CAYNE REVIEW

Mit „STASIS“ haben die südafrikanischen Indie-Entwickler „The Brotherhood“ im August 2015 ein wirklich gelungenes Point & Click-Adventure abgeliefert, welches einerseits wegen seiner isometrischen Perspektive á la CRPG aufmerksamkeit erregen und andererseits wegen seiner schonungslosen Horror-Story überzeugen konnte. Was liegt da also näher als einen kostenloses Prequel-DLC als Dankeschön für die Käufer von STASIS zu kreieren? Und somit war CAYNE geboren, welches sich jedoch nicht als Prequel sondern als Sequel und auch nicht als DLC, sondern als kostenloser Standalone-Titel entpuppen sollte. Warum die Gebrüder Bischoff (The Brotherhood) im Vorfeld mit derartigen Falschinformationen um sich geworfen haben, kann ich euch leider auch nicht sagen. Es kann natürlich auch sein, dass diese Änderungen erst im Verlauf des Entwicklungsprozesses getätigt wurden oder einfach nur überflüssiges Marketing-Gehabe dahinter steckt. Aber egal, was wirklich zählt, ist es herauszufinden, ob das am 24.01.2017 veröffentlichte CAYNE denn nun etwas taugt oder nicht. Diese Frage möchte ich euch im folgendem Review beantworten.

Schwanger sein ist der Horror

Die junge Hadley hat sich einen Braten in die Röhre schieben lassen und steht jetzt kurz vor der Entbindung. Dummerweise entpuppt sich der Aufenthalt im Krankenhaus als Falle, denn skrupellose Wissenschaftler der Cayne Corporation suchen immer noch nach menschlichen Versuchskaninchen für ihre unethischen Experimente, Spieler von STASIS wissen ja bescheid. Und so erwacht die hochschwangere Hadley plötzlich in einem finsteren Labor, wo Experimente an ihrem Fötus durchgeführt werden sollen. Doch so leicht gibt die junge Frau nicht auf. In ihrer Not tötet sie den seltsamen Freak, der an ihr herumdoktert und sabotiert die Maschinerie des Labors. Dummerweise handelt es sich um einen größeren Laborkomplex. Ein Komplex in dem ein blutrünstiges Monster herumstreunt. Und als ob das alles nicht schon schräg genug wäre, fängt auf einmal an eine geisterhafte Stimme in ihrem Kopf zu sprechen. Der Fremde sagt, dass er ebenfalls ein Gefangener des Labors wäre und drängt Hadley zur Flucht. Ob Hadley, ihr Nachwuchs und der mysteriöse Fremde lebendigen Leibes aus dem Laborkomplex entkommen werden?

Die Story ist so gesehen dieselbe wie in Stasis. Ein potentielles Opfer wird von der Cayne Corporation entführt und zu Versuchszwecken an einen geheimen, bedrohlichen Ort entführt, von dem es zu entkommen gilt. Anders als ihr Vorgänger John Maracheck, muss sich Hadley jedoch nicht noch zusätzlich auf die Suche nach Familienmitgliedern begeben. Dafür schleppt sie aber natürlich ihr Baby im Bauch mit sich herum, was jedoch keinerlei Einfluss aufs Gameplay hat.

