Tomb Raider IV-VI Remastered REVIEW
In meinem Fazit zu Tomb Raider I-III Remastered habe ich nicht nur über die gelungenen Neuauflagen dieser mir so wichtigen Spiele geschwärmt, sondern mir eine ebensolche Neuveröffentlichung der restlichen beiden PlayStation-Teile sowie The Angel of Darkness gewünscht. Offenbar war der Wunsch innerhalb der Community und der Erfolg der ersten Collection groß genug, sodass Crystal Dynamics und Aspyr ziemlich genau ein Jahr nach der Veröffentlichung der ersten Remastered-Sammlung nachlegen und mit Tomb Raider IV-VI Remastered die finalen Abenteuer von Lara Croft aus dem Schaffen des ursprünglichen Entwicklers Core Design in überarbeiteter Form veröffentlichen. Und was soll ich sagen: ich bin erneut Feuer und Flamme für die Neuauflagen. Und das trotz The Angel of Darkness.
Das wirklich schwarze Schaf der Reihe

Man kann zehn Tomb Raider Fans fragen, welcher Teil der originalen Reihe ihr liebster ist und wird wahrscheinlich oft Teil 1 und 4 hören. Alles dazwischen und Teil 5 sind mal Fan-Lieblinge, mal Geheimtipps, mal verhasst, mal erzeugen sie ein desinteressiertes „Meh“. Sobald die Sprache aber auf The Angel of Darkness kommt, werden die Minen finster. Ich übertreibe nicht. Man muss sich einfach nur mal in einschlägigen Foren und Diskussionen bei Reddit umschauen und wird Abhandlungen lesen, die den Hass auf dieses Spiel zum Ausdruck bringen. Auch über 20 Jahre nach dem originalen Erscheinen des PlayStation 2 Debüts von Lara Croft erzürnt das sechste Spiel wie kein anderes der Reihe die Fangemeinde.
Die Gründe dafür sind vielfältig, letztlich gehen sie auf nicht erfüllte Erwartungen und ein in der Tat mäßiges Endprodukt zurück, welchen man anmerkt, in welcher Drucksituation es entstanden ist. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass das Spiel die Marke an die Wand gefahren und einem beinahe beispiellosen Run ein Ende gesetzt hat. Kurz nach der Veröffentlichung des Spiels kam es zu einem Exodus führender Entwickler bei Core Design, Pläne für eine Fortsetzung namens The Lost Dominion, der zweite Teil einer geplanten Trilogie, wurden verworfen. Publisher und Rechteinhaber Eidos legte die Produktion des nächsten Spiels in die Hände von Crystal Dynamics, wo die Marke bis heute verweilt und zu neuen Leben gefunden hat. Core Design gab es faktisch noch ein paar Jahre, das Team hat aber nie wieder an der Franchise gearbeitet. 2010 war endgültig Schluss und das Studio wurde geschlossen. Die Zerwürfnisse rund um den Titel gingen gar soweit, dass Paramount Pictures die enttäuschenden Box Office Zahlen der zweiten Verfilmung auf den ausbleibenden Erfolg von The Angel of Darkness und dessen schlechte Kritiken zurückgeführt hat.
Ich erinnere mich noch ziemlich gut an den Hype, der seinerzeit um das Spiel geherrscht hat. Für diejenigen, die in dieser Zeit nicht bewusst Videospiele konsumiert haben, ist es heute vielleicht schwer nachzuvollziehen, was für ein großes Ding Tomb Raider Ende der 1990er Jahre und in den frühen 2000ern gewesen war. Die Popularität der Franchise war mit der ersten Verfilmung von 2001 mit Angelina Jolie in der Hauptrolle auf ihrem absoluten Höhepunkt. Inflationsbereinigt ist der Film bis heute eine der lukrativsten Videospiel-Umsetzungen fürs Kino. Lara Croft war mindestens so bekannt wie Super Mario, eine Ikone, ein kulturelles Phänomen. Und dann kam Tomb Raider: The Angel of Darkness.
Der Engel, der für alle Beteiligten Unheil brachte

