Lady Sia REVIEW
Der Game Boy Advance ist schon ein feines Gerät. So manch einer bezeichnet das gute Stück ja auch passenderweise als tragbaren Super Nintendo und damit liegen sie auch gar nicht so falsch, denn wenn man sich mal die Spiele-Auswahl des Geräts anschaut, wird man auf viele „alte Bekannte“ stoßen. Ob nun die üblichen Verdächtigen aus dem Hause Nintendo (Mario, Zelda, …), diverse JRPG’s (Breath of Fire, Final Fantasy, …) oder sogar obskure Nischentitel wie Blackthorne: Sehr viele dieser Spiele kennt man schon vom SNES oder sogar noch vom NES. Abseits davon werden einem hauptsächlich diverse gammlige Lizenz-Games oder Spiele für bereits etablierte Maskottchen-Charaktere á la Sonic, Spyro und Rayman vorgesetzt. Nicht dass die genannten Titel und Umsetzungen schlimm wären, ganz im Gegenteil! Jedoch mangelt es dem GBA erheblich an eigenständigen Spielen und exklusiven Charakteren. Ende 2001 erbarmten sich die Entwickler von RFX Interactive, die zu dem Zeitpunkt schon einiges an Erfahrung auf dem Game Boy Color sammeln konnten, und schickten ihre blondhaarige Heldin Sia in ihr erstes und einziges Abenteuer. Ob sich der Game Boy Advance nun etwas auf seinen Exklusivtitel einbilden kann oder nicht, wollen wir in folgendem Review herausfinden.
Kampf den Furries!
Niemand konnte wissen, dass man dem bösartigen Zauberer Onimen Zugang zu einer uralten Macht ermöglichte, als man diesen auf die einsame Insel Callyge verbannte. Dank seiner neuen Möglichkeiten gelang es diesem eine Armee aus Mensch/Tier Hybridwesen zu kreieren mit deren Hilfe er nun die obligatorische Welteroberung anstrebt. Die T’soa, wie sich die Furries nennen, haben sich schon große Teile der Königreiche unter den Nagel gerissen. Die Prinzessin des Reiches Myriad, Lady Sia, findet dies nicht sonderlich witzig und versucht die anderen Herrscher zur Kooperation im Kampf gegen die T’soas zu bewegen. Aber wie Politiker nun einmal so sind, heißt deren Philosophie „Abwarten und Teetrinken.“ Eine Einstellung der Sia mit ihrer aufbrausenden Art nur schwer entgegenwirken kann. Da kommt die plötzliche Belagerung ihres Palastes gerade recht! Wutentbrannt stürmt die zornige Lady nach draußen um einige Furry-Ärsche zu versohlen. Doch die T’soa drehen den Spieß mühelos um und knüppeln unsere Heldin einfach von hinten nieder. Als Sia das Bewusstsein wiedererlangt findet sie sich, ihrer Ausrüstung und Fähigkeiten beraubt, in einer Kerkerzelle wieder. Doch sie hat Glück im Unglück: Eine vermummte Gestalt befreit Sia aus ihrer Zelle, drückt ihr ein Schwert in die Hand und lässt obendrein noch ein paar Tutorial-Lektionen springen. Mit dem Ratschlag, dass Sia erst einmal ihre alte Ausrüstung zurückzuerlangen solle, haut der mysteriöse Fremde auch schon wieder ab, womit es nun am Spieler liegt Sia auf ihrem Weg zu alter Größe zu unterstützen, die anderen Herrscher doch noch zu überzeugen und schlussendlich Onimen und dessen Furry-Armee das Handwerk zu legen.
Eine bahnbrechende Handlung sollte man bei solch einem Spiel natürlich nicht erwarten. Auch hier hat man eher den Eindruck, dass es nur darum geht das Abenteuer zu rechtfertigen als eine spannende Geschichte zu erzählen. Dabei ist der Handlungseinstieg dank des hübsch gezeichneten Intros durchaus liebevoll umgesetzt worden. Auch innerhalb des Spiels kommt es immer wieder mal zu kleineren Dialogen mit Nebencharakteren und Bossgegnern, wodurch das Spiel zumindest versucht etwas story-lastiger zu wirken als ein 08/15 Plattformer. Am ende kommt aber nicht wirklich was interessantes bei raus. Das Ending ist enttäuschend, unglaubwürdig und lässt obendrein auch noch Fragen offen – Alles andere als zufriedenstellend. Die Protagonistin wirkt durch ihre grantige Art auch nicht gerade liebenswert, während die Nebencharaktere und Feinde nur wie Statisten wirken. Aber na ja, was soll man auch groß von solch einem Spiel erwarten? Immerhin geht’s nicht schon wieder darum ne Prinzessin zu retten. Stattdessen spielt man hier die Prinzessin selbst und rettet an ihrer Seite das Königreich.
