Hideo Kojima Retrospektive Teil 1
Spieldesigner, die das Medium nachhaltig geprägt und nicht zwangsläufig nur der Gemeinschaft, die sich als Gamer sieht, ein Begriff sind, gibt es einige. Da wäre etwa Shigeru Miyamoto, den Vater von unter anderem Super Mario und der The Legend of Zelda Reihe. Ohne das kreative Genie wäre Nintendo wohl nie das, was es heute ist. Oder auch John Carmack, einem der maßgeblichen Wegbereiter des Ego-Shooter Genres und vor allem in technischer Hinsicht sehr versierten Entwickler. Peter Molyneux ist ein weiterer dieser Köpfe, die stets mit visionären Ideen versuchen Videospiele weiter reifen zu lassen und abseits gängiger Konventionen Neues zu schaffen. Auch wenn all diesen Männern und Frauen der Branche Ehre gebührt, so soll es an dieser Stelle jedoch um einen anderen gehen, nämlich um Hideo Kojima.
Der Anlass für dieses Special dürfte uns allen klar sein: der Release von Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain steht vor der Tür, und wenn man ersten Pressestimmen und Beteiligten glauben darf, dann haben Kojima und sein Team hier ihr Magnum Opus vollbracht. Ob dem wirklich so ist, wird sich in wenigen Tagen feststellen lassen. Bis dahin wollen wir die Zeit nutzen und dem Japaner eine Retrospektive auf Gamecontrast.de widmen, das nicht nur sein Schaffen, sondern auch seine Person näher beleuchten soll.
You mustn’t allow yourself to be chained to fate, to be ruled by your genes. Human beings can choose the kind of life that they want to live. What’s important is that you choose life… and then live.
Naomi, Metal Gear Solid, 1998
Ein holpriger Start ins Leben
Hideo Kojima sagte einmal über seine Kindheit, dass diese von dem Gefühl starker Einsamkeit und frühen Erfahrungen mit dem Tod geprägt war. Im Alter von drei Jahren zog der am 24. August 1963 in Tōkyō geborene Junge gemeinsam mit seinen Eltern und den beiden Geschwistern von der japanischen Hauptstadt in den Westen des Landes. In dem in der Kansai-Region liegenden Kōbe musste Hideo früh lernen für sich selbst zu sorgen. Nicht erst nach dem frühen Tod des Vaters – damals war Hideo gerade einmal 13 Jahre alt – stand das Elternhaus oftmals leer, sodass der jüngste Spross der Familie Kojima in Filmen und seiner eigenen Fantasie die Realitätsflucht suchte.
Noch heute fühle sich Kojima nach eigener Aussage nur dann alleine wohl, wenn der Fernseher im Hintergrund läuft. Aus dem Konsum von Filmen und TV-Sendungen erwuchs schnell der Wunsch selbst als Regisseur tätigt zu werden. Dieses Vorhaben änderte sich, als Hideo zum ersten Mal Super Mario Bros. von Shigeru Miyamoto spielte. Dieses für ihn einschneidende Erlebnis sorgte für eine Bewerbung bei Konami, die den damals frisch von der Universität Graduierten 23 jährigen prompt als Spieldesigner einstellten. Das war 1986.
Die Mitte der 1980er Jahre waren die Zeit, in welcher sich die noch junge Videospiel-Branche gerade dabei befand sich vom sogenannten Video Game Crash zu erholen, welcher in den Jahren 1983-1985 beinahe den kompletten Markt gesprengt und dem noch jungen Medium den frühzeitigen Todesstoß verpasst hätte. Es war Nintendo, die mit ihrem Nintendo Entertainment System (NES) für einen neuen Boom gesorgt haben und den Markt quasi im Alleingang wiederbelebten. Erneut wollten nun auch Firmen in das Geschäft mit Videospielen für Heimkonsolen einsteigen, die zuvor kaum, bis gar keine Berührungspunkte mit der Materie gehabt haben. Zwar hatte Konami in den frühen Jahren des Jahrzehnts bereits mit diversen Arcade-Automaten Erfolge feiern können. Doch das Entwickeln für fremde Plattformen war noch einmal eine vollkommen andere Angelegenheit.
