtet, was mir aus Sammlersicht immer etwas missfällt, schließlich soll die hübsche Hülle aus Papier/Pappe auch nach mehreren Griffen aus dem Regal noch frisch aussehen. Neben der Blu-ray selbst befinden sich im inneren des Mediabooks noch eine Reihe von Postkarten mit Motiven aus dem Film. Als Extra finden sich auf der Blu-ray ein Interview mit dem Regisseur sowie ein Videoessay von Jasper Sharp, beide sehenswert.

Steck dir deinen Nationalismus sonst wo hin!


Der Liebe wegen hat sich Ken (Koji Nanjo) dazu entschieden, seine Rolle als Anführer einer Motorradbande an den Nagel zu hängen und ein ruhigeres Leben mit seiner Freundin anzustreben. Seine Kumpels sehen das mit Argwohn, akzeptieren aber Zähneknirschend. Nicht aber Jin (Tatsuo Yamada), der mit der Entscheidung seines Freundes hadert. Jin lebt für das Motorradfahren, für seine Freunde und das unkonforme Leben. Wenn er mit seinem laut grölenden Bike durch die Gegend fährt und sich die Konformen den Hals recken, ist Jin in seinem Element. Das stetig plappernde Maul lässt auch keine verbale Entgleisung aus, vor allem nicht gegenüber anderen Gangs. Das führt schließlich zu einigen Vorfällen, nach denen sich die Gruppe rund um Jin immer mehr auflöst. Einige geraten gar in die Fänge von einer nationalistischen Gruppe, die in stillgelegten Industriegebieten für den Tag X trainiert und in Innenstädten ihre Parolen zum Besten gibt.

Getreu dem von Ton Steine Scherben besungenen Motto „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ stürzt sich Jin in seinen eigenen Untergang. Befehlsketten sind nichts für ihn, ein ruhiges Leben, wer braucht das schon? Jin weiß zu seinem eigenen Schaden aber nicht, wann Schluss ist, und verirrt sich schließlich auf einen Rachepfad, der Rauch und tote Köper hinterlässt. Crazy Thunder Road ist trotzt seiner Inhalte keine Sozialstudie oder ähnliches, sondern ein wilder Ritt, ständig hektisch, nie ruhig stehend. Es wird gebrüllt und geschrienen, der Soundtrack ist selbstredend mit Rock und Punk gefüllt. Die Bilder, die der Film findet, sind kühl aber auch immer wieder cool. Das Ende ist ein reines Spektakel und hier, ja hier verstehe ich den Mad Max Vergleich, aber für den gesamten Film ist er nicht zielführend. Sei es drum, das Finale wirkt und der Weg dorthin ebenfalls. Beim Abspann kreisen sich die Gedanken, aber man zieht dennoch etwas aus allem. Zumindest ging es mir so.

Man will gar nicht glauben, dass Crazy Thunder Road gerade mal der zweite Film eines Studenten ist, der hier seine Abschlussarbeit inszenierte. Ich habe schon einige Studentenfilme gesehen, auch von später groß gewordenen Namen. Einen so runden, so polierten Studentenfilm wie Crazy Thunder Road habe ich aber noch nie gesehen. Ja, beim Finale sieht man, dass weder echte noch wirklich echt aussehende Waffen verfügbar waren. Wenn einen Panzerfaust abgefeuert wird und ein schlecht sitzender Schnitt vertuschen möchte, dass die Panzerfaust zu keinem Moment mit Sprengstoff gefüllt war, dann kann man schmunzeln. Aber selbst das ist nicht im geringsten eine Kritik, eher eine amüsante Feststellung. Und hey: es ist ein Studentenfilm!

Adrian sagt:

Crazy Thunder Road war seinerzeit etwas vollkommen neues. 1980 war die Welle der japanischen New Wave eigentlich vorbei, die klassischen Themen erst einmal auserzählt, der Hang zu Innovation gering. Sogo Ishii und sein nachfolgendes Werk wären aber so oder so herausgestochen. Mit der schönen Ästhetik eines Yasuziro Ozu hat Ishii nichts am Hut, eben sowenig mit den großen Epen eines Akira Kurosawa. Crazy Thunder Road war für das japanische Kino etwas neues, unerhörtes, frisches. Und das funktioniert auch über 40 Jahre später noch.

 

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