Paper Mario: Color Splash REVIEW
Obwohl Nintendo noch vor einigen Monaten versprochen hat die Wii U auch weiterhin mit neuer Software zu unterstützten, so sprechen die Taten des Unternehmens mittlerweile für sich. Keine nennenswerten First- oder Third-Party Releases in den vergangenen Monaten und selbst zum Weihnachtsgeschäft wird es für Besitzer der aktuellen Nintendo Konsole kein frisches Futter geben. Stattdessen scheint der Fokus der gesamten Nintendo Welt (der Entwickler und der Fans) mittlerweile auf der Switch (NX) zu liegen, die im März 2017 erscheinen soll. Lediglich mit dem dieser Tage veröffentlichten Paper Mario: Color Splash liefern die Japaner doch noch einmal ein neues Spiel für das aktuelle System. Dessen Ankündigung auf der diesjährigen E3 sorgte allerdings für viel Unmut bei den Fans: zu sehr wirkte der Titel wie ein schnell dahinprogrammierter und wenig liebevoller Abschied von der aktuellen Heimkonsolengeneration, zu stark die Anlehnung bei dem bei Fans regelrecht verhassten Vorgänger Paper Mario: Sticker Stars. Ausgerechnet in einer solchen „mit dem Rücken gegen die Wand“ Situation scheint Nintendo aktuell aber mal wieder zu alter Stärke zu finden.
Heile Videospielwelt
In gewisser Weise führt Nintendo mit Paper Mario: Color Splash eine vor vielen Jahren wohl eher unbeabsichtigt begonnene Tradition fort. Denn ähnlich wie der nun für die Wii U veröffentlichte Titel, so erschienen die Vorgänger auf dem Nintendo 64 und Gamecube zum Ende des jeweiligen Konsolen-Zyklus und bescherten Fans zum Abschluss noch einmal richtige Knaller. Nehmen wir einmal die Wii und Nintendo 3DS Ableger beiseite, so knüpft der nunmehr fünfte Ableger mit Mario in Papierform an dieses Erbe an – und beschert der Wii U einen ihrer vielleicht besten Titel.
Warum? Weil sich Nintendo und das hauseigene Studio Intelligent Systems an jene Stärken orientieren, die das Unternehmen und ihre Spiele über mittlerweile 30 Jahre hinweg so fantastisch und zeitlos machen. Nein, sonderlich innovativ ist Paper Mario: Color Splash nicht, vor allem ist es nicht frei von Fehlern oder seltsamen Designentscheidungen und der Beginn auch noch Zäh wie das Gerangel um die finale Enthüllung der NX Konsole. Aber die Japaner haben es mal wieder geschafft mich die Zeit vergessen zu machen und in der kindlichen und herrlich verspielten Welt abtauchen zu lassen. Und das ist in der heutigen Videospiellandschaft noch sehr viel mehr wert, als vor 10, 15 Jahren.
Magische Momente
In der Vergangenheit war Paper Mario immer wieder ein willkommenes Vehikel um frische Ideen auszuloten, die man in normalen Mario Spielen so eher nicht umsetzen könnte. Diesen frischen Wind unter den Segeln des Klempners beschert uns Color Splash zwar in spielerischer Hinsicht nicht. Dafür bietet das Spiel aber ein Füllhorn an tollen Momenten und Ideen und das eigentlich sehr geradlinige Gameplay wird immer wieder durch überraschende Wendungen aufgebrochen. Ich denke da beispielsweise an den Spukhotel Level, der mich mit seinen Anleihen an The Shining und Luigi´s Mansion und seiner (im wahrsten Sinne des Wortes) schaurig-schönen Atmosphäre sofort gebannt hat. Oder den Moment, als mir an einer verzwickten Stelle das Ausschneiden erklärt wird, mit welchen ich Hintergründe im Level nutzen kann um zuvor unerreichbare Stellen zugänglich zu machen. Oder den unglaublich liebevollen und fantastisch lokalisierten Dialogen, die gewohnt feinsinnig Videospiele und sich selbst auf den Arm nehmen. Oder der Hommage an den vielleicht berühmtesten Videospiel Agenten…
Von diesen magischen Momenten habe ich einige erlebt und sie sind auch das, was Paper Mario: Color Splash für mich ausmacht. Gleichzeitig funktioniert aber auch das reine Spiel als Spiel wunderbar. Die von vielen Fans herbeigesehnte Rückkehr zu den Rollenspiel Wurzeln der Serie leitet Intelligent Systems aber nicht ein. Das ist bedauerlich, ja, allerdings scheint Nintendo in Sachen Mario und RPG mittlerweile auf die Handheld exklusive Mario & Luigi Reihe zu setzen. Paper Mario ist aktuell eben mehr Action-Adventure, das nur den groben Kern von einst beibehalten hat.
