Tormented Souls 2 REVIEW
Die klassische Ausprägung des Survival-Horrors hat in den vergangenen Jahren eine Renaisance erlebt. Vor allem sind es unabhängige Entwickler, Studios und Fans, die der festen Kameraperspektive, dem wabernden Polygon-Look der PlayStation und der Ressourcen-Knappheit huldigen. Titel wie Signalis, Alisa und Crow Country verlassen sich aber nicht nur auf Nostalgie, sondern haben immer wieder auch eigene Ideen und etwas zu sagen. Und auch Tormented Souls kann man durchaus in dieser Reihe nennen. Ich habe das 2021 veröffentlichte Debüt des chilenischen Studios Dual Effect erst Anfang dieses Jahres nachgeholt und Gefallen an der stimmig transportierten Retro-Formel und der mitunter ziemlich bizarren Story gefunden, hatte aber auch so einiges, was mir nicht zugesagt hat. Dennoch habe ich mich auf die Fortsetzung gefreut und war gespannt, ob und wie sich das Team weiterentwickelt hat und wie man das Konzept des klassischen Survival-Horror heute in einem größeren Maßstab umsetzt.
Wohliger Grusel
Die Entwickler haben im Prinzip genau das gemacht, was alle Fortsetzungen von einigermaßen erfolgreichen Spielen machen: Tormented Souls 2 ist größer, länger und verfeinert das bekannte Gameplay-Gerüst. Spielte der Vorgänger größtenteils an einem einzigen Ort (einem Hospital in der kanadischen Einöde), scheucht der Nachfolger die wiederkehrende Protagonistin Caroline Walker durch viel mehr Settings, wie einem Kloster, einem Kaufhaus, einer Fischverarbeitungsanlage und einem Friedhof und weiteren Orten. Darüber hinaus gibt es erneut Abschnitte, in der man in eine alternative Variante einzelner Areale geht. Derart viel Abwechslung ist löblich, vor allem, da man bei der Gestaltung der Umgebungen viel Mühe und Sorgfalt an den Tag gelegt hat. Eine der größten Stärken ist nämlich die stimmungsvolle Umsetzung der düsteren Orte.
Inszeniert wurden die erneut mithilfe von in Echtzeit berechneten Hintergründen. Und wenn ein Spiel zeigt, warum diese Art der Inszenierung zu Unrecht aus der Mode gekommen ist, dann der zweite Streich von Dual Effect. Auch wenn es sich hier um ein Indie-Spiel mit einem vergleichsweise eher kleinen Budget handelt, so ist die visuelle Gestaltung stellenweise hervorragend. Jeder einzelne Raum wirkt mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail gestaltet. Die gelungene Lichtstimmung sorgt für eine wohlige Gruselatmosphäre, nicht zuletzt in Verbindung mit der tollen Musik und Klangkulisse. Hier schaffen die Entwickler genau das, was ich bei vielen anderen durchaus auch guten modernen Survival-Titeln vermisse: sie erschaffen eine wohlig gruselige Spielwelt, die ich mir gerne ansehe und bei der ich ein irgendwie heimeliges Gefühl bekomme. An anderer Stelle muss man aber Abstriche machen, etwa bei den hölzernen Animationen und Gestiken der Figuren. Gerade in Cutscenes fällt das fast schon puppenhafte Auftreten auf.
Doppelte Länge = doppelt besser?
Dadurch das es sehr viel mehr Settings als im ersten Teil gibt, ist die Spiellänge auch locker verdoppelt worden. Tormented Souls hatte ich laut Statistik auf der PlayStation 5 in rund neun Stunden durch, bei Teil 2 hatte ich am Ende 17 Stunden auf der Uhr. Das ist eine ordentliche Länge und für ein Survival-Horror-Spiel ist das für mich fast schon zu lang. Das ist natürlich Geschmackssache, aber in diesem Genre bevorzuge ich eher knackige Erfahrungen. Gleichzeitig kann ich aber nicht abstreiten, mit was für einem guten Pacing das zweite Abenteuer von Caroline gestaltet ist. Prinzipiell kann man einzelne Schauplätze sogar recht flott abschließen – wenn man denn weiß, was man tun muss. Erste Speedruns schaffen den Titel bereits auf dem höchsten von drei Schwierigkeitsgraden in unter sechs Stunden. Aber selbst das ist noch eine ordentliche Länge, bedenkt man, dass die klassischen Titel des Genres in unter zwei Stunden zu meistern sind.