Das was CAYNE von STASIS unterscheidet, ist der flapsige Umgang mit der Situation und den Charakteren. STASIS zeichnete sich dadurch aus, dass sich das Spiel sehr ernst nahm und gerade dadurch seinen Horror erzeugte. Die verantwortlichen Wissenschaftler, waren, so skrupellos sie auch waren, im Endeffekt auch nur Menschen die meinten, das höhere Ziele die Mittel rechtfertigten – ein sehr gruseliges Konzept, dem Spieler aufzuzeigen, dass Menschen die furchterregensten Monster sein können. Bei CAYNE ging man jedoch einen anderen Weg: Die „Wissenschaftler,“ denen man hier begegnet (wie gewohnt hauptsächlich in Form ihrer PDA-Tagebücher) sind derart überzeichnet, dass sie eher wie reine Schurkencharaktere aus einem Comicbuch wirken. Es ist eigentlich nur eine Ansammlung von Psychopathen und Perversen, die man kein bisschen ernst nehmen kann. Dazu tragen übrigens auch die karikativen Artwork-Portraits bei, die man neuerdings in die PDA-Aufzeichnungen integrierte. Und siehe da: Kaum ersetzt man Menschen mit stark überzeichneten Klischee-Psychos, die geradewegs aus dem neuesten Marvel- und DC-Comic stammen könnten, und schon fällt der Horror komplett in sich zusammen. Wie ein Kartenhaus aus dessem Fundament man eine Karte entfernt hat. Auch Hadley kann nicht mit John gleichziehen, da sie zu oft dumme Sprüche und schlechte Witze reißt. Man merkt zwar, dass sie dies in erster Linie tut, um ihre Furcht zu überspielen, aber trotzdem trägt es unterm Strich nur zum schlechten Stil von CAYNE bei.
Ich habe keine Ahnung, was sich die Bischoff-Brüder dabei gedacht haben, aber ich weiß, dass es mir nicht gefällt und ich genau nachprüfen werde, in welche Richtung STASIS 2 gehen wird, bevor ich auch nur einen Penny in dieses Spiel investieren werde.

Nichts verbessert und verdrehte Struktur des Schwierigkeitsgrades

Von der isometrischen Perspektive der Renderbilder braucht sich der geneigte Adventure-Spieler nicht beeindrucken lassen. Gameplay-technisch handelt es sich hier um ein typisches Point & Click-Adventure. Ihr steuert Hadley mit der Maus durch die Maps, interagiert mit Hotspots um Gegenstände einzusacken oder an Apparaturen rumzufummeln, kombiniert gefundene Gegenstände in einer separat aufrufbaren Inventarleiste, um somit improvisierte Werkzeuge zu kreieren, die an richtiger Stelle eingesetzt werden wollen und sucht in den Textdateien der Spielwelt nach Hinweisen zur Lösung der etwas komplexeren Code- und Maschinenrätsel.

Was den Komfort anbelangt haben die Entwickler seit STASIS nichts dazugelernt. Es gibt weder Hotspotanzeige noch Doppelklick-Abkürzung durch Ein- und Ausgänge. Und vor allem Letzteres ist sehr ärgerlich, da es in CAYNE ein nicht zu unterschätzendes Maß an Backtracking gibt. Immerhin kann Hadley per Doppelklick etwas schneller laufen, aber auch das ist nur eine begrenzte Hilfe, für eben genannte Problematik. Auch der aus STASIS bekannte Leuchtpunkt, der genutzt wurde um einige wenige Hotspots/Items zu markieren, fiel der Schere zum Opfer. Immerhin werden aber die PDAs grafisch hervorgehoben.

Das größte Problem ist jedoch die verdrehte Struktur des Schwierigkeitsgrades. Das erste Spieldrittel des ca. 3-4 Stündigen Horror-Adventures ist, teils unangenehm, knifflig. Danach normalisiert sich der Schwierigkeitsgrad glücklicherweise auf ein durchschnittliches Maß und endet mit einem sehr zufriedenstellenden Schlussrätsel. Der Knackpunkt ist jedoch, ob man das erste Spieldrittel durchhält. Das Spiel beginnt zum Beispiel mit einem sogenannten Warte-Puzzle. Das heißt man ist gezwungen passiv den richtigen Moment abzuwarten, bevor man die Lösung ansetzen darf. Nochmal, wir reden hier über das Einstiegspuzzle ins Spiel! Habt ihr schon mal ein anderes Adventure gespielt welches mit einem verdammten Warte-Puzzle beginnt!? Ich jedenfalls nicht! Am schlimmsten ist jedoch die Nummer mit der Sicherung. Ein derart wirr konstruiertes Inventarrätsel, dass es selbst jene üblen Klöpse übertrumpft, die ich in den Geheimakte-Spielen miterlebt habe.

