Syberia 3 REVIEW
Gut 13 Jahre sind seit der Veröffentlichung von Syberia 2 vergangen. Das ist eine ziemlich lange Zeit, vor allem in der stets den aktuellen Trends und den technischen Fortschritt jagenden Videospielbranche. Das nach all dieser Zeit nun ein dritter, die Serie abschließender Teil erscheint, grenzt fast schon an ein kleines Wunder. Immerhin wurde Syberia 3 erstmals 2009 angekündigt, aufgrund diverser Ungereimtheiten zwischen Entwickler Microïds und Autor Benoît Sokal verzögerte sich die Fertigstellung aber immer weiter nach inten. Dies merkt man dem fertigen Spiel leider auch an. Technische Schwierigkeiten und haufenweise Bugs geben sich munter die Klinke in die Hand. Haben Fans umsonst gewartet?
Aufbruch in ein neues Abenteuer
Wir erinnern uns: in den Teilen 1 und 2 begab sich die junge New Yorker Anwältin Kate Walker im Auftrag ihrer Kanzlei nach Europa, um den Erfinder Hans Voralberg ausfindig zu machen und zu einer Überschreibung seines Besitzes zu drängen. Letztlich kam aber alles ganz anders, denn Kate erlebte hing ihren Job quasi an den Nagel und erlebte ein Abenteuer, welches sie schließlich gemeinsam mit Voralberg auf die sagenumwobene Insel Syberia brachte, wo die letzten noch lebenden Mammuts zu finden sind. Bei Spielstart von Syberia 3 sind diese Geschehnisse lediglich ein paar Tage alt.
Irgendwo in der verschneiten Einöde Russlands wird die bewusstlose Kate Walker von den Youkol, einem alten Nomadenvolk, aufgegabelt. Tage danach wacht die sieh in der Heil- und Nervenklinik der kleinen Stadt Valsembor, nicht wirklich wissend, was eigentlich geschehen ist. Die dortigen Ärzte sind ihr nicht sonderlich freundlich gesonnen und wollen Kate trotz Genesung nicht so recht gehen lassen. Ähnlich ergeht es Kurk, dem Anführer der Youkol, welcher an einer seltsamen Apparatur fixiert ist. Nur zu seinem besten, wie es heißt…
Als Kate es schließlich doch irgendwie schafft aus der Klinik zu entkommen, erfährt sie mehr vom Schicksal der Youkol, die sich aufgemacht haben, um ein eine spirituelle Reise durchzuführen. Das stößt bei den Einheimischen allerdings auf wenig Gegenliebe, und so sehen sich die Nomaden Ressentiments und Diskriminierung ausgesetzt. Das kann Kate natürlich nicht so stehen lassen und entschließt sich den Youkol bei ihrer beschwerlichen Reise zu helfen.
Jules Verne lässt grüßen
Syberia 3 knüpft direkt an die Geschehnisse des Vorgängers an und führt die Geschichte um Kate Walker fort. Das zwischen Teil 2 und 3 beinahe 13 Jahre liegen und viele Spieler wohl die ursprüngliche Geschichte nicht mehr ganz zusammenbekommen werden, hat die Entwickler leider nicht dazu ermuntert eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse zu liefern. In den Texten der Ladebildschirme und teilweise in Selbstgesprächen von Kate wird zwar immer mal wieder Bezug auf die Vorgänger genommen. Wer als Neueinsteiger zum ersten Mal einen Teil der Reihe spielt, wird aber komplett außen vorgelassen, denn etablierte Begriffe und Charaktere werden als gegeben hingenommen und nicht weiter erklärt.
Dennoch können auch komplette Neulinge prinzipiell– mit entsprechenden Abstrichen – einsteigen, denn die Geschichte funktioniert zu großen Teilen eigenständig, wenn auch die emotionale Bindung zur Hauptfigur und ihren Erlebnisse fehlt. Erneut vermischt der für die Reihe verantwortliche Autor Benoît Sokal Elemente aus Jules Verne und anderen literarischen Werken, verleiht seiner Faszination für Steampunk Ausdruck und spricht Themen wie Rassismus und Diskriminierung an. Das hat aufgrund der Flüchtlingskrise und dem Aufstieg der neuen Rechten in ganz Europa einen starken Aktualitätsbezug, der vom belgischen Autor auch so gewollt ist. Darüber hinaus fallen auch Anklänge an die Atomkatastrophe von Tschernobyl, die zum durchaus kritischen Umgang mit dem menschlichen Fortschrittsgedanken genutzt werden.
Die Geschichte ist erneut einer der großen Antriebsfaktoren und hat mich gut unterhalten. Allerdings kann Kate´s neues Abenteuer nicht so ganz mit den Vorgängern mithalten. Der Schwenk hin zu einer sich mit aktuellen politischen Geschehnissen beschäftigenden Story funktioniert gut, große Überraschungen bleiben aber aus. Zudem sind die Bösewichte so stark überzeichnet, das sie beinahe lächerlich wirken und nicht ernstzunehmen sind. Auch die Porträtierung der Youkol verursacht zuweilen Fremdscham. Kate Walker, der dem Alkohol verfallene Kapitän Obo und einige andere Charaktere sind hingegen stimmig und sympathisch skizziert. Außerdem wirkt die Geschichte etwas konstruiert, denn an sich ist das Abenteuer von Kate mit Teil 2 passend zu Ende geführt worden.
