Ceville REVIEW

Das am 19. Februar 2009 veröffentlichte Point & Click-Adventure Ceville ist der Debuttitel des deutschen Entwicklerstudios Realmforge Studios (Dungeons-Serie, DARK). Trotz positiver Pressestimmen und -wertungen ist das humoristische Spiel doch recht bald in die Obskurität gefallen. Ein Grund dafür mag die Tatsache sein, dass gerade mal eineinhalb Monate später das sehr ähnlich geartete „The Book of Unwritten Tales“ erschien, mit dessen Polishing Ceville nicht ganz mithalten kann. Dennoch ist auch Ceville ein schönes Spiel, welches Fans von parodistischen Humor, frechen Anspielungen und kunterbunten Fantasywelten jede Menge Freude bereiten dürfte.

Eine Warnung möchte ich aber bereits an dieser Stelle aussprechen. Das Spiel ist, selbst in der Steam-Version, nur für die alten Betriebssysteme Windows XP und Vista konzipiert. Wer es auf moderneren Betriebssystemen angehen möchte, darf sich auf jede Menge Crash-Bugs gefasst machen, welche einem den Spielspaß ordentlich verhageln können. Zwar gibt es für diese Probleme jede Menge Hilfestellungen im Steam-Forum, aber wirklich rund wird das Spiel unter modernen Betriebssystemen definitiv nicht laufen. Doch dies konnte mich nicht davon abhalten das Spiel durchzuspielen, was ja durchaus auch als Indiz dafür angesehen werden kann, das hier ein tolles Adventure geboten wird.

Zwei Bösewichter im Kampf um den Thron

Ceville ist ein kleinwüchsiger Tyrann, der über das märchenhafte Land Faeryanis regiert. Der Fiesling liebt seine Schurkenrolle und tut sein Möglichstes, um seinen Untertanen das Leben zu erschweren und seine Taschen mit Gold zu füllen. Dummerweise hat der Kurze ein verdammt schlechtes Händchen, wenn es um die Akquirierung von kompetenten und vertrauenswürdigen Personal geht. Sein Berater, der Lulatsch Basilius, spinnt eine Intrige, um Cevilles Tyrannenthron zu rauben und seinerseits als neuer Schreckensherrscher das Zepter zu schwingen. Es erklärt sich von selbst, das Basilius plant den Grad der Bosheit um ein vielfaches anzuheben, um den verhassten Ceville alt aussehen zu lassen. Seine Intrige äußert sich in Form einer Revolution, die vom ebenso inkompetenten wie selbstverliebten Paladin Ambrosius geleitet wird, und an der sogar Cevilles Leibwachen beteiligt sind.

Zwar gibt Ceville sein Bestes, um aus seinem eigenen Schloss zu fliehen, jedoch ist das Glück auf der Seite des doofen Ambrosius, weswegen Ceville geschnappt und eingekerkert wird. Doch unser Ex-Tyrann hat seinerseits Glück im Unglück, denn das kleine, herzensgute Waisenmädchen Lilly wird auf das Gegrummel des Protagonisten aufmerksam. Ceville erklärt ihr die Umstände seiner Gefangennahme, weswegen Lilly beschließt den kleinen Fiesling zu befreien und zusammen mit ihm die Pläne von Basilius zu vereiteln. Das ist freilich wesentlich leichter gesagt als getan.

Was die Handlung anbelangt, so ist diese sehr geradlinig und dient eher als Mittel zum Zweck, um das Abenteuer und vor allem auch die witzigen Dialoge und Situationen zu rechtfertigen. Ceville ist also kein Spiel, welches man sich wegen einer spannenden Story oder ausgefeilten Charakteren holt, sondern weil man einfach was zu Lachen haben will und auch mal in die Rolle eines kleinen Fieslings schlüpfen möchte, der für fast alles und jeden einen gehässigen Kommentar parat hält. Die niedliche Lilly dient da als ausgleichender Gegenpol zum Protagonisten und sogar Paladin Ambosius bekommt einige spielbare Abschnitte. Den Großteil des Spiels ist man jedoch mit dem Duo Ceville und Lilly unterwegs, welches auch hervorragend miteinander harmoniert.

