Tex Murphy: Overseer REVIEW

Tex Murphy: Overseer ist der fünfte Serienableger der Tex Murphy-Adventures und war lange Zeit auch das letzte Spiel der Reihe (für 16 Jahre um genau zu sein). Die Entstehung dieses Anfang 1998 veröffentlichten Spiels ist dabei überaus interessant. Overseer war ursprünglich nämlich gar nicht als ernsthafte Fortsetzung geplant. Stattdessen war das Spiel eine Auftragsarbeit von Intel, die mit Overseer die Leistungsfähigkeit und daraus resultierende Grafikpracht ihrer neuen Computer Chip-Hardware bewerben wollten. Aus dem geplanten Bundle ist aber nichts geworden, da Intel den Auftrag zurückzog. Access Software, die bereits einige Mühen in den Titel investiert hatten, ließen sich davon jedoch nicht beirren und stellten Overseer auf eigene Rechnung fertig. Gelohnt hat sich diese Mühe leider nicht. Das Interesse an Adventure-Games begann seinerzeit zu erlöschen, was sich freilich auch in den Verkaufszahlen bemerkbar machte. Dementsprechend wurden alle Pläne für zukünftige Tex Murphy-Spiele eingestampft, unter anderem auch „Trance“ was den üblen Cliffhanger von Tex Murphy: Overseer auflösen sollte (ja, das Spiel endet mit einem fiesen Cliffhanger). Doch daran lässt sich nichts ändern. Finden wir stattdessen heraus was das Spiel zu bieten hat.

Remake oder Fortsetzung?

Eigentlich trifft beides auf Tex Murphy: Overseer zu. Die Handlung basiert auf dem besten Ending was man in „The Pandora Directive“ erreichen konnte. Dort gelang es unserem Privatdetektiv Tex Murphy unter anderem seine Beziehung zu Chelsee Bando zu festigen. Die Beiden sind nun also endlich ein Paar und gehen miteinander aus. Für den gemeinsamen Abend ist ein Dinner im Restaurant „The Golden Pagoda“ geplant. Soweit läuft also alles hervorragend, doch es gibt da eine Sache die Chelsee ordentlich auf die Nerven geht: Tex bringt es immer noch nicht fertig sich von dem alten Ehering seiner Exfrau Sylvia Linski zu trennen, ferner zögert er eine wirklich feste Beziehung mit Chelsee einzugehen. Um ihr verständlich zu machen, warum er so ist wie er ist, beginnt Tex seiner Liebsten die Geschichte seines ersten großen Falles zu erzählen …

San Francisco im Jahre 2037. Der dritte Weltkrieg hat auf der Erde deutliche Spuren hinterlassen. Radioaktive Strahlung hat den Himmel in bedrohliches Rot getaucht und viele Menschen mutieren lassen. Die körperlich entstellten Mutanten sind oftmals Zielscheiben für rassistische Anfeindungen. Doch die Zukunft bringt auch viele technische Annehmlichkeiten mit sich wie fliegende Automobile, Roboter, hochentwickelte Computertechnologie und dergleichen.

Am 08. November 2037 hat Carl Linsky, der allseits geschätzte Professor für Neuropsychologie, Selbstmord begangen, indem er sich von der Golden Gate Bridge stürzte. Dessen Tochter Sylvia glaubt nicht an einen Selbstmord und wendet sich daraufhin an den erstbesten Privatermittler. Letztendlich findet sie sich im Büro des zugeknöpften und grünschnabeligen Detektivs Tex Murphy wieder, der damals noch ein waschechter Biedermann im schwarzen Anzug war. Der unerfahrene Spießer ist natürlich sofort hin und weg von der erotischen Schönheit und nimmt den Auftrag gerne an. Noch weiß er nicht, dass er in eine äußerst brisante Sache hineingerutscht ist. Recht bald muss er sich gegen eine rechtsradikale Partei und einen fiesen Auftragskiller zur Wehr setzen um das Geheimnis des ominösen Overlord-Projekts zu entschlüsseln an dem Sylvias Vater beteiligt war.

