Resident Evil 7: Biohazard REVIEW
Nach den zwar kommerziell erfolgreichen, aber bei Fans und Kritikern nicht sonderlich beliebten Teilen 5 und 6 wagt Capcom mit Resident Evil 7 einen radikalen Einschnitt. Ein Wechsel zur First-Person Perspektive, komplett neue Figuren und Storyansätze sollen dem Franchise frische Impulse geben und der bereits vor Jahren versprochene, aber nie wirklich eingelöste Schritt zurück zu den Wurzeln der Reihe sollte auch noch vollzogen werden. Große Versprechungen und Wagnisse – zahlt sich der Mut für Capcom aus?
Gelungener Neustart
Auch wenn niemand offiziell von einem Reboot spricht, so ist Resident Evil 7 definitiv ein frischer Start für die Serie, die vor rund 21 Jahren auf der PlayStation ihren Anfang nahm und maßgeblich den Suvival-Horror als Genre und Erfolg etabliert hat. Der aktuelle Teil ist bei weitem nicht der erste, mit dem sich die Serie neu erfinden will. Das schaffte man schon 2004 mit Resident Evil 4, welches ebenso radikal mit vorherigen Mustern brach, wie es aktuell der siebte Teil versucht. Doch nun geht Capcom noch einen Schritt weiter.
Mit Ethan Winters führt die Serie erstmals seit vielen Jahren einen komplett neuen Protagonisten ein. Dessen Frau Mia ist vor über drei Jahren spurlos verschwunden. Als Ethan eines Tages ein seltsames Video erreicht, in dem ihn seine offenbar noch lebendige Frau um Hilfe anfleht, macht er sich auf die Suche nach ihr und lande schließlicht in den Tiefen der amerikanischen Südstaaten. Irgendwo hier liegt das Baker Anwesen, wo Ethan seine Frau vermutet. Schnell wird ihm aber klar, was man als allwissender Spieler natürlich schon beim Einlegen der Disc in die Konsole weiß: auf dem schaurigen Anwesen geht es alles andere als Normal zu und ein Kampf ums nackte Überleben nimmt seinen Anfang…
Die Handlung, die sich vor allem aus dem US-Horrorkino der 1970er Jahre speist und mit Motiven und direkten Verweisen von Texas Chainsaw Massacre, über The Hills Have Eyes und The Evil Dead aufwartet, war im Vorfeld eines der großen Mysterien und warf viele Fragen auf. Wie sollte eine Verbindung zu den vorherigen Teilen hergestellt werden? Wie fügen sich die neuen Figuren in das Universum ein? Und funktioniert ein geerdetes Resident Evil ohne überzeichnete Antagonisten, böse Riesenkonzerne und aufgepumpte Macho-Charaktere? Ja, das Spiel stellt eine Verbindung zu der bisherigen Chronik her, ja, die neuen Figuren passen gut zum Franchise und ja, die sich zurücknehmende Handlung und das Fehlen von überdrehten Elementen tun vor allem der Stimmung gut. Trotzdem brauchte ich sehr lange, bis sich die letztlich nicht sonderlich aufregende Handlung für mich als weiterer Bestandteil des Franchise angefühlt hat, denn Resident Evil 7 steht zunächst einmal vor allem für sich und sucht erst gegen Ende den Anschluss an bisherige Geschehnisse.
Blasser Held und unspektakuläre Handlung
Gerade bei der Handlung muss man mit einigen Ungereimtheiten leben. Auch wenn mir die vielen Verweise auf Horrorfilme gefallen haben, so tut sich die Story schwer richtig in Gang zu kommen. Große Höhepunkte gibt es innerhalb der Narration keine, selbst die Wendung zum Auftakt des letzten Spieldrittels hat mich einigermaßen kalt gelassen. Und gerade beim besagten letzten Akt verliert Resident Evil 7 nicht nur hinsichtlich seiner Erzählung, sondern auch spielerisch ziemlich stark an Boden. Zeigt sich das Spiel in den ersten Spielstunden als gemächlicher Horror mit klaustrophobischer Atmosphäre und geglückt platzierten Kämpfen, so zieht das Spiel in den letzten zwei bis drei Spielstunden auf einmal gehörig an und präsentiert einen stärkeren Actionfokus. Das hätte das Spiel nicht gebraucht und hinterlässt einen faden Beigeschmack, der den Gesamteindruck letztlich nach unten zieht.