Abgesehen von Cevilles fies-gehässigen Verhalten, baut der Humor sehr stark auf Anspielungen auf. Anspielungen auf andere Videospiele, Fantasy-Klischees und wirtschaftliche sowie politische Probleme sind in den meisten Fällen sehr gut gealtert und bringen immer noch zum lachen. Wenn es in den popkulturellen Bereich geht, wird es da schon schwieriger. So nimmt das Spiel etwa Jennifer Lopez aufs Korn, welche dieser Tage jedoch keine nennenswerte Relevanz mehr hat und daher vor allem bei jüngeren Spielern unbekannt sein dürfte. Somit werden jene Witze, die auf Lopez‘ Konto gehen, bei einigen Leuten nicht mehr zünden.

Ein wesentlich größeres Problem ist jedoch das schlechte Pacing der Story. Denn auch wenn die Handlung an sich, nicht wirklich die treibende Kraft hinter dem Spaß ist, so ist es doch enorm frustrierend, wie zäh die Handlung in den Kapiteln 1 und vor allem 2 voranschreitet (es gibt fünf Kapitel, die von 0 bis 3+ durchnummeriert wurden). Diese Macken sollte man vielleicht im Hinterkopf behalten, ehe man in das Spiel einsteigt.

Solides Standard-Gameplay mit einem schwachen Hauch von einem Gesinnungssystem und drei spielbaren Charakteren

Was das Gameplay anbelangt macht Ceville keine Experimente. Das gesamte Spiel besteht aus Inventarrätseln und NPC-Dialogen. Man klickt sich also durch die Spielwelt, untersucht Hotspots, sammelt Gegenstände ein, welche in einer Inventarleiste am unteren Bildschirmrand gesammelt werden, kombiniert diese Gegenstände gegebenfalls untereinander und nutzt sie, um diverse Problemstellungen zu lösen. Einzige Ausnahme aus diesem Trott ist ein sehr simples Apparatur-Rätsel im Theater, wo man mit einem Scheinwerfer hantieren darf.

Das was das Spiel von vielen anderen Titeln unterscheidet, ist die Tatsache, dass man hier drei spielbare Charaktere hat, welche nach dem Einstiegskapitel auch zusammenarbeiten müssen, um voranzukommen. Zunächst agieren Ceville und Lilly als Team. Da muss Lilly auch mal einen NPC weglocken, damit Ceville einen Gegenstand stehlen kann, oder man hat variable Antwortmöglichkeiten in den NPC-Dialogen. Während Ceville seine Gesprächspartner gerne beleidigt und verspottet, reagiert Lilly freundlich, aufmunternd und charmant. Man hat sogar daran gedacht die Antwortoptionen mit unterschiedlichen Farben zu kodieren, damit man weiß, wer der Beiden die Antwort geben wird. In den meisten Dialogen und Situationen ist derlei zwar nur ein Gimmick, aber hier und da gibt es dann doch kleinere Passagen, wo man die Gesinnung seiner Spielfigur im Hinterkopf behalten sollte. Denn da wo sich Lilly weigert etwas fieses zu tun, hat Ceville freilich keinerlei Hemmungen. Es wäre schön gewesen, wenn das Spiel mehr aus diesem „Gut und Böse“-Gesinnungssystem herausgeholt hätte. Stattdessen wird man manchmal mit zeitkritischen Szenen konfrontiert, wo man nur wenige Sekunden Zeit hat, die Lösung zu finden bzw. eine entsprechende Handlung auszuführen. Diese Zeitpassagen sind etwas lästig aber kein Beinbruch.

Hat man Kapitel 3 erreicht, schließt sich dann auch noch der Paladin Ambrosius an. Hier agieren die drei Charaktere jedoch losgelöst voneinander, und müssen improvisieren, um sich Gegenstände zuzuschanzen, die der jeweils Andere benötigt. Folglich ist Kapitel 3 dann auch das spielerische Highlight im Spiel.

Absolut vorbildlich sind übrigens die Komfortoptionen, die zur Verfügung gestellt werden. So bietet Ceville Doppelklick-Funktionen, um die Charaktere rennen zu lassen und Ein-/Ausgänge abzukürzen, Autosaves die alle 5 Minuten durchgeführt werden, die Möglichkeit Zwischen- und Dialogsequenzen per Mausklick wegzudrücken, sowie eine Hotspotanzeige. Letztere ist aber leider weniger eine Option, sondern viel eher ein Muss. Das Spiel setzt nämlich auf 3D-Grafik mit Kameraschwenks, was es manchmal sehr schwer macht Hotspots und Gegenstände zu erkennen. Deswegen sollte man sich nicht sträuben regelmäßig Gebrauch von der Hotspotanzeige zu machen.