In puncto Atmosphäre knüpfen die Entwickler hingegen erneut an altbekannte Stärken an. Die sich aus verschiedensten Einflüssen und einem Hang zur Melancholie zusammensetzende Grundstimmung schafft etwas ganz Eigenes, das man so im Genre selten findet. Insbesondere beim Art-Design zeigt sich einmal mehr die große Kreativität der Macher und auch die orchestrale Musik ist ein großer Pluspunkt des Spieles.
Ein bisschen hui, ein bisschen pfui
Waren die Vorgänger noch klassische Point & Clicks mit in 2-D vorgerenderten Hintergründen, so ist Syberia 3 ein komplett in 3-D gestaltetes Adventure. Dieser Wechsel wirkt sich zuweilen auf die Spielmechanik, vor allem aber auf die Steuerung aus. Diese ist diesmal – auch auf dem PC! – auf den Controller ausgelegt und erlaubt es Kate direkt zu steuern. Mmit interessanten Orten, Objekten und Charakteren wird mithilfe eines Radmenüs interagiert. Im Grunde funktioniert das gut, leider fühlt sich die Steuerung aber träge und ungenau an. Kann ich in einer Szene etwa mit mehreren Objekten interagieren, so muss ich mit dem rechten Analogstick zwischen diesen hin- und her schalten. Das funktioniert nicht immer gut, wirklich ärgerlich wird es aber bei den Rätseln.
So gibt es diverse Denk- und Logikaufgaben, in denen man einen Gegenstand mit gehaltener Aktionstaste „nehmen“ und dabei mit dem linken Analogstick drehen muss. An einer Stelle muss ich auf diese Weise etwa die Glasabdeckung einer Uhr öffnen, um an die Zeiger zu gelangen. Bis das aber funktioniert hat, sind einige nervenzehrende Momente vergangen. An anderen Aufgaben saß ich gar mehrere Minuten, denn obwohl ich eigentlich richtig vorgegangen bin, so wollte das Spiel dies nicht richtig erkennen.
Die Rätsel an sich sind hingegen nichts besonders. Häufig muss man mit speziellen Items eine Tür öffnen oder eine Apparatur in Gang setzen. Das Finden der benötigten Gegenstände ist nicht immer einfach, da es kaum optische Hinweise in der Spielwelt gibt und man schnell an wichtigen Objekten vorbeilaufen kann. Der Anspruch der Rätsel ist auf einem mittleren Niveau angesiedelt, oftmals erklärt sich die Lösung von selbst. Es gibt leider aber auch einige Aufgaben, die sich jeglicher Logik entziehen und bei der man dreimal um die Ecke denken oder die richtige Lösung googeln muss.
Komplett neu für die Serie ist hingegen das Dialogsystem, welches es uns erlaubt aus einer Auswahl vorgegebener Antwortmöglichkeiten zu wählen. Dies soll laut Entwickler teilweise auch Einfluss auf den Verlauf der Geschichte haben, wirkliche Konsequenzen konnte ich aber nicht ausmachen. Zwar gibt es einige Dialoge, in denen ich mein Gegenüber überzeugen muss. Gelingt mir dies nicht auf Anhieb, so dauert der Dialog aber lediglich etwas länger, als wenn ich sofort die richtige Antwort finde und das Gespräch dadurch abkürze.
Technischer Totalausfall
Bis hierhin ist Syberia 3 ein stimmiges, nicht immer packendes, aber doch unterhaltsames Abenteuer mit solidem Gameplay. Was dem Titel aber sehr schwer zusetzt ist seine technische Umsetzung. Diese ist nämlich eine Katastrophe ersten Grades und dürfte vielen Spielern die Laune ordentlich vermiesen. Ich habe das Spiel auf einer normalen PlayStation 4 getestet, eine Version für die Xbox One und den PC gibt es ebenfalls. Obwohl die grafische Qualität schon vor 5, 6 Jahren als altbacken abgetan worden wäre, hat Syberia 3 enorme Schwierigkeiten. Die Bildrate schwankt gewaltig, konstante 30 Bilder habe ich vielleicht in zwei, drei Szenen in sehr engen Räumen gesehen. Ansonsten fallen die Frames schneller in den Keller, als es mir lieb ist, und ein beinahe dauerhaftes Ruckeln macht sich breit.
Ich könnte dies mit rosarot aufgesetzter Brille ja noch verkraften, wären da nicht auch noch die vielen anderen technischen Unzulänglichkeiten. CGI-Videos sind enorm niedrig aufgelöst und liegen lediglich in beschämender SD-Qualität vor, Clipping-Fehler treten zuhauf auf, ebenso wie andere Bugs, in denen ich Kate nicht durch einen Gang bewegen oder eine Treppe hinauf laufen lassen kann. Spielabstürze und Probleme mit der festen Kamera, die Kate einfach nicht mehr folgen wollte, gab es ebenso während meines Tests.
Oben drauf kommt noch die schwache Sprachausgabe. Während zumindest Protagonistin Kate noch ganz gut vertont wurde, fallen die Sprecher aller anderen Figuren durch. Besonders merkwürdig wird es, wenn alte Figuren von gefühlt jugendlichen Sprechern vertont wurden. Von der nicht vorhandenen Synchronität der Lippenbewegungen, den hölzernen Mimiken und Animationen will ich jetzt erst gar nicht anfangen.