Wolfenstein II: Die Tagebücher von Agentin Stiller Tod REVIEW
Die erste von insgesamt drei Erweiterungen zu Wolfenstein II ließ mich im Dezember letzten Jahres etwas ernüchtert zurück. Zwar hatte die Geschichte um den Revolverhelden Joe eine interessante Prämisse zu bieten und überzeugte mit seinen stilsicheren Zwischensequenzen in Gestaltung typischer 40er Jahre Pulp-Comics, die Übernahme des spielerischen Grundgerüstes ohne nennenswerter Neuerungen und die kurze Spielzeit dämpften den Gesamteindruck jedoch. Dennoch hegte ich im Vorfeld der Veröffentlichung der mittlerweile verfügbaren Episode Die Tagebücher von Agentin Stiller Tod ein paar Hoffnungen. Ob diese erfüllt werden konnten?
Rache ist ein Gericht…
Auch Jessica Valiant, Protagonistin der zweiten Erweiterung, treibt ein persönliches Rachemotiv auf den Feldzug gegen das Regime. Kurz nach dem Krieg wurde ihr Ehemann, welcher wie Jessica im Dienste des britischen Geheimdienstes stand, verraten, gefoltert und schließlich ermordet, woraufhin Jessica ins Exil nach Brasilien geflohen ist und ihren Kummer mit Schnaps und flüchtigen Bekanntschaften betäubte. Eines Tages erreicht sie ein Brief, in welchen Namen, Fotos und die Aufenthaltsorte jener Männer enthalten sind, die für den gewaltsamen Tod von Jessicas Ehemann verantwortlich sind. Jessica sieht die Zeit für ihre Rache endlich gekommen und reist in die vom Regime besetzten Vereinigten Staaten von Amerika, um einen Schlussstrich unter ihre Vergangenheit zu ziehen…
Es ist nicht nur das Rachemotiv der jeweiligen Hauptfiguren, welches die beiden bisher erschienenen Zusatzkapitel von Wolfenstein II eint. Positiv fallen erneut die in Form von Comicstrips gehaltenen Zwischensequenzen mit Pulp-Anstrich auf und auch Agentin Stiller Tod erweist sich erneut als ungemein interessante Figur, die von ihrer deutschen Sprecherin darüber hinaus gelungen charakterisiert wird. Die Spielzeit der drei Kapitel langen Erweiterung ist hingegen erneut sehr knapp bemessen, nach nicht einmal einer Stunde hatte ich bereits das Ende erreicht, womit Die Tagebücher von Agentin Stiller Tod sogar noch mal um ein gutes Stück kürzer als Die Abenteuer des Revolverhelden Joe ist.
Auf leisen Sohlen unterwegs
Doch nicht nur die überschaubare Spielzeit stößt sauer auf. Es ist vor allem das Fehlen jeglicher Neuerung(en) gegenüber dem Hauptspiel, das mich ratlos macht. Laut den Entwicklern sei die Episode mit der ehemaligen Geheimagentin aufs Schleichen ausgelegt, selbiges konnte ich aber auch schon mit B.J. Blazkowicz in Wolfenstein II. Und wie auch der ikonische Blondschopf im Hauptspiel, so kann auch die Augenklappe tragende Ex-Agentin zu Maschinengewehr und Schrotflinte greifen und ihre Widersacher in der gewohnt brachialen Art und Weise aus dem Leben schießen. Zwar gestalten sich offene Schussgefechte etwas anspruchsvoller, da Jessica nicht ganz so viel Gesundheit und Rüstung anhäufen kann, wie B.J., dennoch sah ich mich zu keinen Moment dazu gezwungen komplett und möglichst unentdeckt durch das feindliche Gebiet zu schleichen.
Und auch die drei „neuen“ Areale sorgen für Ernüchterung. Zwar sind die Level zum großen Teil neu gebaut, verwenden aber überwiegend Assets aus dem Hauptspiel. Einzig das Filmstudio, in dem Jessica im zweiten Kapitel einen mit dem Regime kollaborierenden Filmstar um die Ecke bringen muss, hebt sich ein bisschen hervor und hat ein, zwei lustige Sets zu bieten. Es ist allerdings erschreckend, wie steril, ja geradezu leblos die Areale wirken. Bleiben wir hier beim Beispiel der Filmstudios, in denen nicht weniger als der riesige Propagandaapparat des Regimes steht. Dementsprechend sollte man annehmen, dass viel Personal auf dem Studiogelände seinem Tagesgeschäft nachgeht, doch außer ein paar Soldaten und den Bewachern der Zielperson, bekommt man niemand anderen zu Gesicht, ja nicht einmal die Illusion von einem „lebendigen“ Ort wird glaubhaft erzeugt.