Marvelous: Another Treasure Island REVIEW

Die besten Spiele einer Konsole erscheinen oftmals eher zum Lebensende der jeweiligen Gerätschaft. Das liegt natürlich daran, dass die Entwickler die Hardware zu diesem Zeitpunkt fest im Griff haben und zum Abschluss noch mal was wirklich tolles abliefern wollen. Auch Nintendos Top-Down Action-Adventure „Marvelous: Another Treasure Island“ ist so ein besonders gut gelungenes Spiel, welches erst sehr spät im Lebenszyklus des SNES veröffentlicht wurde. In Japan erschien es damals am 26. Oktober 1996. Nun ist es aber auch nichts ungewöhnliches, dass Nintendo bei einer Eigenproduktion hohe Qualität abliefert. Umso ärgerlicher ist da natürlich, wenn Nintendo darauf verzichtet einen ihrer Hits im Ausland zu veröffentlichen. Die Marvelous-Reihe, welche neben „Another Treasure Island“ auch noch zwei Ableger für den „Satellaview“ hervorbrachte, stand ausschließlich dem japanischen Markt zur Verfügung.

Aber wenn es sich schon um einen Hit von Nintendo persönlich handelt, dann ist die Chance umso größer, dass dazu eine Fantranslation produziert wurde. Im Fall von Marvelous erschien der erste Abriss einer Fantranslation bereits Mitte 2012. Leider wurde das Projekt vom verantwortlichen Übersetzer „tashi“ zwei Jahre später unvollständig stehen gelassen. Erst im August 2018 wurde ein vollwertiger Translation-Patch vom Hacker „DackR“ veröffentlicht. Dies ist auch der Patch, den ich für meinen Spieldurchlauf verwendet habe und auf dem dieses Review basiert. Was Marvelous: Another Treasure Island alles zu bieten hat, will ich euch im folgendem Review aufzeigen.

Der Piratenschatz und die Lehrerin in Not

 

Vor langer Zeit wurde die See von gierigen Piraten beherrscht. Der berühmteste Pirat ist der legendäre Captain Maverick. Dieser taufte seinen größten Schatz „Marvelous“ und deponierte diesen in den Ruinen einer unbewohnten Insel. Selbstverständlich hat Maverick allerlei Puzzle- und Fallenmechanismen auf der Insel platziert, um seinen Schatz zu schützen. Er ging sogar so weit drei wichtige Schlüssel an die örtliche Affenkolonie zu übergeben. Diese dürfen die Schlüssel nur an drei würdige Kandidaten überreichen. Selbst heute noch ehren die Affen ihre Aufgabe, die sie seinerzeit von Maverick erhalten haben. Folglich hat es bislang auch niemand geschafft den Schatz zu bergen.

Dieser Tage wird die Schatzinsel als Sommercamp verwendet. Die allseits beliebte Lehrerin Ms. Gina ist gerade dabei ihre Schulklasse in Dreiergrüppchen aufzuteilen und jeder Gruppe eine spezifische Aufgabe zuzuteilen. Der kleine Dion, der dicke Max und der lange Jack bilden eine dieser Dreiergruppen und erhalten die Aufgabe Feuerholz zu sammeln. Gesagt getan, kurz nachdem sie ihre Aufgabe abgeschlossen haben, stoßen sie jedoch auf den kleinen Affen Winky. Dieser befindet sich auf der Flucht vor fiesen Piraten, welche seine Sippe eingefangen haben, um die drei Schlüssel von Maverick abzugreifen. Die drei Jungs beschließen die Affen zu retten, und bekommen von Winky die drei Schlüssel als Belohnung geschenkt. Mithilfe der Schlüssel gelingt es dem Trio eine geheimnisvolle Kristallsphäre zu erbeuten, die einen weiteren Schlüssel zu Mavericks Schatz darstellt.