Seinerzeit habe ich das Spiel bis zur Ausgrabungsstätte gespielt und dann entnervt aufgehört. Eine verhunzte Steuerung, etliche Bugs, eine konfuse Erzählung und das fehlende Tomb Raider Feeling haben mir die Freude am Next-Gen-Einstand von Lara schnell genommen. Danach habe ich The Angel of Darkness nie wieder angerührt, auch wenn ich in den letzten Jahren immer mal wieder ein krudes Interesse an einem erneuten Versuch bekommen habe. Machen wir aber endlich den Sprung ins hier und jetzt und widmen uns Tomb Raider IV-VI Remastered. Nachdem die letztjährige Veröffentlichung meine Liebe für die Reihe noch einmal neu entfacht hat, bin ich mit ziemlich großer Vorfreude an die zweite Neuauflagen-Sammlung gegangen. Im Hauptmenü, in welchem man die drei Titel anwählen kann, gingen die Pfeiltasten erstaunlich schnell nach rechts zu The Angel of Darkness und ich dachte „Ach komm, ich gebe dir noch einmal eine Chance“. Gedacht, getan. Willkommen in Paris.
Dort beginnt die Handlung nämlich und setzt ein paar Wochen/Monate (?) nach den Ereignissen von Tomb Raider IV: The Last Revelation (1999) ein. An dessen Ende wird Lara in Ägypten verschüttet und gilt fortan als vermisst, wahrscheinlich tot. Tomb Raider V: Chronicles (2000) kann man sich wie ein Best-of vorstellen, in welchem jeder Level einen eigenen Schwerpunkt besitzt und eine in sich abgeschlossene Handlung erzählt. Gerahmt ist das Spiel von einer Trauerfeier von Laras Freunden, die sich an die Archäologin erinnern. Zu beiden Spielen komme ich aber später noch einmal im Detail.
2003 erschien endlich The Angel of Darkness und markierte das Debüt auf den Konsolen der PlayStation 2. Das die Entwicklung eine Katastrophe gewesen sein muss, merkt man bereits dem Intro an. Und je weiter man in dem Spiel kommt, desto mehr fällt das Konstrukt in sich zusammen. Von Anfang an hat man das Gefühl, wichtige Bestandteile der Story und Bezüge zu den Figuren fehlen. Das geht übrigens so weit, dass der große Gegenspieler im Hintergrund erst im Finale in Erscheinung tritt und Lara und er in den Dialogen dennoch so tun, als hätten sie sich bereits vorher getroffen und miteinander gesprochen. Die narrativen Ungereimtheiten sind auch im Remaster noch vorhanden. Heute kann ich das wesentlich entspannter zur Erkenntnis nehmen und finde es eher aus zeithistorischer Sicht interessant, wie sehr das Projekt an allen Enden zu kämpfen hatte.
Andere Bestandteile sind im Remaster zumindest etwas glattgebügelt worden. Die wirklich grausige Steuerung des Originals kann man optional noch immer verwenden, man ist aber mit der modernen Steuerung besser beraten. Die ist zwar nicht fehlerfrei, funktioniert im Großen und Ganzen aber ohne für Frust zu sorgen. Auch Bugs und Probleme der KI wurden bereinigt, die Optik auf moderne Bildschirme angepasst. Wie schon bei der ersten Sammlung, so kann man übrigens auch hier bei allen drei Titeln per Tastendruck stets zwischen „originaler“ und Remastered Grafik wechseln. Ich setze das Original in Anführungszeichen, da es eine Emulation der alten Optik ist. Ich liebe das Feature erneut, auch wenn die grafischen Unterschiede eigentlich nur bei The Last Revelation und Chronicles richtig ins Auge fallen. Wer möchte, kann die beiden PSX-Spiele übrigens auch mit den ursprünglichen 30 Frames spielen, mit den sauberen 60 Frames macht es aber mehr Spaß.
Versöhnung auf den zweiten Blick