Die Story? Vollkommen Banane
Die Geschehnisse knüpfen an die Ereignisse aus dem ersten Spiel an und nehmen das gute von drei möglichen Enden als Ausgangslage. Carolines Schwester Anna wird von fürchterlichen Visionen geplagt und auch Caroline hat noch immer mit den Erlebnissen in der Wildberger Hospital zu kämpfen. Besserung erhofft sich Caroline durch einen Besuch in der chilenischen Kleinstadt Villa Hess. Warum sie denkt, in dem Kloster könne man ihr und ihrer Schwester helfen, habe ich ehrlicherweise noch immer nicht so ganz verstanden. Denn schon bei der Ankunft ist das Ganze…na ja, suspicious as hell. Und nach einem kleinen Nickerchen erwacht Caroline schließlich erneut in einem ziemlich abgefuckten Alptraum inklusive einer verschwundenen Anna.
Schon der erste Teil war hinsichtlich seiner Handlung vollkommen Banane, Teil 2 tritt das Absurditätspedal jetzt aber komplett durch und bietet Szenen, Figuren und Story-Entwicklungen, bei denen ich immer wieder dachte „Wie bitte?!“. Ich würde lügen, wenn ich behaupte emotional mit den Figuren und der Geschichte mitgefiebert zu haben. Dennoch ist das Ganze auf seine ganz eigenwillige Art wahnsinnig unterhaltsam. Teilweise sind die Albernheiten fast schon etwas zu viel des guten und ich frage mich, ob die Entwickler ihre Vorlagen nicht etwas missverstanden haben.
Zu viel Hommage
Zu den großen Inspirationsquellen des Studios gehören die frühen Ausprägungen des Genres, wie Resident Evil, Silent Hill, Alone in the Dark und was noch alles ab der Mitte der 1990er Jahre unter dem Survival-Horror-Label veröffentlicht wurde. Viele dieser Spiele sind narrativer Trash, ohne dass sie das aber eigentlich sein wollten. Und ich denke dass ist es, wo die Entwickler bei Dual Effect einem Fehlverständnis aufgesattelt sind. Bei Capcom, Konami, Square Enix und Co. wollte man mit den genannten Titeln per se keinen spielbaren B-Movie schaffen. Man wusste es einfach nicht besser und konnte es teilweise auch nicht besser. Ein Paradebeispiel dafür ist das Voice Acting der frühen Resident Evil Titel. Man hatte in Japan einfach keine Ahnung, ob die englischsprachigen Sprecherinnen und Sprecher gut sind oder nicht. Man wusste nicht, dass die Oneliner und Dialoge für englische Muttersprachler vollkommen albern klingen. Nun ist auch in Chile Englsich nicht die Amtssprache und vielleicht tue ich dem Studio auch wirklich unrecht (dann tut es mir leid). Die trashige Sprachausgabe hier wirkt dennoch wie eine bewusste Stilentscheidung. Und sie tut dem Spiel nicht unbedingt gut, sondern sorgt bei mir für Augenrollen.
Das 30 Jahre später Entwicklerinnen und Entwickler aus aller Welt den Spielen von damals nacheifern, ist cool. Ich mag die Welle an Retro-Horror-Spielen wirklich gerne, zumal sie sich auf alte Design-Tugenden stützen. Dinge wie festgelegte Kameraperspektiven, ein begrenztes Speichersystem und Panzersteuerung sind eben keine Entscheidungen, die man aus technischen Überlegungen heute noch treffen muss. Sie sind stilistische Entscheidungen. Was aber die Sprachausgabe ausgeht, da kann man gerne etwas professioneller klingen und auch die Story kann sich gerne etwas ernster nehmen.
In Ansätzen ist diese wirklich interessant und eigentlich mag ich Caroline als Protagonistin auch echt gerne. Immer wieder verliert sich die Story aber. Und statt die eigene Spielwelt, das eigene Spieluniversum für sich stehenzulassen (sie kann es eigentlich wirklich) haut man mit Referenzen um sich, nicht nur aus anderen Games. Der mittlerweile omnipräsente Teppich aus Kubricks The Shining ist dabei, man findet die grünen, roten und blauen Kräuter in einer Szene auf einem Tisch stehend. Und das aus Menschenhaut gemachte Buch der Toten erinnert an das Necronomicon aus Tanz der Teufel. In welche Richtung man in eine Fischverarbeitungsanlage geht, kann sich jeder Horror-Fan wohl auch denken. Ich meine es gar nicht böse. Ich bin selber Horror-Fan und verstehe schon, das da keine bösen Absichten dahinterstehen und man als Fan hier und da kleine Eastereggs einbauen will. Man muss es aber auch nicht.
