Hatsune Miku: Project DIVA F 2nd REVIEW
Hatsune Miku ist, zumindest in ihrem Heimatland Japan, ein Phänomen. Jede Menge an den Mann (und die Frau) gebrachte Tonträger, eine umsatzstarke Merchandise-Maschinerie und ausverkaufte Konzerthallen mit tausenden, ihre bunten Lichtstäbchen ekstatisch schwingenden Fans – soweit eigentlich nichts besonderes für eine erfolgreiche Sängerin. Der Clou an dem 16 jährigen Mädchen mit den türkis-blauen Haaren ist jedoch, dass sie keine real existierende Person aus Fleisch und Blut, sondern eine digitale Figur ist, die bei ihren Live-Auftritten als Hologramm auf die Bühne projiziert wird. Mit selbiger Technik hat Miku sogar kürzlich einen Auftritt bei US-Talker David Letterman hingelegt, der sichtlich verdutzt dem Treiben auf seiner Showbühne zugeschaut hat. Doch nicht nur Mikus Auftritte, auch ihr eigentlicher Werdegang ist eng mit den modernen technischen Möglichkeiten verbunden. So war und ist Hatsune Miku eigentlich die Bezeichnung für eine Software, die wiederum auf der Weiterentwicklung eines von Yamaha entworfenen Software-Synthesizer namens Vocaloid basiert, mit deren Hilfe durch Sprachsynthese künstlicher Gesang erzeugt wird. Hatsune Miku – wie wir sie heute kennen – wurde erst nachträglich als Avatar entworfen, was spätestens nach der Einbindung von Vocaloid-Software und virtueller Figur in Videospiele endgültig in einer wahren Popularitätsexplosion in Japan geführt hat.
Dank Internet, diversen viralen Kampagnen und einer auch außerhalb Japans stetig wachsenden Anhängerschaft, haben es die quirlige Sängerin und ihre virtuellen Freunde mittlerweile auch jenseits ihres Heimatlandes zu einem gewissen Bekanntheitsgrad gebracht. Kein Wunder also, dass Publisher Sega die entsprechenden Videospiele mittlerweile auch auf den westlichen Markt veröffentlicht. Mit dem aktuellen Ableger Hatsune Miku: Project DIVA F 2nd stehen Miku & Co. nun sogar erstmals in physischer Form in den Händlerregalen. Grund genug für japanophile Gamer zum Portemonnaie zu greifen?
Bunter Overkill
Hatsune Miku: Project DIVA F 2nd ist, wie seine Vorgänger auf PSP, Playstation 3 und PS Vita auch, ein recht klassisches Rhythmusspiel, bei welchem der Spieler die auf dem Bildschirm angezeigten Tasten in einem bestimmten Rhythmus drücken muss um so den Takt des Liedes zu halten und Punkte zu sammeln.Für solche Titel hatte Sega ja schon immer ein Händchen, wobei in westlichen Gefilden das Genre weniger mit Spielen wie Space Channel 5, sondern eher mit Titeln a la Guitar Hero assoziiert wird. Hatsune Miku orientiert sich bedingt durch ihre Herkunft weitaus stärker an anderen Spielen dieser Art von Sega und Konsorten, was man spätestens dann merkt, wenn man das erste Mal einen Song startet.
Das eigentliche Spielprinzip mutet zunächst recht simpel an – ist es ja auch, zumindest in der Theorie. Primär kommen die Dreieck, Viereck, Kreis und X Tasten zum Einsatz, hinzu kommen bei bestimmten Takten außerdem noch die Analogsticks, sowie das Steuerkreuz. Je höher der Schwierigkeitsgrad gewählt ist (leicht, normal, schwer und extrem stehen zur Auswahl), desto mehr Knöpfe müssen in einem Song abgedeckt werden. Ist es in der einfachsten Stufe nur ein Knopf plus Analogsticks, kommen bei Normal bereits die Richtungstasten und ein weiterer Button hinzu. Klingt einfach, oder? Tja, das ist ein Trugschluss. Denn schon der normale Schwierigkeitsgrad dürfte Einsteiger, wie mich, in den ersten Minuten komplett auseinandernehmen und frustriert zurücklassen.
Denn so simpel das spielerische Konzept auch sein mag, so fordernd ist es in seiner Umsetzung. Das liegt zum einen daran, dass Sega bewusst jeglichen Komfort streicht, den man von anderen Spielen des Genres her kennen mag. So werden die zu drückenden Knöpfe etwa nicht sortiert am unteren Bildschirmrand angezeigt, sondern sind über das gesamte Bild kreuz und quer verteilt. Hinzu kommt, dass bei jedem Song ein Musikvideo im Hintergrund läuft, bei welchen nicht nur Hatsune Miku und ihre Freunde singend und tanzend durch das Bild huschen, sondern auch jede Menge Effekte auf den Spieler abgefeuert werden, die das Auge permanent zur Ablenkung verführen. Kurzum: hier herrscht das totale Chaos. Das kann überfordern und nicht zuletzt auch abschrecken.
