Resident Evil: Code Veronica X REVIEW
Nostalgie ist eine an sich schöne Sache. Vor allem Erinnerungen die ihren Ursprung in den Kindheits- und Jugendtage haben werden nachhaltig bewahrt, oftmals aber auch verklärt. Dies trifft vor allem auf den Umgang mit verschiedenen Medien zu, denn sei es das Lieblingsbuch, eine heiß und innig geliebte TV-Serie oder ein spezielles Videospiel: vieles, was man in jungen Jahren vergöttert hat, verliert bei erneuter Betrachtung im gefestigten Erwachsenenalter an Glanz, sodass manch schöne Erinnerung eingebüßt wird. Diese Erkenntnis trifft vor allem Videospieler recht häufig, was auch damit zusammen hängt, das die Nostalgie vieler Gamer mittlerweile zu einem lukrativen Geschäft für Entwickler und Publisher geworden ist und es dementsprechend Unmengen an Remakes, Reboots und Portierungen, die das geneigte Zockerherz locken. Eine der beliebtesten Methoden seitens Videospiel-Verleger angestaubte Titel aus der Mottenkiste zu holen ist dabei das sogenannte HD-Remake, sprich die Anpassung eines „Last Generation“ Titels an die Auflösung moderner Fernseher und PC-Bildschirme und somit einhergehende Portierung auf eine aktuelle Konsolen-Hardware. Allerdings genießen HD-Remakes mittlerweile einen zweifelhaften Ruf, was auch daran liegt, das die Arbeitsinvestition vieler Publisher in eine zeitgemäße Aufbereitung älterer Titel zu wünschen übrig lässt.
Ein erster Blick auf Code Veronica X
Auch der japanische Videospielriese Capcom hat schon so einige seiner Klassiker neu aufbereitet und wiederveröffentlicht. So auch 2011, als man das 15-jährige Jubiläum von Capcoms wohl größten Franchise Resident Evil zelebrierte und neben einer HD-Version von Resident Evil 4 auch eine angepasste PS3 Fassung von Resident Evil: Code Veronica X veröffentlichte, welches bei vielen Fans noch heute den Ruf als der vielleicht beste Ableger der Survival-Horror-Reihe besitzt. Und nun schafft es der besagte Teil, sogar auf der PlayStation 4 Fuß zu fassen. Grund genug also um noch einmal alte Erinnerungen wieder aufleben zu lassen. Oder eine weitere Verklärung zu entmystifizieren?
Resident Evil: Code Veronica X war der vierte große Ableger des Franchise und erschien im Jahre 2000 beinahe zeitgleich mit Resident Evil 3. Zeitlich gesehen spielt der vorliegende Titel jedoch drei Monate nach den Ereignissen des zweiten Teils. Videospieler kennen die Geschichte natürlich: eine größenwahnsinnige, als Pharmaunternehmen getarnte Organisation namens Umbrella Corporation hat einen zur biologischen Kriegsführung entwickelten Virus durch einen Unfall entlassen, woraufhin Tote wiederauferstanden sind und sich noch andere Mutationen gebildet haben. Diese haben eines gemein, sind sie doch alle ziemlich Menschenfeindlich. Mist nur, das der Unfall (der, wie sich später herausstellt natürlich gar keiner war, sondern ein geplantes Experiment) in der Nähe einer kleinen US-Stadt namens Racoon City geschehen ist und somit der entsprechende Landstrich schon bald im Chaos versunken ist. Erst nach dem Eingreifen diverser US-Behörden konnte die Epidemie eingedämmt werden, die Hintermänner sind jedoch noch immer im Verborgenen.