Dies musste auch Hideo Kojima merken, dessen erste Auftragsarbeit (Penguin Adventure, 1986) in einer halben Katastrophe endete. Vom eigentlichen Programmieren hatte er nur wenig Ahnung und auch mit seiner introvertierten Art eckte der Designer im Team an. Bei seinem nächsten Projekt fand das richtige Spiel aber seinen richtigen Produzenten und Kojima konnte seine Visionen erstmals in seinem ersten großen und eigenen Spiel umsetzen. Dies war die Geburtsstunde von Metal Gear, welches 1987 erschien. Das zunächst nur für den MSX2-Computer und später auch ohne direkte Beteiligung von Kojima für das NES portierte Spiel zählt heute als eines der Ersten seiner Art. Denn statt seine Feinde zu töten, wurde der Spieler in der Rolle eines Agenten mit dem Codenamen Solid Snake dazu animiert die Waffe lieber im Holster zu lassen und stattdessen schleichend ans Spielende zu gelangen.
Die frühe Handschrift, im Guten wie im Schlechten
Ein Jahr nach Metal Gear erschien bereits das nächste große Kojima Spiel. Snatcher, eine Mischung aus Visual Novel und Adventure, erzählt die Geschichte von humanoiden Robotern, die Menschen töten um anschließend nicht nur ihr Aussehen, sondern auch die Rolle ihrer Opfer in der Gesellschaft einzunehmen. Als Setting dient eine futuristische Version von Kojima´s langjähriger Heimatstadt Kōbe, in welcher der Spieler Protagonist Gillian Seed bei seiner Jagd nach den Snatcher genannten Robotern unterstützt.
Auch in Snatcher lassen sich erneut viele Motive und Elemente ausmachen, die Kojima´s Spiele noch heute durchziehen. Filmzitate en masse (hauptsächlich entliehen aus Terminator und Blade Runner), eine Brutale und gleichzeitig mit eigenwilligem Humor erzählte Geschichte und eine sehr cineastische Narration sind ebenso zu finden, wie eine immer wieder hakelige Spielmechanik, durch welche man sich stellenweise quälen muss. Trotzdem gilt das Spiel bei vielen Fans noch heute als Kojima´s Bestes. Vor allem die einige Jahre später für die PC Engine veröffentlichte Version, in der neben grafischen Verbesserungen auch eine Synchronisation eingefügt wurde, zeigt nach wie vor eindrucksvoll, warum dem so ist. Ich muss es wissen, schließlich gehöre ich zu jenen, die Snatcher über alle anderen Spiele von Hideo Kojima stellen.
Es ist dieser ganz eigene Mix aus Science-Fiction, Romanze, B-Movie Trash, den fantastischen Midi-Soundtrack und der absolut fesselnden Erzählung, der mich alle Jahre wieder nach Neo Kōbe City entführt. Und das alle Jahre wieder darf übrigens sehr sprichwörtlich genommen werden, denn das an Weihnachten spielende Snatcher ist tatsächlich jenes Spiel, welches ich zu Ende jeden Jahres zumindest für einige Stunden noch einmal einlege. Und sei es nur um der fantastische Jazz Interpretation von Single Bells und dem hervorragenden Main Theme zu lauschen.
Sowohl Metal Gear, als auch Snatcher waren sowohl in ihren Originalversionen als auch den späteren Portierungen Achtungserfolge. 1990 kehrte Kojima zurück zu der Marke, die ihn bis heute nicht loslässt und führte die wenige Jahre zuvor begonnene Geschichte fort. Metal Gear 2: Solid Snake orientierte sich dabei im Grundaufbau an den Erstling der Reihe. Allerdings zeigte sich, das Kojima hinsichtlich Storytelling seit Metal Gear viel gelernt hat und sich sein Fokus immer mehr auf das Erzählen einer Geschichte richtet. 1994 veröffentlichte Kojima mit Policenauts den spirituellen Nachfolger zu Snatcher, welches leider niemals offiziell außerhalb Japans veröffentlicht wurde aber dank Fangübersetzungen auch von nicht Japanisch sprechenden Spielern im Westen genossen werden kann. Im gleichen Jahr veröffentlichte Sony in Japan die PlayStation und etablierte sich innerhalb kürzester Zeit als feste Größe auf dem boomenden Konsolenmarkt. Auch Kojima war von der technischen Leistung so angetan, dass er die PlayStation als Lead-Plattform für sein nächstes Projekt verwendete.
Damit endet der erste Teil unserer Retrospektive zu Hideo Kojima und seinem Schaffen. Im nächsten Teil widmen wir uns natürlich seiner Metal Gear Solid Reihe und ergründen dies Geschichte um Solid Snake, Big Boss und Co. Bis dahin nutzt doch die Zeit und holt eines von Kojima´s frühen Werken nach.