Es handelt sich also um ein Remake des allerersten Tex Murphy-Abenteuers „Mean Streets.“ Um die Handlung und die Charaktere besser an die FMV-Sequels anzupassen, wurden natürlich gewisse Änderungen vorgenommen. So hat man die Timeline vom September 2033 in den November 2037 verschoben, Tex Murphy zu einem langweiligen Spießer degradiert und viele andere Änderungen vorgenommen. Manche davon sind durchaus willkommene Verbesserungen. Alle wichtigen Nebencharaktere wurden nun wesentlich besser ausgearbeitet und haben endlich eine vernünftige Persönlichkeit. Im Original hingegen waren sie wenig mehr als Informationsquellen. Bestes Beispiel hierfür ist wohl Sonny Fletcher, der in Mean Streets nur dieser degenerierte alte Detektiv war, der uns ein paar Geldscheine abnötigte. In Overseer hingegen haben wir einen gebrochenen Mann vor uns, der einem schnell ans Herz wächst und sowohl Tex als auch den Spieler keinesfalls unberührt lassen wird. Leider kann ausgerechnet Hauptcharakter Tex Murphy nicht mit dem Mean Streets-Original oder dem aktuellen Murphy von 2043 mithalten. Wo er in Mean Streets noch als harter Kerl konzipiert wurde und der aktuelle Murphy durch seine gewohnt trottelig-sympathische Art gefällt, langweilt die 2037er Overseer-Variante durch sein spießiges Biedermann-Auftreten. Im ernst, der würde selbst in einem x-beliebigen ARD- oder ZDF-Krimi als zu langweilig empfunden werden. Ja, mir ist natürlich bewusst, dass er absichtlich so konzipiert wurde, damit man vernünftig darstellen kann wie er sich zu der Person gewandelt hat, die man letztendlich liebgewonnen hat. Ändert aber auch nichts daran, dass man in diesem Spiel mit einem recht blassen Anzugträger unterwegs ist. Und genau darum spielt man schließlich Computer- und Videospiele, damit man in die Haut eines uninteressanten Spießers schlüpfen kann!

Verbesserungen, Simplifizierungen und jede Menge Desktop Crashes

Das Gameplay von Tex Murphy: Overseer basiert natürlich in erster Linie auf dem Vorgänger The Pandora Directive. Da es sich um ein Remake handelt, sucht man natürlich auch automatisch nach Elementen aus dem Originaltitel Mean Streets. Aber alles der Reihe nach.

Das Spiel ist abermals ein Mix aus FMV-Film- und Dialogsequenzen sowie Erforschung von 3D-Spielumgebungen. In Letzteren sind selbstredend Items aufzuspüren um mit diesen einige Inventar-/Hotspoträtsel zu lösen. Kernbestandteil der geistigen Ertüchtigungen sind jedoch auch hier die „Jigsaw-Puzzles“ die für so manch rauchenden Kopf sorgen werden. Anfangs haben mir die Puzzle-Mechanismen besser gefallen als im Vorgänger, aber leider werden einem später auch einige dicke Eier ins Nest gelegt. Zum Beispiel so ein doofes Soundpuzzle wo man einen Code aus Tonhöhen wiedergeben soll – ich hasse solche Aufgaben! Oder wie wär’s mit dem Schachrätsel zum großen Finale? Derlei „Puzzle“ sind dermaßen Speziell, dass sie schon nahezu Fachkenntnisse voraussetzen (oder eben erbarmungsloses Trial & Error) und das kann nicht Sinn der Sache sein. Tut mir ja leid, dass ich nicht in der Lage bin die akustischen Feinheiten einer Tonleiter herauszuhören und null Ahnung von Schach habe, aber sowas muss wirklich nicht sein. Wobei man aber auch fairerweise zugestehen muss, dass es natürlich auch dieses mal wieder eine ausführliche Hint-Funktion mit integrierten Codes gibt, die man verwenden kann um besonders lästige Puzzles oder Spielpassagen zu überwinden. Mit „Spielpassagen“ meine ich übrigens einige störende Stealth-Abschnitte und das kryptische Alarmanlagen-System die gegen Ende des Spiels auftreten.

Bevor ihr das Spiel aber überhaupt beginnt, steht natürlich die Wahl aus den Schwierigkeitsgraden „Entertainment Level“ und „Game Players Level.“ Der Unterschied zwischen den beiden Graden beläuft sich abermals auf den maximal zu erreichenden Highscore sowie der Hint-Funktion. Spielt ihr im Game Players Level könnt ihr 4000 statt nur 1500 Punkte verdienen, weil die meisten Jigsaw-Puzzle in diesem Spielmodus mit einem Zeitlimit versehen werden, der einzig und allein bestimmt ob ihr die Bonuspunkte für die Lösung des besagten Puzzles erhaltet. Für den Bonus ist natürlich das vorgegebene Zeitlimit einzuhalten, was aber nicht wirklich reizt, da die Punkte auch hier keinen Zweck erfüllen – es sei denn natürlich man ist so kindisch um dadurch sein eigenes Ego aufzublasen. Wer von der Hint-Funktion Gebrauch machen möchte muss im Entertainment Level spielen oder eben vom Game Players Level in den Entertainment herunterschalten und dann wieder den letzten Spielstand laden um somit im Game Players Level weiterspielen zu können. Das ist leider unumgänglich, da man ärgerlicherweise nicht vom Entertainment Level auf den Game Players Level zurückschalten darf. Ganz ehrlich, der Sinn zweier unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade und eines Highscore-Systems hat sich mir schon im Vorgänger nicht erschlossen und tut es auch hier nicht. Das passt meines Erachtens einfach nicht zu einem Adventure-Spiel oder wurde hier zumindest eher schlecht als recht implementiert.

