Hearts of Iron IV REVIEW
Wie wäre der zweite Weltkrieg ausgegangen, wenn die Weichen davor oder während des Krieges anders gestellt worden wären? Was wäre passiert, wenn Frankreich vor dem Krieg in den Kommunismus abgerutscht wäre. Wie sähe Europa aus, wenn Deutschland und die Sowjetunion gar ein Bündnis aus ihrem Nichtangriffspakt gemacht hätten? Was wäre passiert, wenn die Japaner nie Pearl Harbour angegriffen hätten? Viele Hobby-Historiker unter euch haben solche Fragen sicher schon im kleinen Kreis debattiert und sind auf keinen grünen Zweig gekommen. Das könnte jetzt ein Ende haben, denn in Hearts of Iron IV, kann man genau dies, wenngleich auch nur virtuell, erfahren.
Vorwärts Marsch!
Hearts of Iron IV ist das neueste Grand Strategy Game aus der Spieleschmiede von Paradox, die dieses Genre mit den vorherigen Teilen der Hearts of Iron Serie und ihren anderen Klassikern wie die Spielereihen Europa Universalis, Crusader Kings und Victoria begründeten. Im Spiel herrscht ihr über die Geschicke eines historischen Staates im Zeitraum während des zweiten Weltkriegs und regelt Politik, Diplomatie, Wirtschaft und Militär. Das Ziel ist wie bei den meisten dieser Spiele von Paradox sehr offen gestaltet. Zum Beispiel könnt ihr versuchen die Vergangenheit nachzuspielen, indem ihr die Sowjetunion spielt und euch auf den Angriff der Deutschen vorbereitet. Oder ihr wollt es besser machen als der Herr, der damals Deutschland geleitet hat und wollt die Sowjetunion in Ruhe lassen oder gar besiegen. Oder doch lieber mit Finnland die Weltherrschaft an euch reißen? Alles ist möglich, wenn man nur hart genug daran arbeitet.
Geschichte neu schreiben
Da wären wir auch schon beim ersten Stichwort: Arbeit. Denn wieder einmal präsentiert Paradox ein Spiel das als erstes vor allem Arbeit, Fleiß und Geduld benötigt, doch dazu später mehr. Kaum ist das Spiel gestartet, empfängt einen die typisch stimmige Musik von Hearts of Iron und ein schlicht gehaltenes Menü vor einem Bild einer amphibischen Operation. Das Spiel lässt sich in den Jahren 1936 und 1939 starten, was einem im ersten Fall noch Zeit für eventuelle Vorbereitungen oder ahistorische Wege lässt. Denn die sind in HOI IV nun deutlich häufiger möglich, was wir zwei Dingen zu verdanken haben. Erstens gibt es die Möglichkeit vor dem Spielstart ein Häkchen für einen relativ historischen Spielverlauf zu entfernen und zweitens kann man durch die neuen Nationalen Schwerpunkte sein Land in ungeahnte Richtungen bewegen. Warum als Deutschland unbedingt Danzig fordern? Man könnte ja auch einfach die vorher annektierte Tschecheslowakei gegen Danzig tauschen. Oder mit Frankreich bewusst nach rechts abdriften und sich am Ende unter einer faschistischen Regierung der Achse anschließen. Das ist nun alles möglich.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!
Ist das erste Spiel gestartet kommt dann auch die Arbeit. Denn selbst mich haut das neue Interface erstmal um. Und das obwohl ich ein eingefleischter Paradox-Suchti bin, mit über 1000 verzockten Stunden in ihren letzten Titeln. Einiges ist man gewohnt, doch vieles ist neu. Schnell wird mir klar, dass ich mich erstmal in die neuen Menüs und Anzeigen reinarbeiten muss. Wie soll es da erst dem Quereinsteiger gehen? Wieder einmal werfe ich mich in die Wiki und auf Youtube und mache mich aus Guides schlau. Überall fliegen mir Zahlen um die Ohren und ich lese mich erstmal Stück für Stück ins Spiel. Schnell wird mir klar, dass ich die ersten Zehn Spiele erstmal zum Lernen versauen werde. Es gibt zwar auch ein Tutorial, aber das verweist einen meistens auch nur zur Wiki und erklärt nur die Basics. Also heißt es erstmal mehrere Stunden in das Spiel hineinfinden, bis man den Dreh raus hat. Wenn man das Spiel dann zum ersten Mal vorbereitet spielt, sollte man sich gleich am Anfang klar machen, was man will, sonst rennt einem die Zeit davon. Den Hobbyhistoriker erwartet hier Spiel um Spiel voller interessanter Wendungen, der Casual-Gamer hat das Spiel mittlerweile vielleicht schon zurück gegeben.
Viele gute Neuerungen aber noch deutlich Luft nach oben
Das Spiel kann aber trotz allem mit vielen neuen und verbesserten Menüs und Inhalten glänzen. So ist der neue Schwerpunktbaum ein Grund dieselbe Nation auch mal auf anderen Wegen auszuprobieren. Das neue Produktionsmenü und die neue Funktion der Fabriken machen die Versorgung der Armee noch anspruchsvoller aber auch noch durchdachter. Leider gibt es auch einige Verschlimmbesserungen. So zum Beispiel die total vereinfachte Armeehierarchie, welche quasi nicht mehr existiert. Man weist einem Kommandeur einfach ein Paar Einheiten zu und diese werden dann mehr schlecht als Recht eingesetzt. Die so entstehenden Schlachtpläne sind eigentlich nur eine visuelle Neuerung. Alles in allem kann man die Armeen im Vergleich zum Vorgänger schlechter Verwalten. Was auch ziemlich nervt ist das neue Luftwaffeninterface, was eine reine Fummelei ist und bei genug Staffeln massig Zeit in Anspruch nimmt. Leider haben die Entwickler wie immer sehr wenig Zeit für korrekte Anzeige der Texte in anderen Sprachen und Übersetzungen aufgebracht, was in abgehackten Meldungen und schwer verständlichen Informationen resultiert.
Ein weiteres Manko ist die nachlassende Performance des Spiels bei fortschreitender Dauer, und das selbst mit starken PCs. So läuft die Zeit gegen Ende des Spiels mehr als zehn Mal so langsam ab im Vergleich zum Anfang. Im Multiplayer lässt sich das Spiel übrigens mit bis zu 32 Spielern genießen. Wenn man von den technischen Problemen dabei absieht, entgeht man so wenigstens dem teils verblödeten KI-Verhalten. In meinem Spiel als Nazi-USA hat sich der Deutsche so sehr in seine Vorbereitungen für den Ostfeldzug hereingesteigert, dass er die Küsten Frankreichs gar nicht gedeckt hat und GRIECHENLAND von Kreta aus in Frankreich gelandet ist und vor Berlin stand, während 400 deutsche Divisionen an der Grenze zu Russland Urlaub machten.