Und auch mit den Figuren habe ich teilweise meine Probleme, allen voran mit Ethan als neuen Hauptcharakter, der erschreckend blass und unnahbar bleibt. Bedenkt man, das Ethan im Vergleich zu einem Chris Redfield oder Leon S. Kennedy kein ausgebildeter Kämpfer ist und das erste Mal ein solches Grauen erlebt, wirkt er außerdem viel zu gefasst. So trifft Ethan relativ schnell auf seine zwar noch lebende, aber offenbar von allen guten Sinnen verlassene Frau, die kurz nach dem Wiedersehen mit Schimpfwörtern und allerlei zweckentfremdeten Werkzeugen auf ihren Mann los geht. Das scheint Ethan allerdings nicht allzu sehr etwas auszumachen. Nie macht der neue Protagonist den Eindruck die Fassung zu verlieren oder an dem Grauen, was ihm widerfährt, zu verzweifeln. Das hat es mir schwer gemacht mich richtig mit dem Charakter zu identifizieren. Wesentlich besser gelingt die Figurenzeichnung bei den neuen Antagonisten, allen voran Jack Baker.
Kernkompetenz
Die neuen Antihelden sind ein Indiz der vielen Paradigmenwechseln, die Capcom eingeführt hat. Die Bakers mögen auf dem ersten Blick typische Hinterwäldler mit Hang zum Menschenfleisch und sadistischen Spielen sein. Allerdings haben sie eine Geschichte, die das Spiel am Rande erzählt und die sich nur jenen Spielern offenbart, die mit offenen Augen der Spielwelt begegnen. Je mehr man sich durch das Anwesen der Familie bewegt, desto mehr taucht man in deren Geschichte ein. Man findet Pokale des Sohnes, Fotos aus glücklichen Tagen, gelesene Bücher und vieles mehr. Das Baker Anwesen versprüht trotz seines Verfalls die Aura eines Ortes, an dem gelacht, geweint, gestritten, kurzum, gelebt wurde. Die Zeiten, in denen die Figuren in einfache gut/böse Schemata kategorisiert wurden, sind vorbei.
Das macht den Schrecken des Spiels nahbar und härter. Abgesehen von den teils sehr brutalen Splatter-Szenen, mit denen Resident Evil 7 wahrlich nicht geizt, sind es vor allem die ruhigen Momente, die bei mir Klick gemacht haben und mir einen sehr viel greifbareren Horror offenbart haben. Hier löst der Entwickler tatsächlich sein Versprechen ein und führt die Serie zu ihren Ursprüngen zurück. Denn was die Stimmung angeht, so ist der aktuelle Teil einer der stärksten, wenn nicht gar der bisher beste Teil der gesamten Reihe.
Das resultiert nicht zuletzt auch durch das an die ersten Teile erinnernde Gameplay. Munitionsknappheit, wenig Lebensenergie, die pure Unwissenheit, was an der nächsten Ecke auf mich lauert: all das zeigt, das Capcom die Kernkompetenz der Reihe wieder zurückgeholt hat. Was den reinen Gruselfaktor angeht, so bin ich allerdings leider ein Opfer meiner Videospielerfahrung. Denn wenn Jump Scares und Ekelszenen abgefahren werden, lässt mich das Spiel sehr kalt. Klar, das ein oder andere mal habe ich mich erschrocken. Es war aber nie so schlimm, das ich das Gefühl hatte den Controller für eine Weile aus der Hand zu legen und mich im warmen Sonnenlicht und frohen Gedanken zu baden.
Neue Perspektive…
Die sicherlich radikalste Änderung dürfte auf den ersten Blick der Wechsel der Perspektive sein. Wurden alle bisherigen Hauptteile und die meisten Ableger aus der Third-Person Sicht bzw. festen Kameraeinstellungen gespielt, so wechselt Resident Evil 7 in die Ich-Perspektive. Damit orientiert sich Capcom ganz klar an moderne Horrorspiele aus dem Indiesektor und versucht gleichzeitig den Virtual Reality Zug mitzunehmen. Aktuell ist die Funktion (noch?) exklusiv für Sonys PlayStation VR, was ich aufgrund eines Fehlen des entsprechenden Devices leider nicht testen konnte. Die meisten Spieler und Pressestimmen zeigen sich von dem VR-Modus aber durchaus überzeugt bis begeistert.
Doch auch für Nichtbesitzer einer PlayStation VR funktioniert die neue Sicht. Man sollte derweil aber keinesfalls den Fehler begehen und hinter Resident Evil 7 einen Ego-Shooter vermuten. Ethan lässt sich nämlich sehr behäbig, fast schon ungelenk steuern. Gerade das Waffenhandling wirkt träge, was Sinn macht, da Ethan zum ersten Mal in seinem Leben Waffen in der Hand hält und mit diesen nur mäßig umgehen kann, was sich im schwammigen Umgang mit Pistole, Flinte und Co. widerspiegelt. Es brauchte wirklich einige Zeit, bis ich mich mit der Steuerung zurechtgefunden habe und das Fluchen in den sich dadurch zu Beginn knackig gestaltenden Kämpfen einstellen konnte. Gerade bei etwas schnelleren Gegnern hatte ich nämlich wirklich mit meiner Geduld und meinen Nerven zu kämpfen, umso befriedigender hat sich dafür natürlich ein Sieg über meinen Widersacher angefühlt.
