The Long Dark REVIEW

Wo…wo bin ich? Was ist passiert? Arrrgh, mein Kopf dröhnt. Alles dreht sich und es ist kalt. Verdammt ist es kalt. Mein ganzer Körper schmerzt. Um mich herum liegen brennende Wrackteile und erhellen die dunkle Nacht. Was soll ich bloß tun? Ich kann nicht klar denken. Ich blute. Muss irgendwie die Blutung stoppen. Und ich habe Hunger. Und Durst. Und ich bin müde. So müde war ich noch nie. Ich stolpere los, keine Ahnung wo ich hingehen soll. Vor mir scheint eine Höhle zu sein. Ich kann nicht mehr. Will einfach nur noch liegen. Nur für einen kurzen Moment die Augen schließen. Nur für einen kurzen Moment…

Bruchpilot sucht Frau

In der Wintermute genannten Kampagne schlüpft ihr in die Rolle von Buschpilot Will. Die Geschichte ist in Ansätzen zwar interessant, leidet bisher aber noch unter bekannten Kniffen & einer leider nicht guten Inszenierung.

Als ich aufwache, ist es Morgen. Ich trete aus der Höhle. Die Sonne strahlt, als wäre nichts geschehen. Alles ist ruhig. Zu ruhig. Ich gehe zu einer Klippe und blicke hinab. Zu tief, um zu klettern. Fuck, was soll ich bloß tun? Ich sammle meine Gedanken, versuche das Geschehene einzuordnen. Ich erinnere mich an die letzte Nacht. Ich saß am Steuer eines kleinen Flugzeugs. Neben mir Astrid. Meine Frau. Nein, meine Ex-Frau. Scheiße, wo ist Astrid? Ich suche die nähere Umgebung ab. Ist sie tot? Oder konnte sie sich irgendwie retten? Ich muss von diesem Berg. Nur wie? Mir knurrt der Magen. Mein Hals ist trocken. Bevor ich mir Gedanken um Astrid machen kann, muss ich erst einmal zusehen, das ich wieder auf die Beine komme. Ich sammle mir alles zusammen, was ich finden kann. Stofffetzen, Holzreste. Ich finde einen Schokoriegel, eine Dose Limonade und schlinge beides runter. Notdürftig verbinde ich meine Wunden. Ich muss weiter. Muss Hilfe holen. Und Astrid finden…

Die Suche nach Astrid ist das oberste Ziel im Wintermute genannten Story-Modus von The Long Dark. Das erstmals im September 2014 als Early Access veröffentlichte Spiel von Entwickler Hinterland Studio hat dieser Tage seinen finalen Release erfahren und ist fortan für PC, Mac, PlayStation 4 und Xbox One als Vollversion verfügbar. Die Kampagne ist die große Neuerung der fertigen Releaseversion und versetzt uns in die Rolle von Buschpilot Will Mackenzie. Dieser erhält eines Abends unerwarteten Besuch von seiner Ex-Frau, die ihn bittet, sie mittels Flugzeug an einen schwer zugänglichen Ort inmitten der kanadischen Wildnis zu bringen. Dabei geht natürlich alles schief, was nur schief gehen kann, und Will findet sich schließlich in einer alles anderen als beneidenswerten Ausgangslage wieder: abgestürzt, verletzt und ziemlich allein irgendwo im Nirgendwo.

Story mit Luft nach oben

Neben der Kampagne gibt es nach wie vor den Survival-Modus. Dieser ist auch das Herzstück von The Long Dark.

Diese Prämisse ist identisch mit dem schon seit Early Access Tagen verfügbaren Sandbox-Modus, welcher in der Vollversion in den Survival-Modus umgetauft wurde. Mit dem Unterschied, dass Wintermute nun eine Narration um das Gameplay strickt. Diese bleibt der Grundstimmung von The Long Dark treu und stimmt angenehm ruhige, fast schon melancholische Töne an. Leider hat es die Story um Will und seiner Suche nach Astrid nicht geschafft mich vom Hocker zu hauen. Zu offensichtlich drückt mir das Spiel das nicht Gesagte schon in den ersten Minuten ins Gesicht, zu seltsam sind die Dialoge mitunter geschrieben. Wenn Will und Astrid, oder Will und andere Figuren miteinander sprechen habe ich nicht das Gefühl, glaubwürdigen Personen zuzuhören. Die Gespräche wirken zu steif, manchmal schon fast seltsam. Hinzu kommt, das die Regie bei den Cutscenes unbeholfen wirkt und die Zwischensequenzen technisch einfach nicht gut gemacht sind.

Hier können die Entwickler gerne noch eine Schippe drauflegen, schließlich ist der Story-Modus in fünf Episoden unterteilt, von denen zu Release die ersten zwei spielbar sind. Die kommenden drei Episoden sollen kostenlos 2017 und 2018 folgen.

