Galerians REVIEW

Galerians ist ein Spiel, welches auf dem ersten Blick nur auf der Erfolgswelle diverser Playstation Survival-Horror-Spiele wie Resident Evil, Silent Hill und Co. mitschwimmen möchte. Am 09.06.2000 veröffentlicht (bzw. am 26.08.1999 in Japan), wirkte das Spiel um mörderische Jugendliche mit tödlichen Psy-Fähigkeiten, nur wie ein weiterer Ableger eines beliebten Genres. Doch wer hinter die äußere Fassade aus Renderbildern und Tank-Steuerung blickt, erkennt recht bald, dass das Spiel vom japanischen Entwickler Polygon Magic über genügend Eigenständigkeit verfügt, um aus der Masse an vergleichbaren Spielen herauszustechen. Warum erfahrt ihr im folgendem Review.

Macht den Drogen!

Man übernimmt die Rolle des 14-jährigen Rion Steiner. Dieser befindet sich zu Beginn des Spiels festgebunden auf einem Tisch in irgend einem Labor und muss als Versuchskaninchen für üble Drogentests herhalten. Doch die grausame Tortur hat auch ihre positiven Seiten. Durch die zahlreichen Experimente und Drogen erlangte der Jugendliche Zugriff auf diverse mentale Fähigkeiten wie Telekinese, Pyrokinese und das geistige Scannen von Objekten nach Erinnerungsfetzen. Gerade letztere Gabe ist dabei reichlich ironisch, schließlich leidet Rion aufgrund der rücksichtslosen Eingriffe unter Amnesie – immer diese blöden Nebenwirkungen! Das hindert ihn aber nicht daran, seine aufgezwungenen Gaben zur Flucht zu gebrauchen. Kurz nachdem Rion seine Fesseln mittels Gedankenkraft loslöst, bringt er auch schon die ersten Gehirne der verantwortlichen Wissenschaftler zum schmelzen und verwandelt aufmüpfige Sicherheitsleute in menschliche Fackeln.

Recht bald stellt sich heraus, dass sich Rion in einem Krankenhaus in „Michelangelo City“ befindet, einer dystopischen Metropole, welche unter der Knute des größenwahnsinnigen Supercomputers „Dorothy“ steht. Natürlich trägt Dorothy die Schuld an Rions leiden, doch auch dies ist nur die Spitze des Eisberges. Der Computer hasst die Menschheit und schuf daher eine neue Herrenrasse namens „Galerians“, welche als Dorothys treue Diener das Verderben über die Menschheit bringen sollen. Auch bei den Galerians handelt es sich um Jugendliche, welche über beängstigende Psy-Fähigkeiten verfügen. Und dann ist da noch das mysteriöse Mädchen Lilia, welches telepathischen Kontakt zu Rion aufnimmt und diesen immer wieder bittet sie zu finden und zu retten. Wird Rion über Dorothy triumphieren, oder werden ihre Galerians sein Untergang sein?

Die Handlung ist spannend, wird in zahlreichen Rendersequenzen präsentiert und ist ohne weiteres die Hauptmotivationsquelle, um Galerians durchzuspielen. Die Story basiert freilich auf der Angst, was passiert, wenn ein Computer ein Eigenleben entwickelt und sich gegen seine Schöpfer wendet. Dann ist da noch die Furcht vor dem negativen Einfluss von Drogen auf die menschliche Psyche und den Körper. Diese Ängste werden hier jedoch eher in Form eines spannenden Sci-fi-Thrillers präsentiert. Wer ein „richtiges“ Horror-Erlebnis erwartet, wird bei Galerians eher weniger fündig. Die Entwickler versuchen zwar immer wieder mal dagegen zu steuern, indem sie gruselige Hintergrundmusik einbauen oder den Kill-Count der Galerians erhöhen, jedoch ist das Spiel schlicht und einfach kein Horror-Game. Wäre besser gewesen, wenn das auch die Entwickler akzeptiert hätten, und statt deplatzierter Gruselmelodie lieber einen etwas glaubhafteren Protagonisten entworfen hätten. Rion wirkt für einen 14-jährigen nämlich viel zu reif und erwachsen, was freilich wenig glaubhaft ist. Unabhängig davon gibt es an der Handlung und deren Präsentation jedoch nichts zu kritisieren. Ein spannender Thriller für Sci-fi-Fans!