Aber nun gut, kommen wir zu etwas erfreulicherem, nämlich der Steuerung. Diese war in den Vorgängern nicht unbedingt das Gelbe vom Ei und hat nur für unnötigen Frust gesorgt. Access Software haben sich endlich erbarmt und die Steuerung generalüberholt. Statt mit der Maus bewegt man sich nun mit der Tastatur durch die Umgebung und noch besser: Das Spiel erlaubt die vollständige Konfiguration der Tastenbelegung! Somit kann man sich endlich eine vernünftige WASD-Steuerung zurechtlegen, was auch nötig ist, da die Vorkonfiguration ziemlicher Mist ist. Aber ich will mich nicht beschweren, denn im Vergleich zum Vorgänger ist das schon ein schierer Quantensprung nach vorne! Wer so wahnsinnig ist und weiterhin alles mit der Maus steuern will, kann auch ein Kontroll-HUD am unteren Bildschirmrand aufrufen.

Apropos HUD, auch dieses wurde Generalüberholt. Der zuvor notwendige Wechsel zwischen Fortbewegung und Erkundungsmodus via HUD wurde abgeschafft. Ihr könnt jetzt alles ohne nervigen Zwischenschritt untersuchen und aufsammeln. Dinge wie das Inventar oder die Reisefunktion werden aufgerufen, wenn ihr den Mauscursor an die Ränder des Bildschirmscreen bewegt, was nach kurzer Eingewöhnung problemlos funktioniert.

Da Overseer ursprünglich nur als eine Art glorifizierte Grafikdemo konzipiert wurde, hat man diverse Spielsysteme im Vergleich zum Vorgänger entschlackt oder entfernt. So wurde das Geldsystem wieder rausgeschmissen, was im Falle dieses Remakes jedoch schon irgendwie schade ist, da Geldverwaltung im Originalspiel Mean Streets ja ein wichtiges Spielelement war. Auch ein Gesinnungssystem, variable Storyentwicklungen und mehrere verschiedene Endings sucht man hier vergebens. Es gibt zwar wieder ein paar Multiple Choice-Dialoggeplänkel, aber nichts was dieses mal Auswirkungen auf die Story hätte. Was ich auch etwas schade finde, ist die Abstinenz eines frei begehbaren Stadtviertels, vergleichbar mit der geschätzten Chandler Avenue.

Darüber hinaus werden Fans von Mean Streets den Flugsimulator sowie die 2D-Schießpassagen vergeblich suchen. Die Ortschaften und Zeugen wählt man hier einfach aus einer Liste aus und die Schießeinlagen gibt es nur in Form einer Hommage in Form eines Arcade-Automaten auf den man gegen Ende des Spiels stößt. Tja, ihr seht schon, das Overseer in Sachen Gameplay nicht mehr viel mit Mean Streets zu tun hat. Natürlich erkundet man größtenteils dieselben Gebiete und spricht mit vielen Charakteren die man schon aus Mean Streets kennt. Es gibt auch einige nette Déjà-vu zu entdecken, aber abgesehen davon kann ich nicht so wahnsinnig viele Gemeinsamkeiten feststellen. Tex hat hier ja noch nicht mal mehr seine Sekretärin Vanessa zur Seite. Stattdessen wird ihre Funktion durch eine schnöde Vidphone-Suchmaschine ersetzt. Sorry, aber spätestens an diesem Punkt war ich schon enttäuscht. Overseer unterscheidet sich so stark von Mean Streets dass sogar der Begriff Remake irreführend wirkt. Es erweckt irgendwie den Anschein als wollte man Mean Streets aus dem Tex Murphy-Universum verbannen und das finde ich nicht gut, da mir Mean Streets wesentlich besser gefällt als die Hälfte der Fortsetzungen.