Kleine, große Erfolge

Jede Aktion kostet euch Zeit. Zeit ist knapp und die richtige Einteilung überlebenswichtig, ebenso, wie ausreichend Ressourcen zu sammeln und das Erfüllen bestimmter Bedürfnisse wie Hunger und Durst.

Für Spieler der ersten (oder zweiten, meinetwegen auch dritten und vierten) Stunde mag die auf Sparflamme vor sich hin köchelnde Kampagne eine Enttäuschung darstellen. Für mich als Erstspieler war sie dennoch der ideale Ausgangspunkt um in The Long Dark einzusteigen. Anders, als im Survival-Modus wird der Spieler in Wintermute nämlich einigermaßen sanft an die Hand genommen und bekommt die grundlegenden Mechaniken und Regeln der Welt erklärt.

Das kann gerade für Neueinsteiger mit niedriger Toleranzschwelle vom Vorteil sein, denn die raue Wildnis Kanadas erlaubt so gut wie keine Fehler und bestraft ahnungslose Spieler rigoros. Es gibt unzählige Faktoren, die es zu beachten gilt. Essenziell für das Überleben ist es die vier Grundbedürfnisse (Hunger, Durst, Wärme und Erschöpfung) nicht absacken zu lassen. Um das Bedürfnis nach Wärme zu erfüllen, braucht ihr etwa gute Kleidung und müsst euch regelmäßig an einem Feuer wärmen. Um den Erschöpfungsbalken oben zu halten, ist regelmäßiger Schlaf vonnöten.

Um Hunger und Durst zu stillen, braucht ihr Nahrung und Wasser. Logisch. Also müsst ihr entweder die Umgebung nach zurückgebliebenen Konserven, Hundefutter, Schokoriegeln und Wasserflaschen absuchen. Auch die Natur bietet euch Nahrung, etwa Hagebutten, die sich zu einem Tee weiterverarbeiten lassen. Mit etwas Glück findet ihr auch schon einmal ein totes Reh und könnt es zerlegen. Das wiederum kostet Kalorien, es erschöpft euch und kostet Zeit. Jede Aktion kostet euch Zeit. Und je mehr Zeit ihr in der Kälte verbringt, desto weiter sinkt der Erschöpfungs- und Wärmebalken. Ist einer der vier Bedürfnisbalken am Boden, dann war es das. In der Kampagne könnt ihr vom vorherigen Spielstand neu starten, im Survival-Modus ist nach dem Ableben Ende und ihr müsst einen neuen Anlauf. Ganz von vorne, ohne die zuvor gesammelten Gegenstände und Ressourcen.

Macht das überhaupt Spaß? Heureka, ja! Und wie das Spaß macht! The Long Dark zieht seine großen Glücksmomente aus den kleinen Erfolgen. Jeder überlebte Tag, jede heil überstandene Nacht im Survival-Modus ist ein Erfolg. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass man noch genug Vorräte für den nächsten Tag hat um weiterzuziehen, neue Gebiete zu erkunden um neue, vielleicht sogar bessere Gegenstände und Ressourcen zu finden. Als ich das erste Mal einen Hasen mit einem Stein getroffen und so von seinen Pfoten gehauen habe, hat mir das einen kleinen Glücksschrei entlockt. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich schwer verwundet, schon mehr als halb erfroren und mit taumelnden Gang inmitten einer stürmischen Nacht eine Baracke gefunden habe, mich in dieser wärmen und ausruhen konnte und so noch den nächsten Sonnenaufgang erleben konnte. Ich fühlte mich mächtig, als ich endlich eine Leuchtpistole gefunden habe und so fortan angreifende Wölfe verscheuchen konnte.

Der böse Wolf

Bezüglich der Wölfe greifen die Entwickler zu sehr in die Klischeekiste und inszenieren die grauen Tiere als blutrünstige Kreaturen. Das hätte es nicht gebraucht.

Apropos Wölfe: hier widersprechen die sich eigentlich auf ihr nachvollziehbares und authentisch wirkendes Spieldesign Wert legenden Entwickler dann doch etwas. Hinterland inszeniert Wölfe nämlich als große Gefahr und packt den blutrünstigen Jäger aus Märchen und Stammtisch aus. Das hat zur Folge, das Wölfe den Spieler unvermittelt angreifen und es beinahe keine Chance zur Flucht gibt. Die meist unumgängliche Konfrontation ist umso nervender, da ich mich mit wilden Tastenhämmern aus dem Angriff des Wolfes befreien muss. Das gelingt zwar in den meisten Fällen, lässt mich aber oftmals schwer verwundet zurück. Kann ich meine Blutungen dann nicht stoppen oder zugefügte Bisse desinfizieren, droht der Bildschirmtod. Wölfe als derart aggressive Widersacher zu inszenieren hätte es wirklich nicht gebraucht, denn die eigentliche Gefahr in The Long Dark ist eine ganz andere: die Natur selbst.