Durch diesen Erfolg beschwören die Buben jedoch den Zorn von „King Blue,“ dem Anführer der Piratenbande. Die Piraten entführen Ms. Gina, um die Übergabe der Kristallsphäre zu erpressen. Was jedoch keiner der Beteiligten weiß, ist, dass die Sphäre nur eine von Vieren ist, und das in jeder Sphäre gewaltige magische Mächte schlummern, die in falschen Händen großes Unheil verursachen können. Und somit tappen dann auch King Blue und Co. in die Falle. Um ihre Lehrerin zu retten, müssen die Jungs Mavericks Piratenschiff flott machen und in See stechen um die übrigen Kristallsphären einzusacken. Nebenbei müssen sie aber auch die Probleme lösen, die von den magischen Artefakten verursacht werden. Keine leichte Aufgabe. Aber wer weiß, vielleicht winkt am Ende ja auch noch der berühmte Schatz Marvelous als Belohnung?

Marvelous erzählt eine kinderfreundliche Abenteuergeschichte, deren Star aber ironischerweise gar nicht der Namen-gebende Schatz, sondern viel eher die bizarren Auswirkungen der magischen Kristallsphären darstellen. Die Spannung erzeugt sich in erster Linie daraus, zu erfahren, welchen Mist denn nun die nächste Sphäre verursacht hat. Und das was die Dinger anrichten, kann manchmal auch überraschend gruselig sein. Da ist es irgendwie schade, dass es nur Vier von denen gibt.

Die eigentliche Haupthandlung rund um eine Maid, bzw. Lehrerin in Not (zu der man eh keinen großen Bezug hat) und einen ominösen Piratenschatz (an dem die drei Burschen eh kein echtes Interesse zu haben scheinen), wirkt da eher wie das Mittel zum Zweck. Leider hat man sich für stumme Protagonisten entschieden, was aber nicht so schlimm ist, da dafür die NPCs sehr kommunikativ ausfallen und eine gute Schreibe geboten wird. Schön ist auch, dass man auf so etwas wie einen obligatorischen Oberschurken verzichtet hat.

Mehr Adventure als Action

Um gleich mal die erste große Frage zu klären, die im Raum stehen dürfte: Nein, Marvelous ist kein Zelda-Klon! Nintendo war schlau genug dem Spiel, trotz seiner Nähe zum großen Bruder, einen eigenen Schwerpunkt und frische Ideen mit auf dem Weg zu geben. Das fängt schon damit an, das Marvelous einen wesentlich höheren Adventure-Anteil hat als Zelda. Zwar bietet auch dieses Spiel Echtzeit-Kämpfe und ein paar trickreiche Bosse, jedoch bilden hier die Abenteuer- und Rätselmechaniken den klaren Löwenteil. Prozentual würde ich die Gewichtung auf ca. 75 % Adventure und 25 % Action einschätzen. Das merkt man zum Beispiel auch daran, dass es im fünften und letzten Kapitel des ungefähr 10-15-stündigen Action-Adventures keinerlei Kämpfe mehr gibt. Obendrein orientieren sich die Rätsel auch gerne mal an denen von Computer-Adventures. Dementsprechend sollte man sich darauf einstellen auch mal Zahlenrätsel zu lösen oder sich detektivisch durch eine Dorfgemeinschaft zu quatschen, um notwendige Informationen zusammenzutragen. Sogar eines dieser fürchterlichen Schiebepuzzle hat seinen Weg ins Spiel gefunden.^^

Auf die Zelda-typischen Werkzeugrätsel braucht man deswegen jedoch nicht zu verzichten, denn auch diese spielen eine wichtige Rolle in Marvelous. Jeder der drei Jungs bekommt seine eigenen individuellen Gegenstände, mit denen diverse Hindernisse überwunden werden müssen. Dion erhält unter anderem einen Baseball samt Handschuh, mit dem er Gegner abschmeißen kann. Auch Laufschuhe gehen in sein Inventar, welche genauso funktionieren wie die Pegasus-Stiefel von Link. Max bekommt Fußballschuhe zum kicken oder eine Taucherbrille. Jack erhält hingegen die Sprungstiefel und eine Fernsteuerung zur Kontrolle von Robotern.

