Steep – Winter Games Edition REVIEW
Mit dem vor rund einem Jahr veröffentlichten Steep brachte Ubisoft einen neuen Ansatz ins Genre der Wintersport-Spiele. Da, wo bei SSX und Konsorten meist übertriebene Action und die Möglichkeit mit irrsinnigen Trickkombos den Highscore in die Höhe zu treiben vorherrschen, besann sich das hauseigene Studio Ubisoft Annecy auf einen Simulationsansatz mit offener Spielwelt. Nun veröffentlicht der französische Publisher das Hauptspiel noch einmal neu, versieht das Ganze mit frischen Inhalten, die zu den vor der Tür stehenden olympischen Spielen passen, und tauft das Bundle Winter Games Edition.
Definitive Edition?
Eines vorweg: die Winter Games Edition richtet sich ganz klar an diejenigen, die Steep bisher nicht besessen haben. Wer das Hauptspiel bereits sein Eigen nennt, kauft sich in einem der entsprechenden Download-Stores von Sony, Microsoft oder auf Steam den Road to the Olympics DLC für 29,99 Euro. Wer als Neueinsteiger nun aber hofft die definitive und komplette Edition zu erwerben, der dürfte enttäuscht werden, denn die Neuveröffentlichung klammert die bereits erschienenen Inhalte des Season Pass aus. Wer Hauptspiel, Season Pass und den DLC zu den olympischen Spielen in einem Gesamtpaket haben will, der muss zur 69,99 Euro teuren Steep – Winter Games Gold Edition greifen. Diese habe ich bisher aber nur auf Steam bzw. im US-amerikanischen PlayStation Store gefunden. So oder so ist die Veröffentlichungspolitik ärgerlich und unnötig umständlich, ein bisschen mehr Kundenfreundlichkeit hätte Ubisoft hier gerne walten können.
Herrliche Panoramen
An einem mangelnden Angebot kann man sich als Neueinsteiger dennoch nicht beklagen, denn schon das Grundspiel inklusive seiner kostenlosen Updates bietet enorm viele Herausforderungen, Turniere und Events, hinzu kommt noch die Open World, die man quasi von Beginn an vollkommen frei erkunden kann. Und wenn man den Entwicklern eines attestieren kann, dann, dass sie eine nicht nur große, sondern stellenweise auch spektakuläre Winterwelt gebaut haben. Allzu stark verwundert das eigentlich nicht, schließlich liegt das Studio der Entwickler unweit des Mont Blanc, der in Steep ebenfalls bereist und befahren werden darf.
Im Vergleich zu anderen Spielen mit einer offenen Welt wirken die digitalen Alpen sowie die Bergregionen in Alaska und den komplett neuen Arealen in Südkorea und Japan natürlich etwas leer, am visuell sehr stimmigen Gesamteindruck kratzt das aber wenig. Vor allem die Inszenierung der teils atemberaubenden Bergpanoramen und die visuell wie physisch zufriedenstellende Umsetzung des Schnees inklusive der entsprechenden Geräuschkulisse lassen jedes Wintersportherz höher schlagen.
Der Weg ist das Ziel
Einen Story-Modus oder ähnliches gibt es nicht, auch die Struktur ist vollkommen losgelöst von jeglichen Be- und Einschränkungen. Nach einem flotten Intro schmeißt uns das Spiel direkt ins Geschehen und eröffnet die grenzenlose Freiheit zu tun und zu lassen, was man will. Und das könnte den ein oder anderen durchaus überfordern, denn wie die meisten offenen Welten aus dem Hause Ubisoft, so ist auch Steep vollgepackt mit Dingen, die man machen und entdecken kann. Dementsprechend könnte sich die Eingewöhnungsphase etwas langwieriger gestalten, schließlich wollen zig Menüs gelesen und Tutorials verinnerlicht werden, bevor man richtig durchstarten kann. Ist diese anfängliche Hürde aber erst einmal überstanden, so entfalten sich nach und nach die mannigfaltigen Qualitäten des Titels.
Wahlweise mit einem Paar Ski oder einem Snowboard am Boden, mit einem Wingsuit oder Paraglider in der Luft werden die Winterlandschaften bereist. Zusätzlich kann man noch einen Schlitten und einen Rocket-Wingsuit freischalten. In jeder Region gibt es Drop Zones (Schnellreisepunkte) und besondere Orte zu entdecken. So kann man hoch oben im japanischen Gebirge mystische Tempelanlagen und rosa-blühende Kirschblüten finden, während in den europäischen Alpen kleine Dörfer und Bergruinen darauf warten gesichtet zu werden. In irgendeiner Form mit den Ortschaften interagieren kann man zwar nicht, als Schauwert stechen sie aber angenehm aus den dominierenden Schneemassen hervor und füllen die Welt mit etwas mehr Geschichte.