Klassischer Survival-Horror lebt!
Wer die Klassiker kennt, weiß in etwa, was Tormented Souls 2 zu bieten hat. Und meine Güte, versteht man es bei Dual Effect gut, die klassische Formel zu reproduzieren! Man bewegt sich entweder mit moderner Stick-Steuerung oder Panzersteuerung durch die stimmungsvoll gestalteten Areale, sammelt Munition, Heilgegenstände und Items, die für Rätsel verwendet werden. Rätsel werden gelöst, neue Wege geöffnet, Abkürzungen freigeschaltet. Und zwischendurch gibt es immer wieder Kämpfe, denen man abseits der Bosse aber auch entkommen kann. Und meiner Meinung nach auch sollte.
Denn die Macher nehmen es mit der Ressourcenknappheit ziemlich ernst und sind absolut kompromisslos. Das wurde mir spätestens beim ersten Bosskampf bewusst, in welchem ich eine muskulöse Ordenschwester mit übergroßen Kampfhammer nur mit großer Mühe gelegt habe. Wer denkt, die Entwickler sorgen im Bossraum für genügend Munition, irrt gewaltig. Man hat nur 18 Schuss für die Nagelpistole und fünf Schuss für die Pumpgun (die man theoretisch sogar verpassen kann)? Dann ist das so. Und bei mir war genau das der Fall. Letztlich konnte ich die Kuttenträgerin nur mit einem Hammer, viel Mühe und Ausweichen legen. Und das hat mir ganz schön Nerven gekostet. Ich mag das und begrüße auch sehr, wenn die Entwickler ihre eigene Vision haben und diese knallhart durchsetzen. Aber man muss sich eben bewusst sein, dass dieses Design auch für Frust sorgen kann. Und dann macht es irgendwann halt keinen Spaß mehr.
Kopfnüsse, die den Titel verdienen
Wo ich bei den Ressourcen also erneut gelernt habe, zu sparen und Gegner immer öfters habe links liegen gelassen, bin ich mitunter an den Rätseln verzweifelt. Diese waren schon im ersten Teil berüchtigt, sind jetzt aber noch einmal eine ganze Ecke knackiger. Auch hier: ich mag das eigentlich wirklich gerne. Ich verweile auch gerne mal fünf Minuten im Menü und überlege, wie ich vorgehen muss. Tormented Souls 2 hat mich mitunter aber wirklich dumm fühlen lassen und immer wieder habe ich entnervt aufgegeben und die Lösung online nachgeschaut. Wie man auf manche Lösungen kommt, habe ich selbst mit Guides noch nicht verstanden.
Gleichzeitig habe ich großen Respekt vor den Verantwortlichen, die sich diese Kopfnüsse ausgedacht hat. Hier muss man wirklich um die Ecke denken, die Hinweise genau lesen und teilweise auch ein bisschen Wissen außerhalb des eigentlichen Spiels mitbringen. Ein frühes Rätsel bezieht sich etwa auf die Schachregeln. Zwar gibt es einen Hinweis, aber selbst diesen kann man eigentlich nur umsetzen, wenn man denn auch weiß, wie die unterschiedlichen Schachfiguren aussehen.
Video zum Spiel
Pro & Kontra
- die Story ist Banane, aber gerade deswegen auch sehr unterhaltsam
- bockschwere, aber immer wieder auch kreative Rätsel
- wudnerschöne Umgebungsgrafiken, die in Echtzeit berechnet werden
- stimmungsvolle Ausleuchtung, gut gesetzte Kameraperspektiven, dynamische Kamerafahrten = so wird Atmosphäre erzeugt!
- richtig gute Musik und Klangkulisse
- weniger Hommage an andere Spiele und Filme und etwas mehr eigener Flair hätte dem Gesamterlebnis besser getan
- die Rätsel sind mitunter ziemlich hart und erfordern einiges um die Ecke denken
- das Kampfsystem ist nach wie vor eher zweckmäßig
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