The Ballad Singer PREVIEW

The Ballad Singer ist der Debut-Titel des italienischen Indie-Entwicklers Curtel Games. Das Spiel wurde mit insgesamt 33.472 von 25.000 geforderten Euro erfolgreich via Kickstarter mitfinanziert und soll eine spannende Mischung aus Visual Novel und Gamebook darstellen. Mit anderen Worten, handelt es sich um ein sogenanntes „Choose your own Adventure“-Spielbuch, welches dank seines Mediums als Computerspiel auch noch Raum für zahlreiche todschicke Artwork-Zeichnungen mitbringt, welche ein reines Spielbuch in dieser Form einfach nicht bieten kann. Darüber hinaus gewährt das Medium Computerspiel auch die Implementation von einer hohen Anzahl verschiedener Choices & Consequences. Letzterer Aspekt ist bei einem Spielbuch natürlich immer ein wichtiger Faktor, allerdings soll The Ballad Singer dieses Konzept geradezu auf die Spitze treiben und somit einen drastischen Wiederspielwert bieten, den man in dieser Form wohl noch nirgendwo sonst gesehen hat. Und von dem bisschen, was ich bislang vom Spiel erlebt habe, scheint es sich hierbei keineswegs um leere Versprechungen zu handeln, aber ich greife vor.

Das Spiel soll erst im Februar 2019 veröffentlicht werden, folglich basiert dieses Preview auf einer Beta-Fassung (Beta 2.0.1), die noch nicht den gesamten Spielinhalt zur Verfügung stellt.

Vier miteinander verwobene Schicksale

Das Spiel versetzt uns in die Welt Hesperia. Im Kern handelt es sich um eine typische Mittelalter-Fantasy-Welt, allerdings gibt es einen wichtigen Aspekt, der Hesperia von allen anderen Fantasy-Welten unterscheidet. Die Fantasy-Geschöpfe, denen ihr hier begegnet, seines es nun wilde Monster oder z.B. Elfen, sind nämlich künstliche Geschöpfe, welche durch die Experimente mächtiger Menschen-Magier entstanden. Die phantastischen Kreaturen von Heperia gehören also keineswegs zum natürlichen Ökosystem dieser Welt, sondern sind Menschen-gemachte Mutanten. Lediglich die Magie als solches, ist natürlicher Bestandteil dieser Welt. Die willkürliche Kreation neuer Spezies ist freilich Beweis genug, dass die Magier nicht allzu verantwortungsbewusst mit ihrer Macht umgehen. Und tatsächlich ist das rücksichtslose Verhalten mächtiger Magier ein wichtiges Thema der Handlung. The Ballad Singer erzählt die Geschichten von vier Individuen, deren Wege und Schicksale miteinander verknüpft sind.

Der Wichtigste unter den Vieren scheint jedoch der Elementarmagier Leon zu sein. Dieser war einst der Prinz des Königreichs Kalesinar, bis zu jenem Tag, als seine Eltern vom bösartigen Triumvar Lothanor ermordet wurden, der es auf den Thron abgesehen hatte. Der kleine Leon konnte jedoch von freundlichen Magiern gerettet werden und wurde seinerseits zum Magier ausgebildet. Leon verfügt über eine besondere Gabe, denn es ist ihm möglich alle vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft zu kontrollieren. Dies macht ihn zu einen der Mächtigsten seinesgleichens, denn normalerweise steht einem Magier nur ein Element zur Verfügung. Dummerweise plant Leon seine Macht zu missbrauchen. Er will um jeden Preis Kalesinar zurückerobern, um seinen angestammten Platz als König einzunehmen. Für dieses Ziel geht Leon über Leichen. Wird es dem Magier gelingen den schmalen Grad zwischen Herrscher und Tyrann zu halten?