Der Berg spricht
Apropos Geschichte: kleine Handlungen werden in den sogenannten Bergstories erzählt. Hierbei handelt es sich um eine der verschiedenen Missionsformen, mit dem großen Unterschied, das der jeweilige Berg quasi in die Rolle des Erzählers schlüpft und „seine“ Geschichte erzählt. Das mutet zwar ein bisschen esoterisch an, ist letztlich aber eine stimmungsvolle Abwechslung, die außerdem ein paar Informationen über die jeweiligen Regionen und ihre Geschichte mit sich bringt.
Wer gar keine Lust auf die Entdeckung der Bergwelten hat, der kann sich auch ganz einfach via Menü zu den verschiedenen Events, Herausforderungen etc. beamen lassen. Bei den verschiedenen Spielvarianten wird in den unterschiedlichen Sportarten unterteilt: mit Ski und Snowboard werden Zeitrennen gefahren, man trickst um die höchste Punktzahl oder erfüllt andere Zielvorgaben, die aber lediglich bei den Bergstories etwas vom doch sehr überschaubaren Schema abweichen. Mit dem Wingsuit hingegen stürzt man sich mit Affenzahn in die Tiefe und punktet, indem man möglichst nah am Boden entlang gleitet. Dabei springt der Adrenalinspiegel schnell in die Höhe, denn die Wingsuit-Missionen sind selbst auf der einfachsten von insgesamt drei Schwierigkeitsstufen (leicht, mittel, schwer) ganz schön anspruchsvoll. Viel relaxter geht es in den wenigen Aufgaben mit dem Paraglider zu. In diesen muss meistens nur ein Zielpunkt erreicht werden, Zeit und andere Faktoren spielen meist keine Rolle.
Gerade beim Fahren mit Ski und Snowboard macht sich der Simulationsaspekt bemerkbar. Zwar kann man mit genügend Schwung auch in Steep Tricks machen, die so in der Realität kaum möglich wären, im Vergleich zur Konkurrenz verfolgt man bei Ubisoft aber einen fast schon geerdeten Ansatz. Das merkt man nicht zuletzt bei der sehr präzisen Steuerung, deren Grundlagen zwar schnell erlernt sind, deren Meisterung aber einiges an Übung abverlangt.
Yo, voll krass Mann!
Mit jeder abgeschlossenen Mission (die man übrigens nach Lust und Laune immer wieder angehen kann) erhält man Erfahrungspunkte und ein bisschen Geld. Manche Missionen erfordern eine höhere Levelstufe und sind nicht von Beginn an verfügbar, mit dem erspielten Geld hingegen kauft man sich neue Bretter, Outfits, Mützen und so weiter. Hier nimmt sich das Spiel übrigens nicht sonderlich ernst, schließlich lassen sich auch jede Menge Spaß-Kostüme freispielen, wie zum Beispiel ein Giraffen- oder Sumo-Outfit.
Dazu passt die allgemein lockere Grundstimmung. Brutale Stürze werden da gerne mal zynisch aus dem Off kommentiert und auch sonst geizt Steep nicht mit Unbeschwertheit. Gerade der hippe Slang dürfte für manche Ohren etwas übertrieben wirken, irgendwie gehört das aber ja zur Pistenstimmung dazu.
Wintergames Light
Eine der großen Neuerungen des Road to Olympics DLCs sind sicherlich die bereits erwähnten neuen Regionen. Neben Südkorea, wo die Winterspiele 2018 stattfinden, gibt es zusätzlich noch die japanische Bergwelt. Seltsamerweise lässt sich nur Letztere frei erkunden, in Südkorea kann man lediglich die olympischen Turniere und andere Missionen spielen.
Als weitere Neuerung präsentiert sich der Karriere-Modus, in welchen man den eigenen Athleten vom Trainingslager bis zu den olympischen Spielen führt. Zusammengehalten wird die Kampagne mit mehreren Videos, in denen bekannte Wintersportler, wie Lindsey Vonn davon berichten, was sie antreibt. Das ist gerade für Wintersport-Fans sicherlich interessant, schade ist aber, dass man zum eigenen Charakter keinerlei Bindung aufbauen kann. Lediglich die Nation, für die man an den Start gehen will, lässt sich zu Beginn wählen, beim Aussehen ist man hingegen auf die bereits bekannten Figurenmodelle, beim Namen auf den PSN-Namen beschränkt.
Wirklich schwer wiegt hingegen das Fehlen von populären Sportarten wie Skispringen, Eisschnelllauf, Bob und anderen Varianten. Tatsächlich kann man lediglich mit Ski und Snowboard in unterschiedlichen Disziplinen wie Snowboard-Halfpipe, Big Air, Riesenslalom, Downhill und Super-G antreten. Für ein Spiel, das mit olympischer Lizenz wirbt, ist das dann doch etwas sehr wenig.