Sonic Forces REVIEW
Die neueren Sonic Iterationen gaben nicht gerade Anlass zur großen Vorfreude auf das jüngst erschienene Sonic Forces – wäre da nicht Sonic Mania gewesen. Christian Whitehead – einer der bekanntesten Fanboys des blauen Igels – durfte mit offizieller Absegnung durch Sega seine Vision eines 2D-Plattformers umsetzen und lieferte nicht nur ein mit frischen Ansätzen vollgepacktes, sondern auch qualitativ enorm gutes Spiel ab. Und so wuchs in mir die leise Hoffnung, dass sich ein bisschen vom Geist der liebevollen Hommage auf Segas internes Sonic Team übertragen würde und diese mit dem neuesten Hauptteil endlich den Aufbruch wagen, den das Franchise so dringen nötig hat. Leider habe ich da aber wohl zu viel erwartet.
Das fängt ja schlecht an
Dr. Eggman hat es endlich geschafft und nicht nur Sonic besiegen und in Gefangenschaft nehmen können, sondern auch weite Teile der Erde unterjocht. Nach dem beispiellosen Sieg des Bösewichten vergehen Monate, bis sich Sonics Freunde so weit formiert haben, dass sie einen Gegenschlag starten und ihren Anführer aus der Gefangenschaft befreien können. Neben Knuckles, Tails, Amy und den anderen mehr oder weniger bekannten Figuren schließt sich auch ein neuer Rekrut der Widerstandsbewegung an, um den Kampf gegen Eggman und dessen Truppen aufzunehmen. Der Clou an der Sache: der Neue im Team wird vom Spieler zu Beginn in einem Editor selbst erstellt. Hier hat man die Auswahl zwischen verschiedenen Rassen (Bär, Kaninchen, Vogel etc.), an die wiederum spezielle Fähigkeiten gekoppelt sind, man legt das Geschlecht fest und nimmt einige optische Anpassungen vor. Durch das erfolgreiche Beenden einer Stage und das Erledigen von diversen Vorgaben, Nebenaufgaben sowie täglich wechselnder Missionen erhält man außerdem verschiedene Accessoires, mit denen man seinen selbst erstellten Avatar nach und nach individualisieren kann.
Stellt sich die Frage, warum man in einem Sonic Spiel überhaupt eine andere Figur außer den blauen Igel selbst steuern wollen würde? Wirklich sinnig wird der namenlose Rekrut nämlich nicht in die Handlung verbaut, stattdessen wirkt er wie ein Fremdkörper ohne Charakter. Zu allen Überfluss ist der Baukasten nicht einmal sonderlich gut, gerade die Gesichter sehen seltsam und leer aus (Stichwort uncanny valley).
Auch verstehe ich wirklich nicht, warum sich Sega entschieden hat hier eine dermaßen düstere Story aufzuziehen. Beispielsweise fallen Begriffe wie Bürgerkrieg und Folter, was im Kontext des Sonic Universums doch arg befremdlich wirkt. Letztlich haben wir es hier ja immer noch mit einem Spiel zu tun, welches sich vornehmlich an eine jüngere Zielgruppe richtet. Und nein, sonderlich interessant ist die in vielen Zwischensequenzen erzählte Geschichte ohnehin nicht geworden, weshalb man auch nicht viel verpasst, wenn man die Cutscenes überspringt.