Kniffliger Action-Plattformer mit Bigfoot-Frauenpower
Wie in den meisten Plattformern geht’s auch in Lady Sia darum lebendigen Leibes zum Levelausgang zu gelangen, auf dem Weg zum Ziel diverse Gegner zu beseitigen, Items einzusammeln und knifflige Sprung-Passagen zu meistern. Hin und wieder gilt es natürlich auch einen Bossgegner zu bezwingen. Ein störendes Zeitlimit gibt es hierbei netterweise nicht.
Sia beherrscht eine Vielzahl nützlicher Fähigkeiten und Ausrüstungsstücke: Sie kann springen, schleichen, kriechen, Hebel umlegen, sich an Plattformen festklammern und an diesen hochziehen, mit dem Schwert zuschlagen, aufladbare Energieprojektile mit ihrem magischen Ring verschießen, drei verschiedene Zaubersprüche wirken und sich in einigen Bosskämpfen sogar in ein mächtiges Bigfoot-artiges Ungeheuer verwandeln. Die Steuerung leistet dabei in der Regel einen hervorragenden Dienst, auch wenn es hin und wieder zu kleineren Problemen kommen kann, wenn die Tasteneingabe nicht vernünftig erkannt wird. So gab es bei mir ab und zu Probleme beim betätigen eines Hebels oder beim festhangeln an Plattformen. Ist zwar nervig, aber nichts, was einem den Spielspaß ernsthaft verhageln könnte. Wirklich ärgerlich sind hingegen die Tastenkombinationen zum wirken der drei Zauber. Hier soll man Beat’em Up-artige Tastenmanöver durchführen, die für solch einen Plattformer nicht nur absolut ungeeignet sind, sondern bei mir in der Praxis zum Verrecken noch nie funktioniert haben! Ergo ist es mir nie gelungen einen der Zauber loszutreten, was glücklicherweise auch nicht notwendig ist um das Spiel durchzuspielen. Dennoch ein sehr ärgerliches Problem! Cool ist hingegen die Möglichkeit den Bildausschnitt mit den Steuerkreuztasten geringfügig anpassen zu können. Somit fällt es leichter die Level nach wichtigen Items abzusuchen und Plattformen außerhalb des GBA-Screens zu erkennen.
Das Spiel ist in vier Länder unterteilt die jeweils vier reguläre Level, einen Bosslevel und einen Bonuslevel beinhalten. Um den Bonuslevel freizuschalten muss man in den vier regulären Levels den maximalen Highscore von 100 Punkten erlangen. Dies ist jedoch wesentlich leichter gesagt als getan, da man hierfür pro Level nicht nur alle 25 Diamanten aufsammeln und alle fünf Gefangene befreien muss, sondern auch noch mit maximaler Lebens- und Manaenergie den Levelausgang erreichen soll. Und gerade an der Lebensenergie scheitert’s meistens, da die unterschiedlichen Gegner und Hindernisse nicht gerade zimperlich mit Sia’s Energieleiste umgehen, die in Form eines einzelnen Herzens dargestellt wird, welches sich bei Treffern immer weiter leert. Natürlich lässt sich verlorene Lebens- und Manaenergie mit entsprechenden Power Ups regenerieren, die meistens recht fair über die Levels verteilt wurden – nur für den 100 Punkte Highscore langt’s halt oftmals nicht. Dementsprechend werden auch nur die wenigsten Spieler die Bonuslevel zu Gesicht bekommen, was schon ärgerlich ist, da diese ja immerhin fast ein Fünftel des Gesamtumfangs ausmachen. Ich geb’s ja zu: Mir ist es nicht gelungen auch nur einen verdammten Bonuslevel freizuschalten! Dabei habe ich es wirklich versucht und würde mich nun nicht gerade als schlechten Spieler von Plattformern und Jump’n’Runs bezeichnen. Aber nun ja, Lady Sia ist generell nicht unbedingt ein leichtes Spiel. Auch wenn man auf den Bonuscontent pfeift und es einfach nur durchspielen möchte, wird man einiges an Geduld und Konzentration investieren müssen. Für Einsteiger ist der Titel also nicht wirklich zu empfehlen.