Zu Leons Gegenspielern gehört die Waldläuferin Ancoran. Ancoran ist eine Sylphe, also eines jener magischen Geschöpfe, die von Magiern erschaffen wurde. Ancoran wurde jedoch als Mensch geboren und erst durch die schlimmen Experiemente in ein anderes Geschöpf verwandelt. Doch von ihrer traurigen Vergangenheit lässt sich die hübsche Frau nicht beirren. Sie will dabei mithelfen, Hesperia zu einen besseren Ort zu gestalten. Deshalb schloss sie sich den Rebellen an, welche gegen den neuen Tyrannen Leon vorgehen. Um die Siegeschancen gegen den Feind zu vergrößern, erhält Ancoran den Auftrag den Krieger-Barden Daragast aufzuspüren und für die Sache der Rebellen zu rekrutieren.

Daragast gehört zu jenen drei Helden, welche einst den kleinen Leon vor Triumvar Lothanor retteten und diesen anschließend ausbildeten. Als seine Liebste ums Leben kam, tauchte er jedoch unter, um ein friedliches Leben als Schmied zu führen und sich politischen Entwicklungen zu verschließen. Daragast hat seine Fähigkeiten als bester Schwertkämpfer des Kontinents und meisterhafter Musikus jedoch keineswegs schleifen lassen. Trotz seines fortgeschrittenen Alters steckt noch immer ein Krieger mit gewaltigem Potential in ihm drinnen. Wird er sein Potential ausnutzen, um den Rebellen unter die Arme zu greifen oder seinen eigenen Weg einschlagen?

Schlussendlich wäre da noch Ancalimo. Seines Zeichens Assassine und einer dieser künstlich geschaffenen Elfen. Ancalimo ist so etwas wie Leons Spezialagent, eine der wenigen Personen, die Leon dieser Tage noch nah an sich heranlässt. Er übernimmt die heiklen Geheimaufträge des Elementarmagiers und ist für seine ebenso rücksichtslose wie effiziente Vorgehensweise gefürchtet. Doch ob Ancalimo wirklich den Weg des herzlosen Assassinen beibehalten wird, oder nicht doch einen besseren Lebensweg findet, liegt allein in der Hand des Spielers.

Weitreichende Entscheidungen

Und genau das ist auch das spannende an The Ballad Singer. Die Entscheidungen des Spielers haben teils drastische Auswirkungen, welche sich oftmals auch erst später im Spiel bemerkbar machen. Eine der ersten Aufgaben, denen sich Leon stellt, ist es einen wilden Drachen zu zähmen. Gelingt, dies, kann er später im Storyverlauf auf das Wesen zurückgreifen und für einen Großangriff aufs Rebellenlager nutzen. Doch die Konfrontation mit dem Drachen kann auch mit dem Tod der Flugechse enden, wodurch freilich auch der coole Drachenangriff auf die Rebellen negiert wird. Doch das ist nur ein vergleichsweise zahmes Beispiel.

In der Rolle des Assassinen Ancalimo verfolge ich den Auftrag, ein magisches Artefakt für Leon zu bergen. Die einzige Person die mir über den Aufenthaltsort des Artefakts berichten kann, entpuppt sich als hübsche Elfenfrau, welche Sex als Bezahlung für diese Information einfordert. Geht Ancalimo auf das Angebot ein, erhält der Spieler die Möglichkeit ihn mit der Dame durchbrennen zu lassen und somit Leon zu verraten. Was folgt ist eine aufregende Flucht in ein fernes Land. Eine Reise, auf der Ancalimo die Gelegenheit erhält sich zu einen besseren Mann zu entwickeln. So kann er entweder das Schmiedehandwerk erlernen oder auch in seine alten Gewohnheiten zurückfallen und stattdessen den Geldbeutel des Schmieds stehlen, was jedoch die Liebe zu seiner Gefährtin kosten könnte. Der heldenhafte Daragast kann hingegen zu einem hasserfüllten Eroberer verkommen.