Same, same but different?
Dazu zählt unter anderem die Welt, die hier aber nicht ein zusammenhängendes Gebiet ist, sondern in verschiedene Levelabschnitte aufgeteilt ist. Diese erreicht man über die (sehr schön gestaltete) Oberwelt. Ein bisschen Rollenspielgefühl kommt allerdings trotzdem auf, denn die Level sind nicht nur zum Teil ziemlich groß, sondern erlauben es den Spieler auch sich in ihnen frei zu bewegen. In jeden Level muss man einen oder mehrere Farbsterne sammeln, woran uns natürlich mal wieder die Schergen von Oberbösewicht Bowser hindern wollen.
Dieser hat diesmal nicht nur Prinzessin Peach entführt, sondern zu allem Überfluss die Insel Prisma ihrer Farbe beraubt. Mario hat also an allen Fronten zu tun, denn nicht nur möchte die holde Prinzessin wieder bei ihren Freunden sein, auch wollen die Bewohner von Prisma die Farbe in ihrer Heimat zurückhaben. Nur gut, dass unser Begleiter – ein Farbeimer namens Farbian – uns nicht nur mit seinem Rat zur Seite steht, sondern uns auch einen Hammer gibt, mit welchen wir Farbe verteilen können und so nach und nach die Welt wieder zu ihrem alten Antlitz zurück verhelfen können.
Nerv lass nach
Beim Kampfsystem haben sich die Entwickler nicht durch das negative Echo von Presse und Spieler beirren lassen und setzen nach wie vor auf sammelbare Objekte (diesmal Karten anstelle von Aufklebern). Diese erhält man durch das Besiegen von Gegnern, man kann sie gegen Goldmünzen erwerben oder einfach so in den Level verstreut finden. Insgesamt lassen sich 99 dieser Kampfkarten tragen und genau hier zeigt sich auch die eklatante Krux des Konzepts.
Denn trägt man erst einmal 40, 60, 80 Karten gleichzeitig bei sich, so ist es einfach ein Graus sich auf dem Gamepad durch das entsprechende Menü zu klicken und die richtige Karte zu finden. Zwar gibt es eine Sortierfunktion, aber sonderlich leichter wird die Handhabung dadurch auch nicht. Ebenfalls eine seltsame Designentscheidung: manche Karten sind farbig, andere schwarz/weiß und müssen durch Wischen auf dem Touchpad eingefärbt werden. Anschließend „schnippt“ man die Karten ins Spiel und muss noch einmal ran, denn egal ob man nun Hammer-, Sprung- oder einen der anderen Angriffe wählt, stets muss man noch kleine Timingspiele erfolgreich absolvieren. Zwar muss man hier lediglich die A-Taste im richtigen Takt klicken, allerdings wird das mit der Zeit mühsam und gerade wenn man gegen drei oder mehr Gegner in einem Kampf antritt ist das Ganze mitunter fast schon zermürbend.
Immerhin kann man den Kämpfen teilweise ganz gut ausweichen, denn wie gewohnt sind die Gegner stets sichtbar und lassen sich mal mehr, mal weniger einfach umgehen. Wirklich wichtig für den Spielfortschritt sind die Kämpfe sowieso nur bedingt, denn ein Level-Up System gibt es nicht mehr. Lediglich die maximal tragbare Farbe und die maximale Lebensenergie können erweitert werden, was aber durch den eigentlichen Spielfortschritt von alleine geschieht.
Kreativität ist Trumpf
So starr sich das Kampfsystem zuweilen anfühlt, so genial ist Paper Mario: Color Splash glücklicherweise an anderer Stelle. Vor allem optisch spielt man hier wieder in einer eigenen Liga. Der Kartonmodell-Stil wurde konsequent durchgezogen und sorgte bei mir immer wieder für ein staunendes Lächeln auf dem Gesicht. Und auch bei den eigentlich bekannten Mario-Settings schaffen es die Entwickler noch immer kreative Impulse zu setzen und nicht nur farbenfrohe, sondern auch wunderschöne Welten zu schaffen.
Und auch spielerisch gibt es immer wieder Momente, in denen Intelligent Systems beweist, das selbst ein alter Haudegen wie Mario für ein paar neue Tricks und Kniffe zu haben ist. Dies gilt vor allem für die teils sehr kreativen Rätsel, die mitunter sogar ziemlich knackig sind und mich das ein oder andere Mal im Internet nach Rat haben suchen lassen.Aber auch kleine Plattformeinlagen und Geschicklichkeitstest sind vorhanden und lockern das Gesamterlebnis ungemein auf.