Schade ist das aber schon, denn die Level wurden sowohl in grafischer als auch spielerischer Hinsicht sehr liebevoll und abwechslungsreich gestaltet. So laden die Level durch das 100 Punkte Highscore-System immerhin zum ausgiebigen Erkunden ein, begehen dabei aber nie den Fehler allzu umfangreich und verwinkelt auszufallen. Kleinere Besonderheiten wie die Fahrt in einer Lore, Schalterrätsel oder Flugpassagen auf dem Rücken eines Riesenvogels sorgen für weitere Abwechslung. Absolute Highlights sind natürlich die Bosskämpfe, welche vor allem durch Sia’s Bigfoot-Verwandlung einen recht interessanten Aspekt darstellen. Als Bigfoot hat Sia natürlich individuelle Fähigkeiten wie den Erdbebenangriff oder das blitzschnelle Charge-Manöver, die auch bitter benötigt werden um die kniffligen Bosse erfolgreich in die Knie zu zwingen.
Darüber hinaus gibt es leider noch einige kleinere Dinge zu kritisieren: So verwendet das Spiel ein absolut überflüssiges Extraleben-System. Der Verlust aller Leben führt aber keine ernsthaften Konsequenzen nach sich, außer der Tatsache, dass man eventuell den Checkpoint des zuletzt besuchten Levels verliert. Unfairerweise werden gehortete Extraleben noch nicht einmal vom Batteriespeicher des Moduls aufgezeichnet. Wie gesagt: Nichts weiter als eine überflüssige Unannehmlichkeit. Wirklich nervig war jedoch eine scheinbar verbuggte Jump-Passage des dritten Levels im zweiten Land. Eine eigentlich simple Passage mit beweglichen Wolkenplattformen gestaltete sich als enorm nerviges Hindernis, weil die Kollisionserkennung an dieser Stelle komplett versagte. Aber mit entsprechender Geduld lässt sich auch diese Hürde überwinden.
Grafik, Sound und weiteres
Die größte Stärke des Spiels ist definitiv die schicke Grafik. Sowohl die Levelumgebungen als auch die Charaktermodelle präsentieren sich in schöner bunter 2D-Grafik. Auch die Animationen der Spielfiguren sehen echt toll aus und die liebevolle Introsequenz bietet beinahe schon Zeichentrick-Qualität. Die Ortschaften die man erkundet sind erfreulich abwechslungsreich und werden durch Parallax Scrolling untermauert. Sogar an Details wie variierende Charakterportraits neben den Textboxen wurde gedacht. Wenn es etwas an der Grafik zu kritisieren gibt, dann nur, dass es manchmal schwerfällt Plattformen von bloßer Hintergrunddekoration zu unterscheiden.
Der Soundtrack wirkt sehr gewöhnungsbedürftig und hat mir anfangs nicht unbedingt gut gefallen. Dies liegt wohl in erster Linie daran, dass er wirkt als wäre er für ein Spiel auf einem altem Heimcomputer wie C64 oder Amiga programmiert worden und nicht für den GBA. Aber mit der Zeit ist er mir dann doch irgendwie ans Herz gewachsen, da die Melodien an sich doch sehr gelungen sind. Daher gibt es auch an dieser Stelle grünes Licht von mir.
Wie in der Einleitung angedeutet, hat es leider nicht für ein Sequel gelangt. Zumindest für keines in dem man wieder in die Rolle der grantigen Prinzessin Sia schlüpfen würde. RFX Interactive haben es sich jedoch nicht nehmen lassen das Spielprinzip in einem ähnlichen Titel wiederzuverwenden. Wer sich mit der Dinotopia-Lizenz anfreunden kann, bekommt mit „Dinotopia: The Timestone Pirates“ einen grafisch und spielerisch recht ähnlich gearteten Titel geboten.
Pro & Kontra
- einer der wenigen „echten“ GBA-Exklusivtitel
- Steuerung ist im Kern sehr gut gelungen, aber ...
- das Highscore-System für die freischaltbaren Bonuslevel sorgt durchaus für zusätzliche Langzeitmotivation …
- abwechslungsreiche Level und nette Ideen wie Sia's Bigfoot-Verwandlung für Bosskämpfe
- liebevolles Intro
- fantastische Grafik
- die Protagonistin ist relativ unsympathisch und das Ending nicht wirklich zufriedenstellend
- … dieTasteneingabe wird bei manchen Aktionen wie „Hebel umlegen“ nicht präzise erkannt und die Tastenkombinationen für die drei Zaubersprüche sind umständlich und höchst unpraktikabel
- … leider ist es schier unmöglich in vielen Levels die volle Punktzahl zu erlangen, weswegen vielen Spielern die Bonuslevel verwehrt bleiben
- überflüssiges Extraleben-System
- gibt eine verbuggte Stelle im Spiel