Jusant REVIEW

Bis vor einiger Zeit lief DON’T NOD Gefahr, das nächste Telltale Games zu werden. Wie auch das einst erfolgreiche, dann insolvent gegangene und mittlerweile irgendwie wieder aktiv Adventure-Studio, haben die Franzosen von DON’T NOD mit Life is Strange eine gut funktionierende und zunächst auch erfolgreiche Formel gefunden und in folgenden Spielen immer wieder darauf aufgebaut. Aber schon bei Life is Strange 2 zeigten sich Abnutzungserscheinungen, danach erschienene Titel mit ähnlicher Spielart (Tell Me Why, Twin Mirror) haben gefühlt kaum noch jemanden interessiert. Offenbar hat die Studioführung in Paris die richtigen Schlüsse ziehen können, denn die kommenden Games könnten unterschiedlicher nicht sein. Banishers: Ghosts of New Eden verspricht sich an God of War und anderen Action-Blockbustern zu orientieren, in dem handgezeichneten Koira wiederum scheint Musik eine tragende Rolle zu spielen und mit dem jüngst erschienenen Jusant widmet man sich dem Klettern als zentraler Spielmechanik. Das ist nicht nur interessant, sondern auch richtig gut!

Meditatives Erlebnis


Ich habe ja ein großes Faible für Games, die sich auf eine eigentlich gängige Spielmechanik fokussieren und darum den Rest stricken. Nicht umsonst zähle ich Death Stranding – ein Spiel, welches das Gehen und Wandern zum Mittelpunkt des Gameplays erkoren hat – zu meinen absoluten Lieblingsspielen. In Jusant ist es nicht das Wandern und Laufen, sondern das Klettern, welches die Hauptmechanik ist. Dazu kommt noch eine gehörige Spur Journey, ein wunderschöner Artstyle, der an klassische französische Comics erinnert, sowie ein entschleunigtes Narrativ, die mir alle Zeit der Welt lässt und mich nicht mit dringlichen Aufgaben oder Zeitdruck nervt.

Auch die Spielfigur spürt keinerlei Dringlichkeit, denn das vermeintlich Schlimmste ist bereits geschehen: Die Zivilisation ist durch eine – so wird nahe gelegt – Umweltkatastrophe in Folge von einer sich übermäßig erwärmenden Welt untergegangen. Ziel unserer namenlosen Spielfigur ist der Gipfel eines Berges, der offenbar mal inmitten eines Meeres stand. Das legen Anker, ausgediente Schiffe, Fischernetze und andere Utensilien nahe. Doch die Zeit des Wassers scheint lange vorbei. Und auch von der einstigen Bevölkerung, die den aus verschiedenen Biomen bestehenden Berg einmal bewohnt hat, ist nicht mehr da. Nach und nach wurde sie offenbar gezwungen, immer weiter in die Höhe zu gehen, um überhaupt noch trinkbares Wasser zu finden.

Praktischer Begleiter


Jusant ist ein Spiel weniger Worte. Genaugenommen wird überhaupt nicht gesprochen. Auf dem Weg nach Oben findet man aber immer wieder Tagebucheinträge und andere Dokumente, die persönliche und allgemeine Geschichten erzählen. Durch diese Artefakte kann man sich nach zusammenreimen, was geschehen ist. Warum die eigene Spielfigur alleine unterwegs ist, bleibt aber recht unklar.

Wobei alleine nicht ganz richtig ist, denn der Protagonist hat eine kleine, offenbar aus Wasser bestehende Kreatur namens Ballast dabei, die putzig im Rucksack auf ihren Einsatz warten. Auf Tastendruck holt man Ballast hervor und kann sich nahe liegende Zielpunkte und interessante Punkte in der Spielwelt ansehen lassen, außerdem kann Ballast andere Lebewesen und Pflanzen manipulieren, beispielsweise Ranken wachsen lassen, die beim Aufstieg als Kletterhilfe dienen.

Hoch hinaus


Auch wenn der Gipfel das erklärte Ziel ist, so ist der Weg dorthin das eigentlich faszinierende an Jusant. Die Entwickler haben das Klettern zur Kernmechanik erkoren und diese motivierend und fordernd gestaltet. Selbst in Spielen, in denen das Klettern eine wichtige Rolle im Gameplay einnimmt (etwa Assassin´s Creed und Uncharted) muss man mittlerweile ja nicht viel mehr machen, als den Analogstick nach oben oder einen Knopf gedrückt halten, in Jusant ist dem nicht so. Beide Arme der Spielfigur werden durch die Triggertasten des Controllers gelenkt. Mit dem linken Trigger greift man mit der linken Hand, mit dem rechten Trigger greift man mit der rechten Hand. Das klingt banal, ist in der Umsetzung aber tatsächlich motivierend, eben da man das Gefühl hat auch wirklich etwas zu machen und nicht einen Halbautomatikmodus abzufahren.

Das Equipment spielt eine wichtige Rolle. An vorgegebenen Punkten kann man das Kletterseil einrasten, drei Sicherungshaken, die man frei platzieren kann, bieten zusätzlichen Schutz vor dem Fall. Stets im Auge zu behalten, ist der Ausdauerbalken. Hat der Avatar keine Kraft mehr, dann rutscht man ab. Da die Kletterpartien gerade ab dem Mittelteil mitunter ziemlich lange dauern und man immer wieder minutenlang ohne festen Boden verbringt, ist eine gute Koordination also durchaus wichtig. Gelegentliche Pausen während des Kletterns regenerieren immerhin einen Teil der Ausdauer. Auch kann man das Seil an bestimmten Stellen neu einrasten und bekommt dadurch die volle Ausdauer zurück.

Wunderschöner Ausflug


Bis zum Ende hin wird das Gameplay um weitere Komponenten erweitert. Jedes Biom besitzt unterschiedliche Lebewesen, die beim Aufstieg helfen. Die Ranken, die man auf Knopfdruck wachsen lassen kann, habe ich bereits erwähnt. Auch gibt es Käfer, an denen man sich festhalten und ein Stück weit tragen lassen kann. Andere Käfer wiederum umkreisen die Spielfigur und erlauben einen höheren Sprung, mit dem man Stellen überwinden kann, an denen man sich normalerweise nicht festhalten könnte.

Ein leichter Klacks ist das Klettern aber nicht. Jusant ist kein ultrakomplexes Core-Game, aber es erwartet doch eine Auseinandersetzung mit den Mechaniken und seinen Möglichkeiten. Getestet wird das Erlernte immer wieder. Mal muss man gegen Wind ankämpfen, mal gegen die Sonne, in der man schneller Ausdauer verliert. Mal muss man sich in der Umgebung umschauen und überhaupt ein Weiterkommen finden, denn Wegmarkierungen oder andere Hilfen gibt es nicht. Auch Ballast zeigt nur die ungefähre Richtung an, in die man gehen muss.

Nicht nur spielerisch ist Jusant eine kleine Offenbarung, auch audiovisuell wird einiges geboten. Zugegeben, der Grafikstil wirkt nicht mehr ganz so frisch und innovativ, wie er es vielleicht noch vor zehn Jahren gewesen wäre. Aber dennoch steckt in der farbenfrohen Spielwelt mit ihren Einflüssen verschiedener realer Kulturen viel fürs Auge. Entsprechend lohnt es sich auch immer wieder abseits des eigentlichen Weges auf Erkundungstour zu gehen. Die Notizen sind nicht die einzigen, aber doch die interessantesten Hinterlassenschaften. Ansonsten hat Jusant noch einige Collectibles, wie etwa Steinhäufchen, auf denen man einen eigenen Kiesel legt, oder Altäre, die man dreht. Ich verstehe schon, warum viele Entwickler nach wie vor denken, warum man so etwas in ein Spiel einbauen muss, mich spricht so was aber schon lange nicht mehr an.

Pro & Kontra

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Pros
  • mechanisch ansprechende und spaßige Umsetzung des Kletterns
  • griffige Steuerung
  • wunderschöner Artstyle
  • meditative Musik
  • bis zum Ende neue spielerische Ideen

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Cons
  • Kollisionsabfrage manchmal nicht ganz sauber

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Spiel Bewertung
Singleplayer
82
82
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Hätte ich es nicht gewusst (und das Logo beim Spielstart übersehen), hätte ich Jusant niemals DON'T NOD zugerechnet. Das einst für seine narrativ dichten Spiele bekannt gewordene Studio hat hier ein wunderschönes Abenteuer abgeliefert, welches sein Kerngameplay auf spaßige Art und Weise umsetzt und genau weiß, wie lange dieses trägt. Mit rund fünf Stunden ist der Kletterausflug in der malerischen Post-Apokalypse nämlich angenehm kompakt und kann bis zum Ende mit neuen Ideen punkten. Wenn Jusant ein Indiz dafür ist, in welche Richtung sich DON'T NOD entwickeln wird, dann stehen uns gute Zeiten bevor.

- Von  Adrian

DON'T NOD geht neue Wege und landet mit Jusant eine kleine Perle.
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PlayStation 5

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USK 12 PEGI 12

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