Coole Psy-Fähigkeiten im traditionellem Survival-Horror-Gewand

Auch wenn wir inzwischen geklärt haben, dass die Handlung von Galerians nicht wirklich viel mit Horror zu tun hat, so klammert sich das Gameplay leider recht krampfhaft an traditionelle Survival-Horror-Spielmechaniken. Das fängt schon bei der Steuerung an, welche sich als gewohnt nervige Tank-Steuerung entpuppt. Mit den Richtungstasten links und rechts wird Rion um die eigene Achse gelenkt und mit den Tasten oben und unten wird eben vorwärts gelaufen oder langsame Rückwärtsschritte eingeleitet. Per Tastendruck kann Rion freilich auch rennen oder seinen mentalen Scan durchführen, um Umgebungsobjekte nach Hinweisen abzutasten. Auf diese Weise lässt sich z.B. herausfinden, wo der entsprechende Schlüssel für die gescannte Tür verborgen liegt. Unabhängig davon können die Rätseleinlagen von Galerians jedoch keine Akzente setzen. Es ist in erster Linie der typische Kram wie „Finde den Schlüssel für die Tür“ oder „Betätige die Schalter in der richtigen Reihenfolge.“ Die vier Spiel-Kapitel (werden hier Phasen genannt) fallen obendrein recht übersichtlich aus und dank einer aufrufbaren Karte läuft man auch nicht Gefahr sich zu verirren. Dementsprechend ist die Spieldauer mit ca. 6-7 Stunden auch nicht sonderlich umfangreich ausgefallen. Und das obwohl man die Phasen 2 und 3 durch nerviges Backtracking tüchtig in die Länge gezogen hat.

Da wo Galerians wirklich interessant wird, ist das Kampfsystem und das damit verbundene Ressourcen-Management. Zu Beginn verfügt Rion über zwei verschiedene Psi-Kräfte, die da wären Nalcon und Red. Mit Nalcon werden kinetische Druckwellen abgefeuert und Red ist feinste Pyrokinese. In der dritten Phase kommt dann noch D-Felon hinzu. Hiermit lassen sich Gegner, die in einem geringen Radius um Rion stehen per Telekinese anheben und auf den Boden pfeffern. Rions Psi-Kräfte bereiten ein herrliches Gefühl an Macht, jedoch handelt es sich keineswegs um unfehlbare Superkräfte – im Gegenteil. Zunächst einmal sollte man die Psi-Kräfte ein paar Sekunden lang mit der entsprechenden Taste aufbauen, bevor man sie mit der Angriffstaste abfeuert (man kann im Optionsmenü aus vier verschiedenen Tastenbelegungsmustern auswählen). Nur so kann man vernünftigen Schaden verursachen. Je geringer der Kraftaufbau, desto geringer ist nämlich die Wirkung. Freilich ist man in den Sekunden des Kraftaufbaus wehrlos gegen feindliche Zugriffe, also Vorsicht! Problematischer ist jedoch, dass sich Rion Drogen injizieren muss, um seine coolen Psi-Kräfte überhaupt erst mal zugänglich zu machen. Anders ausgedrückt sind die Drogenampullen die Munition in Galerians, und wie in vergleichbaren Spielen, ist die Munition auch hier begrenzt. Und darüber hinaus können auch Psi-Fähigkeiten daneben „geballert“ werden.