Die Werkzeuge sind Charakter-gebunden, das Spiel ist dabei derart aufgebaut, dass nur der vorgesehene Charakter sein Werkzeug einsammeln kann. Allgemeine Schlüsselgegenstände können hingegen von allen drei Burschen eingesackt werden. Der Austausch von Gegenständen zwischen den drei Inventarbehältern der Jungs ist jedoch nicht möglich, aber auch nicht gewollt, da Marvelous auf einen eher freundlichen Schwierigkeitsgrad abzielt. Es gibt sogar eine Hilfefunktion im Spiel. Auf Knopfdruck kann man den Vogel Pilac herbeirufen, der gegen Bezahlung einen konkreten Tipp springen lässt, was als nächstes zu tun ist. Verdammt fortschrittlich für so ein altes Spiel!

Das große Gimmick von Marvelous: Another Treasure Island ist jedoch, das man grundsätzlich in einer Dreiergruppe unterwegs ist, die man jedoch auch jederzeit aufsplitten kann. Diese Mechanik wird dazu genutzt, um Teamwork-Aufgaben abzuwickeln. Schwere Gegestände können nur angehoben oder weggeschoben werden, wenn man die Jungs entsprechend platziert hat, bevor man den Teamwork-Befehl eingibt. Und natürlich gibt es auch Orte, die nur von einem der drei Jungs betreten werden können oder mehrere Schalter, die man zur gleichen Zeit aktivieren muss usw.
Diese Mechanik bringt jedoch auch einen Schwachpunkt mit sich. Immer wenn man die Charaktere mit der Schultertaste durchschaltet, splittet sich die Gruppe automatisch auf. Dies bedeutet, das man die Gruppe erst einmal wieder per Y-Taste zusammenrufen muss, bevor man mit allen Drei auf einmal weitermarschieren kann. Dies klingt jetzt nach Erbsenzählerei, wird mit der Zeit aber verdammt nervig, da durch dieses konstante Gruppen-Mikromanagement leider auch der Spielfluss etwas ausgebremst wird.

Auch die Integration einer Cursorsteuerung verlangsamt den Spielablauf hier und da. Meistens wird der Cursor dazu genutzt, um in spezifischen Artwork-Sequenzen zu interagieren. Hat ein bisschen was von Wimmelbild und ist auch ganz witzig. Allerdings wird der Cursor ab und zu auch im Top-Down-Spielablauf benötigt. Zwar kann man auch direkt mit Hotspots und NPCs interagieren, wenn man direkt daneben steht, aber wenn mal was weiter entfernt liegt, muss man halt ein spezifisches Untermenü aufrufen und den Cursor navigieren. Auch der oben erwähnte Teamwork-Befehl, oder der Einsatz von Schlüsselgegenständen muss über diesen Zwischenschritt abgewickelt werden. Ist jetzt aber auch nicht so tragisch, wenn man begreift, das Marvelous eher ein Adventure als ein Action-Spiel sein möchte.

Ein weiteres Spielelement von Marvelous: Another Treasure Island ist die Integration von Buttonmashing- und Timing-Minispielen. Für manch einen stellen diese Art von Minigames ein Rotes Tuch dar, da sie oftmals eher nervig statt spaßig ausfallen. Glücklicherweise waren die Entwickler bei Nintendo klug genug diese Sequenzen nicht allzu penetrant zu kreieren. Blasenbehaftete Fingerkuppen á la Track & Field sind also nicht zu befürchten. Ein gewisses Maß an Mühe ist dann aber doch vorausgesetzt. Es gibt auch eine Art Geldsystem im Spiel. Die sogenannten „Luck Stones“ dienen einerseits als Bezahlung für Pilac und andererseits als Treibstoff für Mavericks Piratenschiff. Ab und zu gibt es auch andere Verwendungsmöglichkeiten für die Dinger, also seht zu, dass ihr so viele von denen einsackt wie möglich. Um permanente Sackgassen zu vermeiden, haben die Entwickler spezifische Minigame-Buden eingebaut, in denen man sich theoretisch unbegrenzt viele Luck Stones hinzuverdienen kann.