Ein zweiter Blick muss sein
Genau hier setzt schließlich Resident Evil: Code Veronica X an, übernimmt man doch zunächst die Rolle von jener Claire Redfield, welche im zweiten Serienableger aus der Zombie-Hölle von Racoon City geflohen ist, sich nun aber in einem Gefängnis wiederfindet, welches nicht nur von Umbrella betrieben wird, sondern auch noch irgendwo auf einer herrenlosen Insel fernab jeder Hilfe stationiert ist. Natürlich kommt es, wie es kommen muss und auch auf der Rockfort Island genannten Insel bricht bald ein Virus und somit das absolute Chaos in Form von allerhand Untoter und Mutanten aus. Später gesellt sich neben einem totgeglaubten Antagonisten, einem (O-Ton) „cross dressing Freak“ und einer peinlichen Romanze auch noch Claires Bruder Chris zu dieser wahnwitzigen Chose hinzu. Ja, Resident Evil blieb sich auch mit Resident Evil: Code Veronica X treu und präsentierte eine hanebüchenen Handlung auf unterstem B-Movie Niveau, die jedoch so bescheuert ist, das sie schon wieder gut ist. Oder anders gesagt: man hat jede Menge zu lachen.
Spielerisch betrachtet ist Resident Evil: Code Veronica X in der Retroperspektive insofern interessant, weil es die Reihe an einem Wendepunkt zeigt, der zwar so richtig erst mit „Resident Evil 4“ eingeleitet wurde, jedoch im vorliegenden Ableger bereits seine ersten Züge aufweist. Das Franchise etablierte Mitte der 1990er Jahre quasi im Alleingang das Survival-Horror-Genre und legte viele Regeln fest, die auch von den bald aufkommenden Konkurrenten übernommen werden sollten. Darunter wären neben notorischer Munitions- und Item-Knappheit, ein beschränktes Inventar zur Mitführung von Gegenständen, nicht immer logischen Rätseln auch die beschränkte Speichermöglichkeit, denn anders, als heute, in denen das Genre so verwässert ist, das man gefühlt alle fünf Minuten einen automatischen Checkpoint erreicht, so galt es bei Resident Evil: Code Veronica X noch Farbbänder einzusammeln mit denen man an wenigen Stellen im Spiel mittels einer Schreibmaschine speichern konnte. Durch die Knappheit aller essentiellen Werkzeuge zur erfolgreichen Spielbeendung wurde man von dem Spiel quasi dazu erzogen taktisch vorzugehen und sich genau zu überlegen, ob man einen Kampf eingeht und dabei wertvolle Munition verliert, oder ob man versucht einem Gefecht aus den Weg zu gehen umso später auf größere Ressourcen Rücklagen zurückgreifen zu können. Dieses Element fördert nach wie vor dem oberflächlich betrachtet plump erscheinenden Gameplay eine taktische Note ab, die Spielern, welche ab Mitte der 00er Jahre an das Medium herangetreten sind, aber vollkommen veraltet erscheinen mag, was natürlich nicht ganz falsch ist.
Technische Umsetzung
Sowieso wirkt das HD-Update von Resident Evil: Code Veronica X wie ein Relikt längst vergangener Videospieltage, denn nicht nur hat Capcom so gut wie gar keine Veränderungen an der Ursprungs-Software vorgenommen, auch ist das Spiel leider nicht sonderlich gut gealtert. Dies liegt nicht nur an den veralteten Gameplay-Mechaniken. Diese sind nämlich trotz diverser Startschwierigkeiten mit der Zeit übersehbar. Zumindest als Kenner der ursprünglichen Fassung bzw. als Liebhaber älterer Videospiele gewöhnt man sich doch recht schnell an das ruhige Pacing, die Resident Evil typischen Rätsel nach dem Motto „finde Schlüssel um Schrank X zu öffnen in welchen sich Emblem Y befindet mit welchen man wiederum Generator Z zum laufen bringt“, sowie den Mangel an allen für das Überleben wichtigen Gegenständen. Auch die träge, unter Fans als „tank controls“ bekannte Steuerung der spielbaren Figuren wirkt mit der Zeit nicht mehr ganz so nervig, wie Anfangs gedacht, zumal mit einer automatischen Zielsuche beim schießen für zusätzliche Entschärfung beim angestaubten Steuerungskonzept gesorgt wird und sich der Frust in Maßen hält.
