Flashbacks: Der Zweite Weltkrieg in Videospielen
Der Zweite Weltkrieg ist eine der grausamsten Episoden der menschlichen Geschichte. Kein anderer Krieg vor- und nachher wurde so umfangreich dokumentiert und historisch aufgearbeitet. Und kein anderer Krieg war und ist so sehr Gegenstand in Literatur, Filmen und anderen popkulturellen Medien. Dass gerade ein mit solch viel Leid anrichtender Konflikt im Zentrum vieler Unterhaltungsmedien steht, mag man mit gemischten Gefühlen sehen.
In der Historie der Videospiele ist der Zweite Weltkrieg schon seit den frühen Anfängen ein fester Bestandteil des Mediums. Nach einer vergleichsweise langen Zeit, in der Entwickler und Publisher sich eher anderen Szenarien widmeten, kehrt das Thema mit Call of Duty: WWII. in Bälde auf die Bildschirme zurück. Aus diesem Anlass haben wir uns einmal etwas näher mit dem Zweiten Weltkrieg in Videospielen befasst und beleuchten die unterschiedlichen Herangehensweisen an das Thema über die vergangenen Jahrzehnte anhand einiger mehr oder weniger bekannter Beispiele.
Die Burg der Wölfe
Einer der frühesten Videospielausflüge in den Zweiten Weltkrieg ist das 1981 erschienene Castle Wolfenstein von Muse Software. In dem für Apple II, C64 und anderen Heimcomputern entwickelte Stealth-Action Game infiltriert der Spieler die namensgebende Burg der Nazis und versucht geheime Pläne zu stehlen. Zwar kann man sich mit diversen Waffen zur Wehr setzen, dennoch ist das Spiel eher auf das unentdeckte Erkunden der Level und Schusswechsel im äußersten Notfall ausgelegt. Die prominent vorherrschende Symbolik von Hakenkreuz und anderen verfassungsfeindlichen Symboliken verfrachtete den Titel hierzulande schnell auf den Index, wo er bis 2012 stand.
Mit den gleichnamigen und wesentlich populäreren Spielen von id Software hat das ursprüngliche Castle Wolfenstein im Übrigen nicht viel mehr gemein, als den Namen und die historische Verortung. Dennoch sind gerade die Shooter mit B.J. Blazkowicz in der Hauptrolle kaum aus dem Genre der WWII. Titel wegzudenken. Gemischt mit einer ordentlichen Portion schwarzen Humor und Elementen aus Pulp- und Trash-Filmen hat id Software allerdings eine ganz eigene Duftmarke gesetzt, die noch heute aus der Masse der Konkurrenz hervorsticht.
In eine ähnliche Kerbe wie Castle Wolfenstein schlug einige Jahre später Into the Eagle’s Nest (1986), welches für den C64, Amiga und zig andere Plattformen erschien. Erneut müssen Spieler eine Festung der Deutschen infiltrieren, allerdings sind es keine Kriegspläne die gestohlen, sondern gefangene Kameraden, die befreit werden müssen. Entwickler Mindscape hat die eher taktische Vorgehensweise der offensichtlichen Inspirationsquelle zwar nicht gänzlich gestrichen, dennoch liegt der Fokus weitaus stärker auf den kniffligen Shooter-Passagen.
Action ist nicht alles
Viele Titel mit Zweiter Weltkriegsthematik aus der frühen Ära der Video- und Computerspiele waren dem Action-Genre nahe, ebenso gab es aber auch unzählige im Simulations- und Strategie-Genre verortete Spiele. Kein geringere als Sid Meier designte 1985 etwa den U-Boot Simulator Silent Service, in welchen Spieler an Bord eines US-amerikanischen Unterseebootes gegen japanische Kriegsschiffe antreten. Das Spiel erschien zunächst für diverse Heimcomputer und wurde mit etwas Verspätung auch für das NES portiert – bei uns waren alle Versionen lange Zeit jedoch indiziert.
Eine interessante Fußnote in der Videospielhistorie kam mit Air Warrior von Entwickler Kesmai. Der von Konami vertriebene Titel setze Spieler in das Cockpit diverser Kampfflugzeuge der Ära und erlaubte es in Kooperation mit diversen Providern online gegen andere Spieler anzutreten – und das im Jahr 1988! Pro Stunde kostete der virtuelle Luftkampf über 10 Dollar, was Spieler nicht davon abhielt sich zu Hunderten Dogfights zu liefern.
Vollkommen ohne kompetitiven Modus, dafür aber ein technischer Hammerschlag war Secret Weapons of the Luftwaffe (1991) von Lucasfilm Games, die schon in den Jahren zuvor das Genre der Dogfighting-Games mit Battlehawks 1942 (1988) und Their Finest Hour (1989) bei Spielern geliebt gemacht haben. Die Erfahrung mit dem Genre münzte der Entwickler wenig später übrigens in den Krieg der Sterne um und bescherte dem Genre der actionlastigen Flugsimulationen mit den X-Wing- und Tie Fighter-Serien weitere Meilensteine.