Marvelous bietet sogar eine Art Ranking-System zum Schluss. Je nachdem wie viele Luck Stones man zusammengespart hat und wie viele Sidequests man absolviert hat, desto zufriedener wird Ms. Gina mit eurem Dreier-Team sein. PS: Die Namenseingabe zu Beginn des Spiels ist der Teamname der drei Jungs.

Grafik und Sound

Wenn einem die Grafik von Marvelous bekannt vorkommt, dann liegt das einfach daran, dass hier dieselbe Grafikengine wie in „The Legend of Zelda: A Link to the Past“ verwendet wurde. Auch wenn die Grafik somit ein klein wenig angestaubt wirkt und vielleicht nicht ganz so hübsch und detailliert aussieht wie in vergleichbaren Spielen die in den finalen Jahren des SFC/SNES veröffentlicht wurden, so ist es dennoch beeindruckend wie gut diese Engine gealtert ist. Außerdem hat man sich hier viel Mühe bei den Animationen der Charaktersprites gegeben. Besonders die drei Protagonisten wurden mit viel Liebe zum Detail animiert. Wenn man etwa in der Dreiergruppe unterwegs ist, kann es da auch mal passieren, das die zwei Jungs die nicht vom Spieler gesteuert werden auf einmal eine kleine Verschnaufspause einlegen, Unsinn treiben etc. Solche Details bringen, nüchtern betrachtet, keinerlei Mehrwert ins Gameplay, zeigen aber mit wie viel Engagement die Grafiker gearbeitet haben und lassen das Spiel lebendiger erscheinen.

Auch der Soundtrack ist wunderbar gelungen und erzeugt einwandfreie Abenteuerlaune, die den Spielablauf hervorragend unterstützt. Wenn man hier etwas kritisieren kann, dann nur, dass Marvelous: Another Treasure Island einen Ohrwurm schuldig bleibt. Aber das stört hier nicht weiter, da bei Marvelous dann doch das Gameplay der wichtigste Aspekt ist und nicht die Präsentation. Außerdem können die zahlreichen und lustigen Soundeffekte wunderbar unterhalten.

Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pro
  • ist quasi eine gelungene Mischung aus Zelda 3 und PC-Adventure
  • bietet mit dem Konzept der Dreiergruppe auch eine eigene Idee
  • lupenreine, wenn auch etwas veraltete Grafik
  • guter OST und tolle Soundeffekte

thumbs-up-icon

Kontra
  • das Mikromanagement der Dreiergruppe kann nerven
  • der Abschlussdungeon im letzten Kapitel wirkt stark in die Länge gezogen

Facebook
Twitter
Spiel Bewertung
Singleplayer
88
88
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Marvelous: Another Treasure Island ist ein hervorragender Beitrag zum Kategorie der Top-Down Action-Adventures. Anders als viele andere Ableger dieser Nische vermeidet es das Spiel stur von Zelda abzukupfern, und zieht stattdessen größtenteils sein eigenes Ding durch. Besonders auffällig ist der Einfluss von PC-Adventures sowie die starke Reduzierung des Action-Aspekts. Zwar gibt es auch hier Kampfeinlagen, Bossgegner und Werkzeugrätsel, aber allein die Idee, dass man mit einer Dreiergruppe unterwegs ist, die sich aufsplitten lässt, gibt dem Spiel schon einen ganz eigenen Flair. Und da auch in den Bereichen Grafik, Sound und Story gehobene Kost geboten wird, kann man das Spiel nicht nur bedenkenlos empfehlen, sondern es auch als eines der besten SFC/SNES-Spiele bezeichnen, die leider nie den Weg aus Japan herausgefunden haben. Dieser Tage schaffen freilich Translation-Patches und Online-Auktionshäuser abhilfe.;)

- Von  Volker

Super Nintendo

Marvelous: Another Treasure Island REVIEW

USK 12 PEGI 7

Das könnte dir auch gefallen

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen

Partner: