Wolfenstein II: Die Abenteuer des Revolverhelden Joe REVIEW
Das Ende von Wolfenstein II: The New Colossus war nicht nur ein Befreiungsschlag, sondern auch der Auftakt zur Revolution gegen die Besatzer. Dieser Kampf gegen die Schergen des Regimes wird in den kommenden Wochen in Form der drei Episoden umfassenden Erweiterung Die Freiheitschroniken fortgesetzt. Zeit für B.J. Blazkowicz erst einmal Pause einzulegen und die heiß gelaufenen Gewehrkolben abkühlen zu lassen, stattdessen übernehmen in den DLCs andere Protagonisten das Ruder. Der Auftakt gebührt Joseph Stallion in Die Abenteuer des Revolverhelden Joe.
Mit dem Kopf durch die Wand
Nach einer erneuten Demütigung durch die Nazis, lehnt sich der ehemalige Football-Spieler Joseph Stallion gegen die Besatzer auf – und wird kurzerhand eingebuchtet. Glücklicherweise hat der gute Mann ziemlich kräftige Schultern und offenbar einen Kopf aus Stahl, sodass die Zellwand mit einem kurzen Anlauf durchbrochen wird und Joseph aus seiner Gefangenschaft fliehen kann. In drei Kapiteln mit einer Länge zwischen 30-45 Minuten wird der sehr persönliche Rachefeldzug von Joe geschildert, schließlich hat er mit den Nazis nicht nur ein Huhn zu rupfen und es vor allem auf den Maschinen-Kommandanten Metz abgesehen, der vor Jahren für die Tötung von Stallions Vater verantwortlich war.
Erzählt wird die Geschichte in stilisierten, an die Comics der 1940er/1950er Jahre erinnernden Standbildern. Das ist ein stimmiger Gegenentwurf zum Hauptspiel mit seinen cineastischen und teils sehr viel ernsteren Cutscenes. Nicht zuletzt gefällt mir der gewählte Stil, da dieser die Pulp-Stimmung der Handlung wunderbar unterstreicht. Von der Story selbst braucht man aber nicht viel erwarten, Überraschungen oder interessante Ansätze gibt es nicht. Das ist insofern bedauerlich, da Joe eine ziemlich coole Socke ist, der mit einem tollen Sprecher ausgestattet wurde und innerhalb der doch sehr kurzen Spielzeit Sympathien aufbauen kann. Nicht zuletzt haben die Entwickler hier aber auch eine Gelegenheit verpasst. Joe ist nämlich Afroamerikaner, was im Kontext der Handlung natürlich interessante Ansatzpunkte darstellt. Zwar reagieren die Gegner auf Joe tatsächlich anders, als auf den weißen B.J. und gerade Bösewicht Metz lässt tief in seine rassistische Seele blicken. Dennoch hätte hier noch viel mehr rausgeholt werden können. Schade.
More of the same
Spielerisch orientiert sich Die Abenteuer des Revolverhelden Joe sehr stark am Hauptspiel. Nach wie vor ballert man sich durch Horden von Gegnern, greift auf das bekannte Waffenarsenal zurück und bewegt sich durch schlauchige Levelpassagen. Neue Gegner oder Ballermänner gibt es nicht und auch ein richtiges Alleinstellungsmerkmal – sieht man einmal von der Story und ihrer Inszenierung ab – vermisst man. Ohne Frage: das Grundgerüst ist immer noch stimmig und es bereitet nach wie vor einen absurden Spaß Nazis mit brachialen Wummen niederzumetzeln. Dennoch vermisse ich eine richtige Neuerung, wenigstens eine neue Waffe hätte als Bonus drin sein müssen.
Auch beim Level-Design haben die Entwickler fleißig recycelt und auf Assets aus Wolfenstein II zurückgegriffen. Gerade ein Außenareal im ersten Kapitel macht dies sehr deutlich. Eigentlich soll dieses Chicago darstellen, erinnert aufgrund der wiederverwerteten Elemente aber sehr stark an Roswell aus dem Hauptspiel. Dazu kommt, dass der DLC grafisch offenbar ein paar Rückschritte gemacht hat, zumindest das genannte Gebiet sieht nämlich sehr detailarm und „leer“ aus.
Und auch Joes Fähigkeit mit Anlauf Wände und Gegner niederzuschmettern ist letztlich eine Zweitverwertung, denn dies konnte B.J. Blazkowicz dank entsprechender Fähigkeit auch schon. Immerhin ganz witzig: während man im Hauptspiel noch mit einer Axt seine Feinde aus der Entfernung unbemerkt erledigen konnte, wirft Joe seinen Widersachern mit voller Kraft eine Dose an den Kopf und befördert sie so ins Reich der Träume.