Ys IX: Monstrum Nox Pact REVIEW
Das mich ein Spiel noch so richtig überraschen kann, kommt mittlerweile selten vor. Zu sehr kennt man die etablierten Reihen, weiß was sie machen und können und zu wenig mutig geben sich vor allem die großen Studios und Publisher. Doch alle Jubeljahre kommt dann doch mal ein Titel, der wie aus dem nichts erscheint und mich nicht nur überrascht sondern auch absolut begeistert. So geschehen im Herbst 2017 als mir Ys VIII: Lacrimosa of Dana vom japanischen Rollenspiel-Entwickler Falcom, mehr oder weniger, vor die Füße gefallen ist und mir in den Folgejahren eine Reihe und das Werk eines Studios eröffnet hat, welche mir zwar schon lange vom Namen her bekannt waren, die ich trotz meiner Affinität für das Genre aber nie intensiv verfolgt habe. Nicht nur mit Ys VIII, sondern auch mit anderen Spielen von Falcom, nicht zuletzt der fabelhaften The Legend of Heroes: Trails of Cold Steel Reihe, habe ich einige der besten Zeiten auf der PlayStation 4 gehabt. Entsprechend gespannt war ich nach der Ankündigung von Ys IX: Monstrum Nox Pact auf das neueste Kapitel in der Saga um Protagonist Adol Christin.
Abstürze auf der PlayStation 5
Nach etwas mehr als dreißig Spielstunden bin ich jedoch ernüchtert, ziemlich sogar. Einer der gravierendsten Gründe dafür ist technischer Natur. Ich spiele die PS4-Testversion auf der PlayStation 5, welche das Spiel im Abwärtskompatibilitätsmodus mit flüssigen 60 Frames und angenehm flotten Ladezeiten darstellt. Weniger angenehm sind die immer und immer wieder auftretenden Abstürze, darunter auch solche, welche die Konsole abschalten. Ebenfalls nicht schön, aber noch annehmbar sind jene Abstürze, welche mich nur aus dem Spiel und zurück ins Home-Menu der Konsole werfen. Letztere hatte ich hier und da auch schon bei anderen Spielen, das die komplette Hardware den Geist aufgibt, ist jedoch eine Premiere, die Ys IX eingeführt hat. In meiner bisherigen Spielzeit habe ich insgesamt 12 Abstürze gezählt, was ich als unverhältnismäßig hoch empfinde.
Update vom 02.02.2021:
Pünktlich zur Veröffentlichung steht das Update 1.01 bereit. Dieses nimmt sich insbesondere den Abstürzen auf der PlayStation 5 vor und bereinigt diese, soweit ich das bisher selbst nachvollziehen konnte. Entsprechend ist die in diese Richtung geäußerte Kritik mittlerweile obsolet, die Wertung wurde leicht nach oben korrigiert.
Trostlose Spielwelt
Auch abseits der Abstürze hinterlässt Ys IX in Hinblick auf seine Grafik einen durchwachsenen Eindruck – und das ist noch nett formuliert. Der vor rund fünf Jahren veröffentlichte Vorgänger hatte immerhin noch die Ausrede, nicht nur ein PlayStation 4, sondern auch ein PS Vita Spiel zu sein. Monstrum Nox Pact ist jedoch von vornherein für die PlaysStation 4 konzipiert und entwickelt worden. Dennoch wurde das grafische Grundgerüst, welches identisch zum Vorgänger ist, nicht weiterentwickelt. Im direkt Vergleich mit dem Vorgänger macht Ys IX gar einen schlechteren Eindruck, was aber auch an der Wahl des Settings liegt.
Adol Christin´s neues Abenteuer führt ihn gemeinsam mit Freund Dogi nach Balduq. Die französisch angehauchte Stadt ist jedoch weniger für ihre Fachwerkhäuser und gotischen Kathedralen, sondern für ihr Gefängnis bekannt, die einer Festung gleichkommt. Inhaltliche Parallelen zu Der Graf von Monte Christo und des Mannes mit der eisernen Maske dürften nicht zufällig sein. So interessant die Wahl des Settings in Hinblick auf die Prämisse zunächst auch ist, so sehr sorgt sie in Verbindung mit der altbackenen Grafikengine aber für eine wenig attraktive Spielwelt. Nahezu jedes Viertel der Stadt teilt sich den gleichen grauen Beton-Look, Anreiz zum Erkunden ist kaum geboten. Zwar kann man ab Kapitel 4 das Umland bereisen und nach hinten raus machen sich auch die anfangs ebenfalls eher öden Dungeons ein bisschen. Nicht nur, aber gerade im direkten Vergleich mit der Spielwelt des Vorgängers, einer verlassenen Insel, verliert Balduq. Während ich mich nach all den Jahren noch an Orte und Momente aus Ys VIII erinnern kann, habe ich diese hier schon nach einem Tag vergessen.