Doch nicht nur nordamerikanische und europäische Entwickler entdeckten den Zweiten Weltkrieg als thematischen Überbau für sich. Auch in Japan wurden einige Titel mit dem Szenario entwickelt, wobei vor allem die nie im Westen erschienene NES/SNES Serie Koutetsu no Kishi (Stählerner Krieger) hervorsticht. In den drei Anfang der 1990er Jahre erschienenen Titeln werden diverse historische Schlachten nachgestellt, darunter etwa Rommels Feldzüge in Nordafrika und die Verteidigung Berlins in den letzten Kriegsmonaten. Neben dem taktischen Tiefgang loben viele Spieler vor allem den seinerzeit umfangreichen Editor, mit welchen eigene Szenarien und Karten erstellt werden können.
Der Sprung in den Mainstream
Seinen Höhepunkt sollte das Genre der Zweite Weltkriegs-Spiele in den frühen 2000er erleben. Das ist vor allem der Verdienst von Medal of Honor: Allied Assault und seiner eindrucksvollen, wie oftmals zitierten Auftaktszene an der Normandieküste. Was Steven Spielberg wenige Jahre zuvor in dem Drama Der Soldat James Ryan auf die Leinwand brachte, wurde nun in heimische Wohnzimmer projiziert. Nie zuvor fühlte sich der virtuelle Krieg am Bildschirm so intensiv und real an, wie hier. Es folgten unzählige Ableger und Fortsetzungen, die Spieler über sämtliche Schlachtfelder der Welt führten. Trotz technischer Weiterentwicklung konnte aber kein anderes Medal of Honor an die Stärken von Allied Assault anknüpfen.
Im Fahrwasser von EA´s erfolgreicher Marke versuchten natürlich auch unzählige andere Entwickler auf den Zug aufzuspringen. Geht es um ähnlich gelagerte Spiele, dann ist aber eigentlich nur Call of Duty in Erinnerung geblieben – nicht zuletzt, weil die Marke heute eine der wichtigsten Franchise überhaupt ist. Der erste Teil wirkte bei seiner Veröffentlichung 2003 aus technischer Sicht bereits etwas altbacken, dafür inszenierte Entwickler Infinity Ward mit seinem Erstling aber einen atmosphärisch dichten Shooter.
Einen anderen Ansatz versuchte 2005 Gearbox Software und veröffentlichte den Taktik-Shooter Brothers in Arms: Road to Hill 30. Im Zentrum standen weniger episch inszenierte Schlachten, sondern der intensive Kampf Soldat gegen Soldat. Die Besonderheit: Spieler können ihre Einheit befehligen und so Gegner etwa von zwei Seiten attackieren oder andere Strategien anwenden. Die von der Mini-Serie Band of Brothers inspirierte Reihe unternahm außerdem den Versuch persönliche Geschichten zu erzählen und den Soldaten an der Front ein Gesicht zu geben.
Krieg als Entertainment?
Bis heute gibt es aber leider nur wenige Ausnahmen, bei denen es gelungen ist eine einigermaßen mitreißende Handlung zu erzählen. Ganz geschweige davon den Spieler mit den wahren Schrecken des (Zweiten) Weltkrieges zu konfrontieren und die Möglichkeiten jenseits des Entertainmentgedankens auszuloten. Den Vorwurf, das der Zweite Weltkrieg in Videospielen zu oft zur reinen Bespaßung ohne wirkliche Sensibilisierung verkommt, können gerade die großen Blockbuster-Marken nicht von sich weisen.
Dennoch gab es einige Versuche den Zweiten Weltkrieg in Videospielform abseits von brachial inszenierter Action und der bloßen Nacherzählung bekannter Schlachten aufzuarbeiten. Ein löbliches, wenn auch spielerisch eher maues Beispiel stellt etwa The Great Escape aus dem Jahre 2003 dar. In dem sich lose an den Filmklassiker Gesprengte Ketten orientierenden Spiel muss man aus einem Kriegsgefangenenlager entkommen. Zwar gibt es Baller und andere Actioneinlagen, dennoch überwiegt eher das bedachte Vorgehen innerhalb des Gefangenenlagers.
In Saboteur (2009) hingegen schließt man sich dem französischen Untergrund an und kämpft im besetzten Frankreich gegen die Deutschen. Das letzte Spiel der Pandemic Studios implementierte sich an dem Sandbox-Prinzip, mischte Stealth- und Action-Elemente und versuchte sich an einer filmreifen Handlung mit Tiefgang. Die vielen Teildisziplinen sind zwar passabel umgesetzt, dennoch blieb das Spiel weit hinter den Erwartungen zurück.