Paranormasight: The Seven Mysteries of Honjo REVIEW
Es gibt Spiele, über die sollte man am besten nichts wissen. Paranormasight: The Seven Mysteries of Honjo schlägt in diese Kerbe, daher mache ich es für Interessierte an dieser Stelle einmal ganz kurz: wer auf Visual Novels mit Gruseleinschlag und klugen Gameplay-Mechaniken steht, die mitunter die vierte Wand brechen, ist hier genau richtig. Wenn euch dann noch der visuelle Look gefällt, ihr einen der besten Games-Scores der letzten Jahre hören wollt und auf dem PC oder der Nintendo Switch unterwegs seid, dann schlagt zu oder setzt es euch auf die Wunschliste. Denn das von Square Enix veröffentlichte Spiel ist nicht nur in seinem Genre ziemlich stark, sondern für mich schon jetzt eines der Highlights des Jahres 2023. Für alle, die doch ein bisschen mehr wissen wollen, gibt es im Folgenden natürlich noch ein paar mehr Infos und Eindrücke.
Ist es wirklich so gut? JA!
Ich gehe an dieser Stelle so vorsichtig vor, da ich niemanden das Erlebnis nehmen möchte, welches ich hatte. Bis vor knapp zwei Wochen wusste ich nämlich gar nichts über Paranormasight, welches im Rahmen der letzten Nintendo Direct angekündigt wurde, aber dort nur Teil der japanischen Präsentation war. Zum Glück hat sich Square Enix auch für eine Veröffentlichung außerhalb Japans entschieden, denn Paranormasight ist eines dieser Spiele, denen ich zutraue, sehr schnell einen gewissen Kultstatus aufzubauen. Ja, es ist so gut. Wirklich!
Das ich ein bisschen um den heißen Brei rede, liegt übrigens nicht direkt an der Geschichte. Das Spiel hält zwar ein paar interessante Twists und Wendungen bereit, allerdings finden diese recht spät in der Story statt und wären daher ohnehin nicht Gegenstand meiner Besprechung gewesen. Also, ein kurzer Abriss: Die Geschichte ist in den 1980er Jahren angesiedelt und folgt mehreren Figuren, die über Nacht Zugriff auf Flüche bekommen. Die Flüche wiederum gehen allesamt auf urbane Legenden zurück, die sich einst in Honjo, einer Nachbarschaft des Tokyoter Stadtteils Sumida abgespielt haben sollen. Die neuen Besitzerinnen und Besitzer der Flüche bekommen die Möglichkeit, einen verstorbenen Menschen durch ein Ritual wieder zum Leben zu erwecken. Der Haken an der Sache: Bevor sie das Ritual durchführen können, müssen sie ihre Flüche benutzen und mit diesen andere Menschen töten.
Die unsichtbare Hand
Die Story folgt insgesamt sechs Personen. Zwei Schülerinnen, einem Polizisten-Duo sowie einer Mutter und einem Privatermittler. Der Cast umfasst noch weitere Figuren, die durchaus zentral für die Handlung sind. Das eigentlich Interessante ist aber das Fehlen einer Spielfigur. Zwar „steuert“ man die Geschehnisse, erkundet die verschiedenen Schauplätze und wählt in den Dialogen Antworten aus, allerdings schlüpft man als Spieler/Spielerin nicht direkt in die Rolle der Hauptfiguren. Stattdessen ist man quasi eine nicht sichtbare Entität, welche die Geschicke und Entscheidungen der Figuren beeinflusst. Diese spüren unsere „unsichtbare“ Hand mitunter übrigens, denn immer wieder bricht Paranormasight die vierte Wand und das auf teilweise ziemlich kreative Art und Weise.
Das Gameplay macht im Laufe der rund zehnstündigen Geschichte ein paar einfallsreiche Dinge. Und das ist das eigentlich spannende, denn im Wesentlichen sind Visual Novels ja vor allem mehr oder weniger interaktive Geschichten, die sich hauptsächlich auf die Narration konzentrieren und das, was im breiten Verständnis Gameplay ist, ausklammern. Man liest den Text und muss gelegentlich Entscheidungen treffen, die den Verlauf der Handlung beeinflussen können. Diese Entscheidungen führen oft zu unterschiedlichen Enden oder Zweigen innerhalb der Geschichte und können auch den Fortschritt der Beziehungen zwischen den Figuren beeinflussen. Das alles ist auch in Paranormasight der Fall. Es gibt aber immer wieder Stellen, in denen man zweimal um die Ecke denken muss. Es gibt zum Beispiel einen Fluch, bei dem unsere Schützlinge sterben, sobald sie einen bestimmten Gesang hören. Damit man an dieser Stelle weiterkommen kann, muss man eine bestimmte Aktion ausführen, nicht direkt im Spiel selbst, sondern im Optionsmenü. Dieses Spiel mit der Metaebene wird einige Male unternommen, aber nicht so häufig, dass der Effekt verkommt.
Gekonnter Horror
Neben diesen Einfällen auf spielmechanischer Ebene ist es für mich vor allem die Stimmung, die Paranormasight so besonders macht. Es herrscht jederzeit eine wohlig gruselige Atmosphäre, die manchmal in mitunter ganz schön verstörenden Szenen mündet, meistens aber den Grusel nicht weiter ausspielt, sondern ihn einfach konstant an der Oberfläche schwellen lässt.
Man merkt dem Spiel sein eher niedriges Budget an, gleichzeitig haben die Entwickler aus den geringen Möglichkeiten aber ein Maximum herausgeholt. Für die Hintergründe wurden vor Ort mit einer 360-Grad-Kamera aufgenommene Bilder genommen, diese aber mit einem Filter abgeändert. Diese noch als reale Aufnahmen erkennbaren Hintergründe alleine erzielen schon einen unwohlen Effekt und bestätigen damit eine der wichtigsten Thesen für guten Horror: Unheimlich ist vor allem die Realität. Die Figuren hingegen sind allesamt gezeichnet, heben sich aber angenehm von anderen Visual Novels aus Japan ab. Der eigentliche Knaller ist aber die Musik, die munter zwischen melancholischen Klängen, düsterer Ambient-Musik und fröhlichen Jazz hin und her wechselt. Ich hätte an dieser Stelle gerne eine Kostprobe verlinkt, leider gibt es den Soundtrack derzeit weder auf YouTube noch auf einen der gängigen Streaming-Portale. Wenn irgendjemand das hier bei Square Enix liest, macht da bitte mal was!
Pro & Kontra
- gekonnte Genre-Mischung mit urbanen Legenden und Okkultismus
- einfallsreiche Gameplay-Mechaniken, bei denen man um die Ecke denken muss
- gelungener Artstyle, der reale Aufnahmen gekonnt verfremdet und dadurch unheimlich wirken lässt
- absolut grandiose Musik
- keine deutschen Texte