Zwei Welten prallen aufeinander
Wie schon in Sonic Generations vereint Sonic Forces klassische 2D und moderne 3D-Elemente. Auf dem Papier klingt das zunächst toll und tatsächlich versprüht der stetige Wechsel zwischen 2D und 3D-Stages den Hauch von Abwechslung. Oftmals wechselt die Ansicht sogar in den Leveln zwischen beiden Ebenen hin- und her, wodurch eine gewisse Dynamik entsteht. Leider ist das Level-Design unter aller Kanone. Die Platzierung von Gegnern, Abgründen, Trampolinen und anderen Elementen wirkt stellenweise vollkommen wahllos und auch die grundsätzliche Architektur der Level scheint wenig durchdacht. Gerade im Vergleich zu Sonic Mania fallen eklatante Schwächen auf. Wo ich in der Hommage immer wieder zum Neuspielen eines Level animiert wurde, da verschiedene Abzweigungen und Herausforderungen lockten, ich sogar gerne von der eigentliche „Gotta go fast“ Maxime der Reihe Abstand genommen habe und einfach mal langsam durch die Areale gelaufen bin, um weitere Geheimnisse zu entdecken, da scheucht mich Sonic Forces mit Highspeed durch seine oft streng, linear aufgebauten Stages.
Der Höhepunkt der Absurdität sind jene Level, in denen man dank Double Boost Fähigkeit nicht viel mehr machen muss, als den Analogstick nach vorne bzw. rechts und gleichzeitig die X-Taste drücken muss, um Sonic ohne weiteres Zutun von Anfang bis Ende eines Levels rasen zu lassen. Gegner werden in Hochgeschwindigkeit automatisch vom Bildschirm gefegt, lediglich selten eingestreute Hindernisse, wie Kisten oder hohe Kanten, erfordern es, auch einmal die Sprungtaste zu drücken. Es ist bezeichnend, das ich über die Hälfte aller knapp 30 Stages auf Anhieb mit einem S-Ranking abgeschlossen habe, ohne mich je sonderlich ins Zeug zu legen.
Knifflige Passagen, eine wirkliche Herausforderung – all das bietet Sonic Forces zu keinem Zeitpunkt. Lediglich die Bossgegner stechen etwas hervor, haben aber erneut im direkten Vergleich mit Sonic Mania oder anderen aktuellen Plattformern das Nachsehen. Die 2D-Stages, in denen man den klassischen, mit einer Wohlstandsplauze gesegneten Ur-Sonic steuert, gefallen mir noch am besten, da sie am ehesten so etwas wie Gameplay beherbergen. Der Nachteil der 2D-Level ist die sich seltsam träge anfühlende Sprung-Physik, überhaupt wirkt die gesamte Steuerung ungenau und lässt die Präzision vermissen, die man in einen Platformer von einem eigentlich erfahrenen Entwicklerteam erwarten würde.
Pack die Peitsche aus
Neben den beiden Sonics steuert man in einigen Abschnitten übrigens auch den selbst kreierten Avatar, der mit Einer von zig freischaltbaren Waffen ausgerüstet werden kann. Darunter finden sich etwa ein Flammenwerfer oder eine elektrisch aufgeladene Peitsche. Und auch hier stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser Items. Das Spiel nötigt mich dazu rasant durch die Level zu rennen, stoppt mich aber vor Gegner, um diese mit Waffen aus dem Weg zu räumen (man kann sie prinzipiell auch überspringen). Erneut zeigt sich, dass die Entwickler einfach kein richtiges Konzept für Sonic haben und stattdessen mit halbgaren Ideen um die Ecke kommen, die spielerisch aber einfach nicht zünden.
Und das ist wirklich bedauerlich, denn gerade in der visuellen Präsentation sieht man, wie viel Arbeit und Herzblut Sonic Team an den Tag legt. Mal abgesehen von ihrer oft linearen Architektur, sind die Level nämlich in optischer Hinsicht gut, stellenweise sogar richtig gut. Immer wieder findet man kleine Details und Verweise auf die Historie der Reihe, die temporeiche Inszenierung ist ebenso fantastisch und zaubert einige hübsch anzusehende Szenen auf den Fernseher. Dazu läuft das Spiel auf der normalen PlayStation 4 in butterweichen 60 Bildern pro Sekunde. Und auch bei der musikalischen Untermalung enttäuscht Sega nicht. Hier geben sich treibende Elektro-Stücke und herrlich kitschige J-Pop Songs die Klinke in die Hand und etablieren den ein oder anderen Ohrwurm.