Wow, das macht ja Spaß
Vor allem für Einsteiger dürfte Hatsune Miku: Project DIVA F 2nd also zunächst vor allem mehr Arbeit, als Spielspaß darstellen. Nachdem die erste Demütigung verkraftet, die Augen beruhigt und neuer Mut gefasst ist heißt es daher erst einmal: Tutorial spielen, sich wirklich mit der Steuerung vertraut machen und ganz unten anfangen. Schnell merkt man, dass Geduld und Konzentration der Schlüssel zum Erfolg sind und nach einigen Anläufen bekommt man den Bogen schließlich einigermaßen raus. Und irgendwann erreicht das Spiel gar den Punkt, an dem Fleißarbeit in Spielspaß umgemünzt wird. Das ist spätestens dann der Fall, wenn die virtuellen Diven nach einem vollendeten Song glücklich gratulieren und die Endauswertung Zeugnis über die absolvierte Leistung erteilt. So stark das Frustpotential anfänglich auch sein mag, so groß ist letztlich auch das befriedigende Gefühl, nachdem man einen Song erfolgreich gemeistert und einen ersten Highscore aufgestellt hat, welcher fortan natürlich immer wieder geknackt werden will.
Die Musik spielt natürlicherweise eine zentrale Rolle. Doch egal ob nun schneller Pop, amüsante Polka, krächzender Rock, treibende Elektromusik oder ruhige Ballade – alles wird durch den Jpop-Hexler gejagt und kommt als für viele westliche Ohren wohl recht unhörbares Kuddelmuddel raus. Das muss man explizit mögen oder aber die Offenheit besitzen, sich damit anfreunden zu können, andernfalls wird man an dem gesamten Spiel keinen Spaß finden. Die Songauswahl selbst ist übrigens recht üppig und deckt mit den nach und nach freizuspielenden, knapp 40 verfügbaren Songs viele der bei Fans populären Stücke und auch einige neue Werke ab. Wem die Songauswahl zu bescheiden ist, der kann außerdem per kostenpflichtigen DLC weitere Stücke erwerben.
Auch optisch macht Hatsune Miku: Project DIVA F 2nd auf der Playstation 3 eine sehr gute Figur. Sicherlich gibt es grafisch weitaus komplexere Spiele, trotzdem machen die wunderbar animierten und stets kunterbunten Videos sehr viel Spaß und vermitteln naive Lebensfreude durch und durch. Da ist es geradezu schade, dass man beim aktiven spielen eigentlich nur selten die Gelegenheit bekommt sich zusätzlich noch auf das Geschehen im Hintergrund zu konzentrieren. Allerdings lassen sich alle Musikvideos auch separat und ohne jegliche Hektik anschauen.
Ein Star zum anfassen
Neben der musikalischen Ebene bietet Hatsune Miku: Project DIVA F 2nd außerdem noch einen Tamagotchi ähnlichen Modus. In diesen kann man sich um Miku und ihre fünf Freunde kümmern und sie quasi bemuttern. Man kann sie neu einkleiden, ihre jeweiligen Räume mit Möbeln und Accessoires bestücken, ihnen Geschenke machen und sie betatsch…ich meine über den Kopf streicheln. Durch all diese Aktionen kann man Beziehungen zu den Figuren aufbauen, einen wirklichen Mehrwert erfährt das Spielerlebnis dadurch aber nicht. Zudem sind diese Tätigkeiten stets optional. Wer sich also nur auf das Rhythmusspiel konzentrieren will, der kann dies ohne jegliche Abstriche tun.
Zusätzlich zu den genannten Modi gibt es außerdem diverse Editoren und anderen Zeitvertreib. Neben einem Fotomodus, in welchen man die virtuellen Stars in allen möglichen Posen und Outfits ablichten und die entsprechenden Fotos auf der Festplatte speichern kann, gibt es außerdem einen Editor, der es erlaubt beispielsweise aus eigenen MP3s von der Festplatte oder einem externen Speichermedium eigene Levels zu bauen, in denen die eigenen Songs von den Vocaloids performt werden. Das ganze geht so sehr in die Tiefe, dass man nicht nur festlegen kann wo im Bildschirm die Button-Icons aufzutauchen haben, sondern auch wie das Video auszusehen und die Vocaloids sich zu bewegen haben.