Geschichte ohne Nachhall
Das gleiche gilt übrigens auch für die Figuren und die Geschichte. Während der Vorgänger zwar auch mit Anime-Tropes hantiert hat, wurden diese immerhin kokettiert und immer wieder charmant ausgespielt. Ys IX handhabt die Figuren wesentlich banaler und reduziert sie auf ihre jeweiligen Stereotypen, ohne über diese hinwegzublicken. Wie gehabt hat jedes Party-Mitglied und jede einigermaßen wichtige Nebenfigur zwar ihre eigene Hintergrundstory. Viel mehr als der mürrische Kämpfer mit dem Herz am richtigen Fleck oder das neckische Mädchen, welches ihren Traum erfüllen möchte, steckt hier aber nicht drin. Und auch die Geschichte macht aus ihrer eigentlich interessanten Prämisse nahezu nichts, sieht man mal von einem tatsächlich sehr coolen Twist ab, auf den ich nicht weiter eingehen möchte. Die hieran hängende Quest ist aber tatsächlich ein Lichtblick, der tatsächlich stimmig umgesetzt wird. Dennoch ist das Gefälle zwischen dem letzten und aktuellen Teil der Reihe derart gravierend, dass ich zunächst davon ausgegangen bin das beide Spiele andere Writer hatten, was aber nicht der Fall ist.
Starke Kernkompetenz
Ich kann mir daher kaum erklären, was hier in narrativer Hinsicht schief gelaufen ist. Beim Spieldesign läuft Ys IX nämlich durchaus zu bekannter Stärke auf. Das Echtzeitkampfsystem des Vorgängers wurde zwar nahezu 1:1 übernommen, was aber aufgrund der fantastischen Grundlage vollkommen berechtigt ist und durch kleine Feinjustierungen noch weiter legitimiert wird. Nicht nur, aber vor allem bei den Bosskämpfen, die teilweise wieder fantastische Ideen aufweisen, stellt das Kampfsystem seine Stärken unter Beweis.
Ebenfalls wie gehabt ist man mit einer Gruppe mit bis zu vier aktiven Mitgliedern durch eine recht offen gestaltete Welt unterwegs. Allerdings kann man nicht von Anfang an das gesamte Areal bereisen, da es eine Art magische Schranke gibt, welche die verschiedenen Stadtviertel und das Umland von Balduq zunächst zur weiteren Erkundung aussperren. Um die Barrieren zu öffnen, muss man entweder Nebenquests erfüllen bzw. Kämpfe gegen Monster ausfechten, wodurch ein Zähler hochgetrieben wird. Erreicht dieser 100 öffnet sich ein Portal zur Grimwald Nights. Diese sind das exakte Gegenstück zur Siedlungsverteidigung des Vorgängers und werfen mehrere Gegnerwellen auf Adol und seine Mitstreiter, die es abzuwehren gilt.
Mehr Fantasy, mehr Fähigkeiten
Ys IX verfolgt einen wesentlich stärkeren Fantasyeinschlag, den ich bisher von der Reihe (ich habe weitaus nicht alle Teile gespielt) kenne. Nachdem Adol in Balduq ankommt, dauert es nicht lange, bis er verhaftet und ins Gefängnis geworfen wird. Aus diesem entkommt kann er aber recht schnell entkommen, nicht zuletzt, da er mit der mysteriösen Aprilis den titelgebenden Monstrum Pakt schließt. Durch diesen erhält Adol übermenschliche Kräfte, wird durch einen Fluch, der sich insbesondere in den erwähnten Barrieren äußert, jedoch daran gehindert aus Balduq zu entkommen. So geht es noch einigen anderen Figuren, die sich Aprilis eingelassen haben.
Die spielerisch größte Neuerung stellen die Fähigkeiten dar, die Adol und die anderen Monstrums besitzen. So kann man etwa an Wänden hochlaufen und Flügel ausbreiten, um über weite Abgründe hinwegzufliegen. Während diese beiden Fähigkeiten die Möglichkeit eröffnen die Spielwelt auch nach oben hin zu erkunden, sind andere Fähigkeiten, wie das Scannen der Umgebung, um so etwa versteckte Schalter zu erkennen, meist nur in bestimmten Momenten und Quests nützlich.
Pro & Kontra
- tolles Kampfsystem mit vielen Möglichkeiten
- Bosskämpfe mitunter spektakulär
- einige der späteren Dungeons
- Monstrum-Fähigkeiten als Ergänzung
- Abstürze auf der PlayStation 5
- trostlose Spielwelt ohne viel Abwechslung
- Geschichte plätschert lange vor sich hin
- hinter den Figuren steckt häufig nicht mehr als der jeweilige Stereotyp