Man kann es definitiv niemanden übelnehmen, der CAYNE vorzeitig abbricht. Schade ist es aber trotzdem, denn nach dem relativ verkorksten ersten Spieldrittel, wird CAYNE richtig gut. Und für ganz motivierte gibt es auch ein paar optionale Achievements zu erbeuten, von denen einige an ein sehr abstraktes, kaum zu entschlüsselndes Bonus-Rätsel gekoppelt sind.

Grafik und Sound

Der große Schwachpunkt von STASIS war die enttäuschend niedrige Auflösung von 1280×720 Bildpunkten. CAYNE korrigiert diesen Makel und hebt die Auflösung auf 1920×1080 Bildpunkte, womit endlich jene Renderbilderpracht erreicht wird, die ich mir eigentlich schon von STASIS erhofft hatte. Und das Spiel profitiert stark davon, denn die Ortschaften sehen klasse aus und wurden auch sehr detailverliebt umgesetzt. Fast bekommt man den Eindruck, dass CAYNE ein Stück weit auch als Grafikdemo dient, mit der die Entwickler zeigen wollen, dass sie dieses Problem in den Griff bekommen haben. Darüber hinaus sind auch die Charaktermodelle recht solide animiert und modelliert, was für das Adventure-Genre ja leider auch keine Selbstverständlichkeit ist. Als Sahnehäubchen gibt es auch ordentliche Rendersequenzen spendiert die sich nicht zu verstecken brauchen.

Grafisch kann das Spiel also überzeugen, beim Soundtrack ist mir hingegen nichts im Gedächtnis hängengeblieben. Das liegt daran, dass er hauptsächlich aus Ambient-Geräuschen besteht wie das Surren futuristischer Generatoren und -Maschinen oder dergleichen. Derartige geräusche wurden jedoch sehr gelungen umgesetzt und tragen einiges zur Atmosphäre bei. Auch die englische Sprachausgabe (eine Deutsche gibt es nicht) ist beeidruckend professionell und zeigt so manch kommerziellen Projekt, wie so etwas richtig gemacht wird. CAYNE kann also auch akustisch überzeugen, solange man damit einverstanden ist, dass es keinen typischen Soundtrack gibt.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
74
74
-
Multiplayer

FAZIT

Der größte Schwachpunkt von STASIS war die niedrige Auflösung der isometrischen Renderbilder, welche in 1280x720 Bildpunkten gezeichnet wurden. Dieser Schwachpunkt wird im Sequel CAYNE ausgemerzt, denn hier wird endlich eine gescheite Auflösung von 1920x1080 bereitgestellt. Leider war es das aber auch schon mit den Verbesserungen. Der Rest vom Fest hat sich sogar eher verschlechtert. Bezüglich des Spielkomforts hat man nichts dazugelernt. Dinge wie eine Hotspotanzeige oder Doppelklick-Abkürzungen fehlen hier genauso wie in STASIS. Obendrein irritiert das Spiel mit einem anfangs fiesen Schwierigkeitsgrad. So startet das Spiel z.B. mit einem Warte-Rätsel! Und als ob das alles nicht schon ärgerlich genug wäre, so hat man auch die größte Stärke von STASIS in die Tonne getreten – die heftige Horror-Story und -Atmosphäre. Statt den Spieler mit menschlichen Abgründen zu schocken werden einem hier die PDA-Ausdünstungen unglaubwürdiger Klischee-Psychos entgegengeworfen, die eher ins Reich der Comics und Groschenromane gehören. Und der visuelle Horror setzt eher auf den reinen Ekel-Faktor, statt auf Dingen, die auf Geschehnissen der Realität basieren. Das Niveau in CAYNE ist also sehr niedrig angesetzt, was für einen Spieler, der aus STASIS kommt sehr irritierend wirkt. Aber hey, das Spiel ist kostenlos, sieht gut aus, klingt gut (super Sprachausgabe!) und macht nach dem etwas verkorksten ersten Spieldrittel auch Gameplay-technisch Spaß. Einen geschenkten Gaul braucht man ja nicht zu tief ins Maul zu schauen. Wäre CAYNE jedoch kostenpflichtig, wäre ich nicht sicher, ob ich das Spiel empfehlen könnte.

- Von  Volker

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