Technisch hat Capcom nur marginale Veränderungen vorgenommen. Neben der Integration von Trophäen wurde die Auflösung natürlich nach oben skaliert, auch die Licht- und Schatteneffekte sehen meiner Ansicht nach ein bisschen besser aus, als aus dem Original bekannt. Das war´s dann aber auch schon. Keine neuen Texturen, keine neuen Charaktermodelle, keine überarbeiteten Animationsphasen. Selbiges gilt für den Ton. Die Waffen klingen mittlerweile sehr blechern, die englische Sprachausgabe ist an Fremdscham kaum zu überbieten, aber immerhin ist der stimmungsvolle Soundtrack noch immer gut. Kurzum:Resident Evil: Code Veronica X hat seinen HD-Zusatz nicht verdient, denn letztlich bekommt der geneigte Käufer hier nicht sehr viel mehr, als die 1:1 Portierung eines Dreamcast/PS2 Titels.
Mehr als nur Nostalgie
Ich für meinen Teil habe die Investition jedenfalls nicht bereut. Nein, den Effekt, den Resident Evil: Code Veronica X auf mich hatte, als ich es mit Freunden das erste Mal im abgedunkelten Kämmerlein und in einem eigentlich viel zu jungen Alter gespielt habe, hat es heute nicht mehr auf mich. Das Spiel ist aus spielerischer Sicht schlichtweg altbacken, die technische Präsentation ein Witz. Auch die Handlung, sowie deren Narration kann niemanden zufrieden stellen, der an heutige Videospiele und deren teilweise grandiose Erzählkunst gewohnt ist. Das erneute durchspielen des Titels hat einige meiner Erinnerungen, die ich mit dem Spiel verbunden habe, entzaubert. Trotzdem: ich hatte nach wie vor großen Spaß mit diesem teils vollkommen abstrusen Stück Videospiel Geschichte. Vielleicht eben weil man nun auch erkennt, wie viele Ecken und Kanten das Spiel einfach besitzt und wie viel es trotz einer allgemeinen Überalterung dann doch richtig macht.
Vor allem der grundlegende Gedanke des Survival-Horror hat für mich nach wie vor funktioniert. Die offensichtlich platzierten Schreckmomente konnten ihre Wirkung bei mir zwar nicht mehr so recht entfalten, doch die über den Großteil des Spieles bestehende Knappheit an Ressourcen in Form von Heilgegenständen, Munition und Speicherplätzen, sowie die zumindest durch Musik und stimmiges Set-Design aufgebaute Atmosphäre vermittelte mir nach wie vor dieses unwohlige Gefühl, welches ich bei modernen Genre-Ablegern und aktuellen Resident Evil Teilen kaum noch verspüre. Es gab Momente, da war ich froh, wenn sich eine Tür nicht geöffnet hat oder ein Zugang versperrt wurde, denn so konnte ich zumindest zunächst einen Raum von meiner Liste der möglichen Todesorte streichen. Ebenso gab es Augenblicke in denen meine Health-Anzeige im Keller war und ich geradezu gebetet habe, das mir keine flinken Hunter über den Weg laufen, sondern – wenn überhaupt – langsame Zombies. Diese kann man zumindest leichter umgehen und so Attacken und den nahenden Tod der Spielfigur vermeiden. Andernfalls hätte ich 30 Minuten Spielfortschritt vom Neuen beginnen können, weil ich zwischendurch zu geizig mit dem speichern umgegangen bin. In anderer Weise hat mich schließlich auch die Handlung, ihre Narration und Dialoge königlich amüsiert, eben weil hier alles so wirkt, wie in einem schlechten 80er Jahre B-Movie, der direkt für die Videotheken produziert wurde.