Richtig fies wird es jedoch, wenn Rion sein Gehirn überstrapaziert. Mit jedem Schritt den Rion tätigt und vor allem mit jedem Psi-Angriff, lädt sich seine AP-Leiste auf (wird zusammen mit der HP/Lebensenergie-Leiste und der Energieleiste für die Psi-Energie am rechten oberen Bildschirmrand dargestellt). Ist der AP-Balken voll, fängt er an zu blinken. Wird in diesem Zustand nun eine Psi-Attacke ausgelöst, brennt Rions Gehirn aus (wird auch als „Shorting“ bezeichnet). Dies hat zur Folge, dass Rion schlimme Migräne erleidet und nur noch langsam gehen kann, sowie konstant Lebensenergie verliert. Als positive Nebenwirkung verursacht das Shorten jedoch auch lähmende Kopfschmerzen bei allen feindlichen Lebewesen in seiner Umgebung. Und jedem Feind, der von einem ausbrennenden Rion angeblickt wird, zerschmilzt das Gehirn! Das Shorting ist also mit Abstand die mächtigste Waffe gegen reguläre Gegner, nur die Galerians sind immun gegen Rions Migräne-Anfälle.

Dennoch ist dieser Zustand aufgrund des konstanten Verlusts an Lebensenergie nicht unbedingt wünschenswert. Zum Glück kann man diesen Zustand regenerieren, indem man das Medikament „Delmetor“ einnimmt. Hierdurch wird der AP-Balken komplett abgebaut. Jedoch ist Delmetor ebenso begrenzt wie die Drogenampullen und außerdem umfasst Rions Medikamentenkoffer nur 12 Plätze. Das ist wahrlich nicht viel, wenn man bedenkt, dass das Spiel sieben verschiedene Präparate beinhaltet: Die drei verschiedenen Drogen-Sorten Nalcon, Red und D-Felon, das bereits erläuterte Delmetor, Erholungskapseln zur Regeneration der Lebensenergie, Appolinar, mit dem sich der AP-Wert auf einen Schlag maximieren lässt (nützlich, um das Shorten gezielt gegen Feinde einzusetzen) und die Tablette Skip, mit deren Hilfe die Psi-Kräfte sogar doppelt stark aufgeladen werden können. Es dauert nicht lange, bevor die Inventarplätze aufgefüllt sind und man sich entscheiden muss, welche Medikamente und Drogen wichtiger sind.

Zum Glück ist der Schwierigkeitsgrad in Galerians über weite Strecken recht vernünftig. Lediglich mit dem Endboss der dritten Phase macht sich ein deutlicher Sprung in der Schwierigkeit der Gegner bemerkbar, der dann bis zum Abspann anhält. Dies könnte eventuell einen Einbruch in der Motivation darstellen, denn zum Ende hin sollte man sich schon anstrengen um den Abspann zu sehen. Im übrigen wird jede freigeschaltete Rendersequenz im Menüpunkt „Filmvorschau“ festgehalten, wo man sie sich jederzeit wieder reinziehen darf. Und ja, es gibt durchaus einige Sequenzen die man verpassen kann, also lohnt es sich bei der Erforschung der Umgebungen gründlich zu sein.

Wer Galerians durchgespielt hat und einen Abschluss-Speicherstand anlegt (innerhalb des Spiels wird an Speicherpunkten in Form von Computerterminals gesichert), erzeugt auf diese Weise übrigens einen zweiten Spielmodus. In diesem wird die Wirkung des Shortings drastisch verändert. Rion kann nun trotz Migräne rennen und der Verlust an Lebensenergie wurde deutlich abgeschwächt, womit das Shorting noch nützlicher wird, als nicht ohnehin schon! Ein cooler Extra-Spielmodus für ein tolles Spiel.