Wie gesagt habe ich The Angel of Darkness von den drei Titeln als erstes genommen und in zwei langen Sitzungen durchgespielt. Das hätte ich nicht gedacht und nach dem Laufen der Credits habe ich mir schon die Frage gestellt, ob ich da jetzt wirklich Spaß hatte. Irgendwie ja. Es ist nicht alles schlecht, einige Design-Ideen waren für ihre Zeit, in dieser Franchise und in dieser Art von Spiel wirklich frisch. Das Gameplay der Vorgänger wurde etwa um seichte RPG-Elemente erweitert. So kann Lara Euro sammeln und diese etwa für Waffen oder Schlüssel ausgeben. Blöd nur, dass dies aber eigentlich nur im ersten großen Paris-Abschnitt möglich ist und danach gar nicht mehr. Trotzdem wird das Geld stets im Menü angezeigt.
Ebenfalls neu innerhalb der Serie war die Möglichkeit, Lara durch Aktionen stärker zu machen. Manche Türen kann sie beispielsweise erst auftreten, wenn sie stark genug dafür ist. Ähnlich verhält es sich mit Kisten, die erst mit genügend Muckis geschoben werden können. So weit, so die Idee. De facto handelt es sich bei diesen Stellen im Spiel aber um vorgegebene Punkte der Story und ohnehin kann man sich sicher sein, das neben der noch nicht schiebbaren Kiste in der Gegend eine leichtere Kiste steht, die geschoben werden kann, worauf Laras Stärke ansteigt. Aber es muss eben genau diese eine Kiste, diese eine Tür, diese eine Kletterpartie sein, die die Entwickler vorgesehen haben.
Auch der deutlich düstere Ton innerhalb der Story hat etwas für sich. Waren die PSX-Spiele vor allem von Indiana Jones geprägt, orientiert sich The Angel of Darkness an der edginess der frühen 2000er Jahre. Weniger Steven Spielberg, mehr David Fincher könnte man sagen. Auch das ist per se nicht verkehrt und ich bin eigentlich immer dafür zu haben, wenn sich etablierte Marken versuchen neu zu orientieren. Hier geht die Rechnung nun einmal gar nicht auf und oben drein fehlt das klassische Tomb Raider Flair komplett. Dennoch bin ich ganz froh, den Titel in Gänze nachgeholt zu haben. Wie gesagt, aus historischer Sicht empfand ich das Ganze als durchaus gewinnbringend.
Lara auf dem Höhepunkt

Richtig Freude haben mir aber die beiden anderen Spiele der Sammlung gemacht, insbesondere The Last Revelation. Ich liebe das vierte Spiel der klassischen Reihe enorm und hatte beim Durchspielen so viel Spaß, wie mit den ersten drei Spielen in ihrer Neuauflage. Dieser Teil ist in meinen Augen Tomb Raider auf seinem Zenit. Vor allem, da man die seltsamen Stilblüten der Teile 2 und 3 hier zurückgefahren und sich wieder an den ersten Teil orientiert hat. The Last Revelation konzentriert sich auf einen Schauplatz (Ägypten), hat einen wirklich coolen Gegenspieler, tolle Level und vor allem richtig, richtig gute Rätsel.
Von diesem absoluten Peak kommend, ist schon Chronicles seinerzeit eine Enttäuschung gewesen. Man merkt dem Spiel an, das Core Design müde und wahrscheinlich auch ziemlich ausgebrannt war. In der Rückschau wirkt der Schritt, die Reihe und das interne Entwicklungsteam mit The Angel of Darkness neu aufzustellen, wie die richtige Entscheidung. Nur in der Umsetzung ist eben dennoch so gut wie alles schiefgelaufen. Ich hatte selbst nie eine große Abneigung gegenüber Chronicles, habe es von den PSX-Teilen aber auch am wenigsten gezockt. Im Remaster hatte ich hier dennoch meinen Spaß, konnte es aber nicht so gut am Stück spielen, wie die anderen beiden Teile. Es ist nicht schlecht, aber es ist eben nicht so gut wie Teil 1-4.
Schöne Remaster, aber


Was die Qualität der Sammlung als Remaster angeht, kann ich mein Lob aus der Review der ersten Collection eigentlich nur wiederholen. Das Team, welches sich erneut aus vielen Entwicklern aus der Tomb Raider Community gespeist hat, hat erneut richtig gute Arbeit abgeliefert. Es gibt Punkte, die man kritisieren kann und sollte, vieles ist aber auch persönlicher Geschmack. So schön etwa die neue Optik in The Last Revelation auch ist, so selten fängt sie die originale Lichtstimmung ein. Das mag auch mit der neuen und eigentlich auch wirklich schönen Beleuchtungstechnik zusammenhängen. Aber es verfälscht eben den von den ursprünglichen Entwicklern gewollte visuelle Stimmung.
Trailer
Pro & Kontra

- erneut schöne Remaster mit vielen visuellen und anderen Überarbeitungen
- jederzeit wechselbare Grafikmodi zwischen alter und neuer Grafik
- toller Soundtrack, ikonische Vertonung
- schöne Rätsel, vor allem in Teil 4

- zwei der drei Spiele sind qualitativ durchwachsen bis zweifelhafte (The Angel of Darkness)
- die eigentlich gelungene neue Lichtengine sorgt vor allem in Teil 4 für teils sehr dunkle Abschnitte
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