Der Schwierigkeitsgrad ist in den meisten Fällen relativ vernünftig. Das Spiel ist kein Selbstläufer, aber man muss auch nicht an jeder zweiten Ecke zur Komplettlösung greifen. Ich selbst musste nur zwei mal in eine Lösung gucken, was leider auch eher die Schuld des Spiels war, da die Funktionsweisen des Bleistiftspitzers und des Hamsterrads doch ziemlich absurd waren. Die Spieldauer beträgt irgendwo zwischen 10 und 15 Stunden und entspricht somit dem Genre-Standard.

Grafik und Sound

Anders als viele andere Point & Click-Adventures seiner Zeit setzt Ceville auf reine 3D-Grafik. Sowohl die Charaktermodelle, als auch die Umgebungen werden in 3D dargestellt. Für ein 2009-Adventure sieht die Grafik ganz ordentlich aus. Die Grafik profitiert deutlich von ihrer kunterbunten Farbgebung, weswegen sie auch ganz nett alterte (aber trotzdem stark veraltet ist). Es werden auch höhere Auflösungsstufen unterstützt. Ich selbst konnte das Spiel immerhin in der Stufe 1920×1080 erleben. Auch das cartoonhafte Artdesign weiß zu gefallen und passt gut zum Humor. Es könnte für manch einen jedoch zu europäisch sein. Sogar die Animationen der Spielfiguren fallen für Adventure-Verhältnisse überraschend solide aus. Weniger solide sind jedoch die Wander-Zwischensequenzen. In denen treten sich Ceville und Lilly auch gerne mal auf die virtuellen Füße und verhaken ineinander. Auch die seltenen Rendersequenzen können nicht überzeugen. In diesen wird lediglich ein Märchenbuch umgeblättert, während eine Erzählerin die Geschichte weiterführt – ist zu spartanisch.

Der Soundtrack des Spiels besteht leider nur aus debiler Märchen-Fahrstuhlmusik, welche – Gott sei dank – nur sehr unscheinbar im Hintergrund vor sich hin dudelt. An der deutschen Sprachausgabe gibt es hingegen nichts auszusetzen, was aber nicht verwundern sollte, da es sich ja um ein deutsches Spiel handelt. Die Sprecher waren mit sichtlicher Freude bei der Sache und hauchen ihren Charakteren sehr viel Leben und Charme ein, so solls sein!

Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pros
  • sehr unterhaltsamer, parodistischer Humor und viel Charme
  • grundsolides Adventure-Gameplay mit drei spielbaren Charakteren, die auch mal zusammenarbeiten müssen
  • hochwertige deutsche Sprachausgabe
  • ist grafisch überraschend gut gealtert

thumbs-up-icon

Cons
  • frustrierend träges Pacing der Handlung
  • gibt 2-3 Stellen im Spiel, die zum Griff zur Komplettlösung provozieren könnten
  • durch die 3D-Grafik ist nicht immer alles leicht zu erkennen, weswegen die Hotspotanzeige zur Pflicht wird
  • leidet bei modernen Betriebssystemen unter heftigen Crash-Orgien, vor allem in Kapitel 2

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Spiel Bewertung
Singleplayer
77
77
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

Sowohl als Point & Click-Adventure als auch als parodistischer Spaß macht Ceville immer noch eine gute Figur. Zwar haben einige Witze sowie die 3D-Grafik inzwischen Staub angesetzt, jedoch bekommt man unterm Strich ein kompetentes und lustiges Adventure geboten, in dem man endlich mal einen richtigen Fiesling spielen darf. Die drei spielbaren Charaktere, welche auch zusammenarbeiten müssen, um voranzukommen, helfen obendrein dabei das Spiel etwas vom Einheitsbrei abzugrenzen. Problematisch ist jedoch das miserable Pacing im Mittelteil des Spiels, welches mehr Frust verursachen kann als man von einem Ulk-Spiel erwarten würde. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass das Spiel nie für moderne Betriebssysteme angepasst wurde. Wer Ceville also nicht auf XP oder Vista zockt, kauft das Spiel auf eigene Gefahr (das Steam-Forum bietet jedoch viel Hilfestellung für die fixen Crashs). Schade, dass der aktuelle Publisher hier nicht die nötigen Schrauben ansetzt.

- Von  Volker

MS Windows

Ceville REVIEW

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