Der Spieler erhält also immer wieder die Option den offensichtlichen Storyverlauf ein Schnippchen zu schlagen, neue Wege zu gehen, andere Möglichkeiten ausprobieren und seine Spielfigur sogar nach einer fatalen Entscheidung sterben zu lassen, um stattdessen mit einer Anderen weiterzuspielen – es befinden sich schließlich drei Weitere auf der „Ersatzbank.“ Der Tod einer Spielfigur, soll aber Auswirkungen auf die weiteren Storyverzweigungen des Spiels nehmen.

Im Werbetext ist die Rede von bis zu 1700 Geschichten und 40 verschiedenen Endsequenzen. Der Wiederspielwert ist also enorm. Der Titelbildschirm suggeriert mit der noch ausgegrauten „Trophies and missions“-Option zudem den Support von Achievements, welche der Motivation für wiederholte Durchgänge freilich weiteres Feuer verleihen dürften.

Was hingegen etwas aufgesetzt wirkt und nur von den eigentlichen Stärken des Spiels ablenkt, sind einige zweifelhafte „Gameplay“-Elemente. So arbeitet The Ballad Singer mit Schwierigkeitsgraden (vier an der Zahl), welche die Anzahl der „Extraleben“ (werden hier zu Immersionszwecken als „Fate“ bezeichnet) und Speichermöglichkeiten vorgeben. Selbst auf der niedrigsten Schwierigkeitsstufe ist die Anzahl der „Fate“ auf 9 und die der erlaubten Speicherungen auf 50 begrenzt. Diese Einschränkungen halte ich hier fehl am Platz, vor allem da es doch viele Situationen gibt, in denen der Tod recht unverhofft zuschlagen kann. Immerhin sind die Tode immer logisch nachvollziehbar und deren Beschreibungen geben auch immer einen Hinweis auf die richtige Entscheidung (es stehen immer nur 2 bis 4 Entscheidungen zur Auswahl). Sind alle Fates verbraucht, gibt es übrigens einen ganz klassischen Game Over-Screen und man darf, zumindest in der Beta, wieder von Vorne anfangen, da das Speichersystem noch nicht ordnungsgemäß funktionieren möchte (so weit ich es sehe, funktionieren derzeit nur die Autosaves).

Als weiterhin unnötig empfinde ich die Maßnahme, den vier Charakteren undurchsichtige Statuswerte mitzugeben (es gibt keine genauen Erklärungen, was diese Beeinflussen sollen – wenn überhaupt). Einige Balken visualisieren, wie stark die Ausprägung der „Werte“ Herausforderung, Kampffähigkeiten, Potentielle Kontrahenten, Ruhm in Hesperia und Gesinnung ausfallen. De facto haben die Balken aber keine Auswirkungen aufs „Gameplay,“ welches ja eigentlich nur aus dem Lesen eines virtuellen Buchs, der Begutachtung schicker Artworks und dem Choice & Consequence-Geflecht besteht (später kommt dann wohl noch der Achievement-Aspekt hinzu). All diese „Gameplay“-Bröcken kann man eigentlich allesamt rausschmeißen, da sie keinen Mehrwert bringen. Aber das kann sich in der Alpha ja noch ändern. Ich wüsste allerdings nicht, was man für ein Visual Novel-Gamebook sinnvolles aus Extraleben und überflüssigen Statusbalken herausholen sollte. Ein „handfestes“ Spielbuch kann ich ja auch nach eigener Fasson umblättern.