Der größte Schwachpunkt offenbart sich aber erst gegen Ende des Spiels. Zwar gewöhnt man sich auch vorher schon an Desktop Crashs, die immer wieder nach einer gewissen Spieldauer auftreten, doch gerade die finalen Spielabschnitte sind dermaßen schlampig programmiert worden, dass das Spiel sofort nach einem virtuellen Tod abschmiert – und der Tod kann in einigen Abschnitten der finalen Gebiete sehr schnell auftreten! Der Hammer waren jedoch jene Spielabschnitte die dermaßen verbuggt waren, dass das Spiel immer crashte wenn man sich den Wänden zu sehr näherte. Ich wäre an dieser Stelle beinahe verzweifelt und hätte fast das Handtuch geworfen. Die gute alte Internetrecherche hat mir da natürlich ordentlich weitergeholfen doch noch den sehenswerten Abspann zu sichten. Dennoch ist dies einfach eine unverzeihliche Schlamperei ein dermaßen instabiles Spiel auf den Markt zu schmeißen. Diese Kritik richtet sich sowohl an Access Software als auch GoG die nicht in der Lage waren das Spiel nach über 17 Jahren vernünftig zu reparieren. Ist ja nicht so dass GoG für dieses Spiel 10 $ verlangt. Das alles ist überaus schade, denn bis zu diesem Punkt habe ich auch Tex Murphy: Overseer trotz aller Motzerei als gutes Spiel empfunden. Aber die Crashs haben mir das Spiel dann doch ziemlich verhagelt.

Grafik, Sound und weiteres

Natürlich kann man von einem Spiel, welches ursprünglich als Grafik- und Techdemo konzipiert wurde in optischer Hinsicht einiges erwarten. Auch wenn ich keine großen Vergleiche zu anderen Spielen der damaligen Zeit aufstellen kann, so ist doch festzuhalten, dass die 3D-Passagen von Overseer deutlich hübscher aussehen als jene der Vorgänger. Außerdem wurde die Auflösung von 640×480 auf 800×600 Bildpunkte erhöht. Ein angemessener Qualitätssprung ist also deutlich zu erkennen. Lediglich dieses alte Indianer-Bergdorf sieht ziemlich mies aus, ist aber auch das einzige Outdoor-Gebiet im Spiel. Ansonsten ist man in geschlossenen, oftmals kleinen Räumen unterwegs, die dafür aber auch abwechslungsreich und detailliert gestaltet wurden.

Die FMV Film- und Dialogsequenzen sind mindestens auf dem selben Niveau wie jene von The Pandora Directive. Vereinzelte Sequenzen wirken sogar eindeutig hochwertiger und professioneller. Der Verdienst geht natürlich auch an die Schauspieler, die i.d.R gute Arbeit leisten. Abgesehen von Chris Jones als Tex Murphy und Suzanne Barnes als Chelsee Bando bekommt man hier übrigens fast nur neue Gesichter zu sehen. Man hat auch hier keine Mühe gescheut professionelle Schauspieler wie Michael York oder Richard Norton zu engagieren.
Alles in allem kann das Spiel in grafischer Hinsicht durchaus als gelungen betrachtet werden.

Abermals haben wir es mit einem Soundtrack zu tun, der sich zwar gut ins Spielerlebnis einfügt, aber eben nicht herausragt oder gar erinnerungswürdig ist. Einzige Ausnahme ist der tolle Ending-Credits-Song „Trying to Try“ der von Richie Havens performt wird. Die Sprachausgabe ist natürlich nicht zu bewerten, da sie an die schauspielerische Leistung der Akteure gekoppelt ist und die ist meiner Meinung nach recht gut. Als interessante Randnotiz sei noch erwähnt, dass Tex Murphy: Overseer nicht nur als CD-Rom, sondern auch als DVD-Rom-Version veröffentlicht wurde, womit es wohl eines der ganz frühen PC-Spiele war, welches die neue DVD-Technologie verwendete. Witzig war auch die Idee die Big Box-Verpackung mit einem kleinen LED-Lämpchen zu versehen, welches die Aufmerksamkeit der Käufer wecken sollte. Man hat sich also einiges einfallen lassen, um das Produkt interessanter zu gestalten.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
68
68
-
Multiplayer

FAZIT

Tex Murphy: Overseer ist leider einer der eher unbefriedigenden Serienteile. In erster Linie nagen natürlich die ätzenden Desktop Crashs an den Nerven, die zumindest die letzten Spielabschnitte ungenießbar machen. Abgesehen davon ärgert man sich über herausgeschnittene Features und mangelhaften Bezug zur Vorlage. Letzterer Kritikpunkt bezieht sich natürlich auf das Gameplay, welches mehr mit dem Vorgänger The Pandora Directive gemein hat, als mit Mean Streets, auf dem dieses Remake ja schließlich basiert. Immerhin gibt es auch deutliche Verbesserungen im Bereich Steuerung, Grafik und Charaktere. Für eine gute Wertung reicht aber selbst dies nicht, wenn die letzten Spielstunden durch konstante Crashs zur Qual verkommen.

- Von  Volker

MS Windows

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