Entsprechend ist das Gameplay um den Survival-Gedanken gestrickt und mit zahlreichen Details angereichert. Findet ihr etwa den Kadaver eines Rehs, so könnt ihr das Fleisch nicht einfach auf der Stelle essen, sondern solltet es über einem Feuer braten. Esst ihr rohes Fleisch, droht eine Lebensmittelvergiftung. Das Gleiche gilt für den Verzehr von abgelaufenen und schimmeligen Lebensmitteln. Selbst Wasser sollte stets abgekocht werden. Auch ein Feuer lässt sich nicht einfach von Zauberhand entfachen. Ihr braucht Streichhölzer, einen Zünder und eine Basis aus Holz. Bestenfalls habt ihr etwas mehr Holz oder sogar Kohle im Gepäck, denn das entfachte Feuer will stets Nachschub haben. Ansonsten erlischt es. Auch könnt ihr nicht unendlich viel Nahrung, Medizin und anderes in euren virtuellen Rucksack packen. Die Tragelast liegt bei 30kg, darüber hinaus werdet ihr merklich langsamer. Das kann gerade in hektischen Momenten oder bei starken Wetterumbrüchen das Todesurteil bedeuten.

Unberechenbare Natur

Die audiovisuelle Präsentation ist fantastisch und sorgt immer wieder für atemberaubende Momente.

Gleichzeitig inszenieren die Entwickler diese so menschenfeindliche Natur in einer audiovisuell betörenden Art und Weise. Das dynamische Wettersystem und die optisch stimmigen Tag-/Nachtzyklen erzeugen selbst nach 10, 15, 20 Stunden noch eindrucksvolle Szenerien mit Wow-Effekt. Hier ist das Spiel übrigens sehr konsequent: in der Nacht ist es so stockdüster, dass man ohne Lichtquelle nichts erkennt. Und mit nichts, meine ich wirklich nichts. Unzählige Male bin ich durch dunkle Häuser gestrauchelt, weil ich kein Öl für meine Lampe hatte und zu geizig war, ein Streichholz zu opfern. In einer stürmischen Nacht habe ich trotz Fackel und Karte komplett die Orientierung verloren, bin im Kreis gelaufen und schließlich den Kältetod gestorben. Ein anderes mal war der Nebel so dicht, das ich einen sich vor meinen Füßen befindenden Abhang nicht bemerkt habe und den Boden unter mir mit meinem Blut und meinen Innereien verziert habe.

Bei der mir vorliegenden PlayStation 4 Version muss man übrigens ein paar Abstriche hinsichtlich der grafischen Qualität machen. Die 60 Frames und knackigen Texturen der PC-Version gibt es nicht, die Ladezeiten, wenn man ein Gebäude betritt, sind einen Tick zu lange und den ein oder anderen grafischen Bugs muss man auch hinnehmen. Überhaupt hat das fertige Spiel nach wie vor mit vielen Problemen zu kämpfen, immerhin scheinen die Entwickler aber bemüht nachzubessern.

Dafür macht The Long Dark auf akustischer Ebene alles richtig, vor allem das Sounddesign ist eine Wucht. Der pfeifende Wind, der in mein Gesicht peitschende Schnee, das in der Ferne zu vernehmende Geheul der Wölfe, das Stapfen im verschneiten Boden, das Knarzen, wenn ich vorsichtig über einen zugefrorenen See gehe – grandios, was Hinterland hier aus den Lautsprechern zaubert. Von der intensiven Musikuntermalung ganz zu schweigen!

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Spiel Bewertung
Singleplayer
80
80
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

The Long Dark hat mich von Anfang an angesprochen. Die ruhige, fast schon melancholische Grundstimmung, die tief gehenden und mit vielen Details angereicherten Mechaniken, die audiovisuell fantastische Präsentation – grandios! Das die Kampagne keine sonderlich interessante Handlung erzählt, kann ich verschmerzen, ebenso wie die Wölfen aus der Klischeekiste. Im Kern sind die Mechaniken nämlich stimmig, fordern, motivieren und fesseln mich gleichermaßen. Wenn Hinterland nun noch die Bug-Baustelle in den Griff bekommt und vielleicht sogar bei den kommenden Episoden die Kurve hin zu einer wirklich interessanten Story kriegt, dann werde ich sicherlich noch sehr lange meine Zeit mit The Long Dark verbringen.

- Von  Adrian

Playstation 4
Xbox One
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The Long Dark REVIEW

USK 16 PEGI 16

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