 

Grafik, Sound und weiteres

Grafisch bewegt sich Galerians auf konventionellen Schienen. Die düstere und futuristische Spielwelt setzt sich aus Renderbildern zusammen, in denen sich 3D-Charaktermodelle bewegen. Kennt man ja aus vergleichbaren Spielen, diversen JRPGs und Adventures. Leider reicht die allgemeine Qualität der Grafik nicht an jene anderer Titel dieser Zeitperiode heran. Die Renderbilder wirken ein wenig zu grobpixelig und die Charaktermodelle zu klobig. Schlecht sieht die Grafik jedoch nicht aus, man kommt eben nur nicht an die Konkurrenz heran. Eindrucksvoller sind da schon die zahlreichen Rendersequenzen. Diese reichen zwar auch nicht an die Meisterstücke einer damaligen Final Fantasy-Episode heran, sind dafür aber toll inszeniert und spinnen die Handlung gekonnt weiter, statt nur als Eyecandy zu fungieren. Diese sind auch der Grund, warum Galerians auf drei CDs ausgeliefert wird.

Der Soundtrack ist eine zwiespältige Angelegenheit. Wie bereits erwähnt, bekommt man immer wieder gruselige Klänge auf die Ohren, die jedoch nicht so recht zum Spiel passen. Besser sind da schon die elektronischen Tracks, die während der Bosskämpfe abgespielt werden und die Thematik um drogensüchtige Jugendliche mit Psi-Kräften wesentlich besser präsentieren als die Spuk-Melodien. Absolutes Highlight im akustischen Bereich ist hingegen die bemerkenswert hochwertige Sprachausgabe, welche mit zu den besten Sprecherleistungen gehört, die man auf der Playstation finden kann. Sogar aus heutiger Sicht gibt es an der Vertonung nichts zu meckern – klasse Leistung!

Natürlich wurde Galerians für den deutschen Markt geschnitten. Köpfe von Gegnern die durch Rions Shorten getötet werden zerplatzen hier nicht mehr, aber dafür gibt es noch eine Blutlache und die Leichen bleiben auch liegen solange man den Raum nicht verlässt. Und überraschenderweise brennen Gegner, die mit Pyrokinese attackiert werden auch in der deutschen Version lichterloh. Der Publisher hat sich jedenfalls einiges getraut die Zensur so gering wie möglich zu halten. Dagegen war Capcoms Schnippelei an Resident Evil 3 geradezu peinlich.
Galerians war übrigens erfolgreich genug um eine 3D-Animationsverfilmung nach sich zu ziehen, welche den Namen Galerians: Rion trägt. Man kann sich den Film übrigens auf Youtube anschauen. Darüber hinaus gibt es noch ein Sequel namens Galerians: Ash, die jedoch nicht übermäßig gut gelungen ist und wohl auch Schuld am Niedergang der Franchise trägt.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
83
83
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Galerians ist sicherlich kein perfektes Spiel, bietet dafür aber das gewisse Etwas, was vielen Spielen der heutigen Zeit oftmals völlig fehlt. Die Thematik der Handlung ist absolut faszinierend und obwohl das Handbuch große Teile der Story spoilert, fiebert man von Anfang bis Ende mit. Das Kampfsystem mit den Psi-Kräften gibt einem gleichermaßen das Gefühl der Macht, als auch der Hilflosigkeit. Schließlich ist man trotz allem den Medikamenten und dem Drogenkonsum samt Nebenwirkungen ausgeliefert. Ein ganz dickes Plus gibt es auch noch mal für die tolle deutsche Sprachausgabe! Hätte man eine bessere Grafik geboten und wäre da nicht der zwanghafte Versuch der Entwickler gewesen, sich dem Horror-Genre anzubiedern (Tank-Steuerung, deplatzierte Grusel-Soundtracks), hätte es auch locker zum Hit gereicht. Trotzdem für jeden Empfehlenswert, der seiner Playstation-Sammlung einen weiteren tollen Geheimtipp hinzufügen möchte!

- Von  Volker

PlayStation

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