Grafik und Sound

Ein wichtiger Bestandteil in einer Visual Novel ist natürlich das Artwork. Dieses besteht in diesem Spiel aus hochwertigen Fantasyzeichnungen, von denen einige auch wunderbar als Cover für Fantasy-Romane oder Desktop-Hintergründe dienen könnten. Die Masse der Artworks ist fast genauso zufriedenstellend wie die hohe Qualität der Zeichnungen. Es wird nur selten vorkommen, dass man in einem Spieldurchlauf den Eindruck bekommt es wäre recycelt worden. Leider hat man sich jedoch bei den Todessequenzen zurückgehalten. Hier wird zu 90 % nur ein einziges Todesartwork für den jeweiligen Charakter verwendet, welches fast nie mit der Todesbeschreibung zusammenpasst. Die Ausnahmen in Form der anderen 10 Prozent, lassen jedoch die Hoffnung aufflackern, dass man hier für die Alpha noch fleißig nachbessern wird. Der hieraus resultierende Mehrwert wäre jedenfalls nicht zu verachten, auch wenn dies die Altersfreigabe nach oben drücken dürfte.

Etwas grafische Auflockerung wird durch einige wenige animierte Sequenzen geboten, welche meistens den bevorstehenden „Bosskampf“ gegen ein Monster ankündigen. Die sind ganz nett, aber nichts was vom Hocker reißt, da kann das reguläre Artwork mehr fesseln.

Etwas nervig ist die Tatsache, dass man zur Begutachtung des vollständigen Artworks immer die aufgeklappte Buchhälfte und die Optionsmöglichkeiten wegklicken muss, wofür es aber immerhin einen separaten Button auf dem Desktop gibt.

In akustischer Hinsicht fallen in erster Linie die Vorleser auf, welche die Buchtexte vorlesen. Jeder Charakter bietet seinen eigenen Vorleser, welcher in Gesprächen auch die Stimme des Hauptcharakters verkörpert. Sogar unwichtige Nebencharaktere haben ihren eigenen Sprecher bekommen. Da ist also einiges an Mühe reingeflossen. Die Stimmen der Vorleser und Sprecher klingen recht angenehm, lesen aber langsamer vor, als man die Texte selber liest. Daher bestehen auch die Optionen die Stimmen zurück- und vorzuspulen oder auch ganz abzuschalten. Geduldige Spieler können The Ballad Singer in gewisser Weise also auch als eine Art Hörbuch konsumieren.

An den regulären Soundtrack kann ich mich hingegen gar nicht mehr erinnern, und ich bin mir auch nicht sicher, ob es solch einen überhaupt gibt. Wenn doch, so ist er mir bereits komplett aus dem Gedächtnis geschlüpft, was freilich keinen Pluspunkt für den OST darstellen würde. Aber andererseits wäre ein aufdringlicher Soundtrack für solch ein Gamebook eh ungeeingnet.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
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Multiplayer

FAZIT

The Ballad Singer ist definitiv ein Spiel, bei dem ich mir die Alpha-Version, welche im Februar 2019 erscheinen soll, genauer anschauen werde. Bislang endeten meine Handlungsstränge immer in einem fiesen Cliffhanger, da das vollständige Spiel in der Beta schlicht und einfach noch nicht zur Verfügung steht. Von daher werde ich jetzt erst mal schweren Herzens Abstand nehmen, um weiteren Cliffhanger-Frust zu vermeiden. Aber im Ernst, Curtel Games haben hier ein sehr heißes Eisen im Feuer, welches Fans dieser speziellen Spielnische unglaublich viel Inhalt bietet. Und besagter Inhalt wird wohl auch qualitativ überzeugen können, denn das bislang Gebotene macht definitiv Lust auf mehr. Die Zeichnungen sind schöne, westliche Fantasyartworks, welche in einer Zeit voller Moe-Anime-Crap umso erfrischender wirken. Die Handlungsvarianten sind spannend zu lesen und versprechen ein faszinierendes Geflecht aus Choices & Consequences. Ich will ehrlich sein. Ich kenne mich im Gamebook-Genre nicht aus, allerdings würde es mich keineswegs wundern, wenn The Ballad Singer zu den besten seines Genres zählen würde. Ich hoffe nur, die italienischen Entwickler überlegen sich noch mal die Sache mit den Extraleben und Speicherbegrenzungen.

- Von  Volker

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