Cotton Reboot! REVIEW
Shoot ‚em ups bringe ich im ersten Gedankengang mit Spielen wie Gradius und R-Type zusammen, in denen man Raumschiffe durch den All und unwirkliche Welten manövriert und dabei auf jede Menge Gegner ballert. Dabei gibt es zahlreiche Abwandlungen und andere Schwerpunktsetzungen innerhalb des Genres. So auch das Sub-Genre der Cute ‚em up, in denen Raumschiffe durch (meist) süße Anime-Girls ersetzt werden, die sich aber nicht mit viel weniger Schusskraft gegen zahlreiche Gegner erwehren müssen. Eines der ersten Spiele seiner Art ist das 1991 zunächst für Arcades und später auch für Heimkonsolen umgesetzte Cotton: Fantastic Night Dreams. Der Erstling um Hexe Nata de Cotton wurde nun in Form von Cotton Reboot! nicht nur für Nintendo Switch und PlayStation 4 portiert, sondern auch komplett neu aufgelegt.
Geburtsstunde eines Sub-Genres
Den Anfang nahm die Reihe 1991 mit Cotton: Fantastic Night Dreams in den Arcades. Damals wie heute von Success entwickelt, mauserte sich der Titel um die knuffige Hexe Nata de Cotton zu einem echten Hit und wurde in der Folge mit unzähligen Portierungen und mehreren Fortsetzungen bedacht. Für die Neuveröffentlichung haben sich die Entwickler für den Port der X68000 Fassung entschieden. Das X68000 wird man in unseren Breitengraden eher weniger angetroffen haben, war der von Sharp entwickelte Heimcomputer doch vor allem für den japanischen Heimatmarkt gedacht. Das zuvor bereits für das TurboGrafx-16 portierte Spiel wurde in der X68000 Version mit einigen Änderungen und Verbesserungen bedacht und wird von den Entwicklern bis heute als die beste Fassung von Cotton: Fantastic Night Dreams angesehen.
Die aktuelle Portierung des Spiels auf Nintendo Switch und PlayStation 4 kann ich bedenkenlos empfehlen. Ohne das X68000 im Detail zu kennen, kann ich wertschätzen, das die Entwickler einen guten Job gemacht und das Original ohne spürbare Abstriche auf die aktuellen Plattformen gebracht haben. Der sicherlich größte Unterschied vom aktuellen Port im Vergleich zum Original ist das 16:9 Format. Bei Spielen jener Ära ist eine entsprechende Veränderung des Formats immer ein zweischneidiges Schwert, da oftmals das Bild oben, unten oder an den Seiten abgeschnitten wirkt. Hier jedoch erscheint mir das komplette Bild ohne Abstriche vorhanden zu sein. Darüber hinaus sieht das Spiel gestochen scharf aus und präsentiert seine Pixel-Schönheit in Perfektion. Insbesondere der Stil hat es mir angetan, denn Cotton: Fantastic Night Dreams ist in visueller Hinsicht ein Spiel seiner Zeit und setzt auf die unverkennbare Anime-Ästhetik der 1980er und 1990er Jahre, die vor Charme nur so sprudelt.
Nasch-Hexe
Auch die Geschichte spiegelt sehr gut jene Ära wieder, in der ausufernde Storylines noch Mangelware in Videospielen waren. Hexe Nata de Cotton und ihre in einem knappen Bikini eingekleidete Fee-Begleiterin ballern sich durch insgesamt sieben Level und nehmen es mit japanischen wie westlichen Horror-Klischees auf. Das Ziel: möglichst viele Süßigkeiten in die eigenen Taschen zu stopfen. Die simple Geschichte wird zwischen den Stages in kurzen, herrlich albernen Standbildern erzählt.
Das Spiel selbst ist für einen Shooter erstaunlich zugänglich. Die Entwickler offerieren verschiedene Schwierigkeitsgrade, doch durch quasi unendliche Continues ist das Ganze selbst für Laien auf dem normalen Schwierigkeitsgrad noch ziemlich gut machbar. Spielerisch liegt man ziemlich auf einer Linie mit anderen Genrevertretern jener Zeit. Man ballert sich durch scrollende Level von links nach rechts, sammelt Power-Ups auf, die dem eigenen Schuss mehr Wumms geben, setzt Spezialangriffe ein, die mal Blitze verschießen, mal aus dem Besen von Nata de Cotton einen Feuerdrachen lodern lassen und treibt so den Highscore in die Höhe. Gleichzeitig gibt es ein paar interessante Kniffe. Obwohl man unendliche Continues hat, so sollte man dennoch nicht sorglos mit dem eigenen Leben umgehen. Jeder Bildschirmtod leert nämlich die Powerleiste der eigenen Angriffe. Gerade nach hinten raus werden die Gegner und Endbosse ziemlich knackig, wenn man ihnen nur mit wenig Feuerkraft entgegen tritt.
Bullet Hell Wahnsinn
Soweit das Original. Dann wäre da aber noch die komplett neu angefertigte Reboot-Fassung des Erstlings, welche sich in der Sammlung unter dem Punkt „Arrange-Mode“ findet und aus dem im Original noch recht beschaulichen Vertikal-Shooter einen Vertreter des Bullet Hell Genres macht. Schon nach wenigen Sekunden verwandelt sich der Bildschirm in ein Meer aus Projektilen, überladenen Effekten und Kombozählern und stellt damit einen krassen Gegenentwurf zum Original her.
Warum die Entwickler sich so sehr von der Vorlage entfernen, ist mir nicht ganz klar, aber abgeneigt bin ich von der Entscheidung nicht. Der Reboot spielt sich in der Tat komplett anders. Cotton ist auf dem Besen schneller unterwegs, die Spezial-Leisten füllen sich schneller und auch die Gegner agieren etwas agiler. Auch in dieser Fassung bleibt das Spiel noch einsteigerfreundlich, wenn man das denn so will. Wie auch das Original, entfaltet der Reboot aber ein ziemlich forderndes Erlebnis, wenn man den Schwierigkeitsgrad hochdreht. Auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad muss jeder Schuss sitzen und vor allem die Spezial-Leisten im Blick gehalten werden. Die Spezialangriffe sind nämlich gerade ab der zweiten Spielhälfte geradezu essentiell für das Weiterkommen.
Der Look im Reboot fällt deutlich farbenfroher und poppiger aus, wobei man dem visuellen Stil der Vorlage aber weitestgehend treu geblieben ist. Die Musik wurde neu arrangiert und orientiert sich etwas mehr am wuchtigen Geschehen, was ebenfalls gut passt.
Pro & Kontra
- schöne Portierung des X68000-Originals
- stimmige Neuauflage mit komplett anderem Spielgefühl
- schöne Cute 'em ups mit fantasievollem Design
- happiger Preis
- "nur" sieben Level pro Spiel