…vertrautes Spielgefühl
Erstaunlich ist das sich das Spiel trotz komplett neuer Perspektive wie ein klassisches Resident Evil anfühlt. Das mag zum einen an der ebenfalls teils anstrengenden Steuerung der ersten Teile liegen, hat aber vor allem mit dem eigentlichen Gameplay zu tun. Die bereits erwähnte Ressourcenknappheit ist ein Faktor, ein weiterer sind die ebenfalls erwähnten Kämpfe, die nun wesentlich reduziert wurden, sich dafür aber eben anspruchsvoller gestalten.
Gerade die Bosskämpfe sind hier als kleines Highlight herauszustellen. Viele gibt es von diesen nicht, dafür sind sie mir alle in Erinnerung geblieben. Enttäuscht bin ich hingegen von der mangelnden Vielfalt der normalen Gegner. Auf die serientypischen Zombies und andere bekannte Monster muss man komplett verzichten, dafür gibt es jetzt die sogenannten Molded. Diese bilden sich aus dem schwarzen Schleim, den man überall im Baker Anwesen antrifft, und treten in drei verschiedenen Typen auf. Die normalen Molded sind nicht sonderlich schnell und leichtes Kanonenfutter, die auf allen Vieren kriechende Variante dafür umso flinker. Richtig fies sind jene, die mit giftigen Schleim spucken. Außerdem gibt es noch aggressive Insektenschwärme, sowie die Mitglieder der Baker Familie, die neben ihrer Rolle als Bosse auch in der Form von übermächtigen Verfolgern (Nemesis lässt grüßen) auftreten. Und das war´s.
Zwar macht es im Kontext der Handlung durchaus Sinn, dass es nicht allzu viele verschiedene Gegnertypen gibt. Dennoch leidet darunter die Unberechenbarkeit der Gesamtinszenierung und das Gefühl der Bedrohung wird nach und nach eingedämmt. Die ein oder andere Überraschung hätte sich Capcom hier gerne noch aus den Ärmeln schütteln dürfen.
Der letzte Schrei: VHS und Musikkassetten
Was wäre ein Resident Evil ohne die für die Serie so typischen Rätsel? Diese finden auch im siebten Teil ihren Weg zurück ins Spiel und reichen von bekannten „suche ein Emblem um eine Tür zu öffnen“ bis hin zu „entnimmt hier eine Sicherung und setze sie dort wieder ein“. Der Schwierigkeitsgrad der Knobelaufgaben ist leider nicht sonderlich hoch und hier und da hätte es durchaus mehr Variation sein können.
Ein neues, bereits aus der Demo bekanntes Element sind die VHS-Kasetten, die man im Anwesen verteilt findet. Legt man diese in einem Abspielgerät ein, so kann Ethan nicht nur einen Blick in die Vergangenheit und das Schicksal anderer Figuren wagen – der Spieler darf die meist kurzen Abschnitte gar selbst spielen. Hier gefällt mir gerade der „Happy Birthday“ Abschnitt, in den man in einem „Escape the Room“ Puzzle gefangen ist und ein einigermaßen kniffliges und kreatives Rätsel lösen muss.
Eine Rückkehr machen indes auch die Itemboxen und Speicherräume. Gespeichert wird nun aber nicht mehr an Schreibmaschinen, sondern an Kassettenrekordern. Während dies auf einfachen und normalen Schwierigkeitsgrad so häufig, wie man muss und will geht, so braucht man auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad dafür aber Musikkassetten, was den Oldschool-Touch natürlich noch einmal verstärkt. Und auch auf die für viele Fans offenbar sehr wichtigen Heilkräuter muss man nicht verzichten. Diese werden auch weiterhin (diesmal mit Chemikalien) gemixt, um eine stärkere Wirkung zu entfalten. Das Herstellen von Items nimmt sowieso eine etwas größere Rolle ein. Sofern die entsprechenden Rohmaterialien vorhanden sind, kann man unter anderem auch Munition und Granaten für den Granatwerfer herstellen.
Katastrophaler Ersteindruck
In technischer Hinsicht haben die ersten Spielminuten bei mir einen katastrophalen Eindruck hinterlassen. Matschtexturen und grobe Kanten und dazu ein hässlicher Braunfilter – was soll denn das? Wenig später hat sich dieser Eindruck drastisch relativiert, teilweise wirkte Resident Evil 7 gar fotorealistisch und schaurig real. Der Wechsel von Tag (die ersten Spielminuten) in die Nacht (der überwiegende Teil des Spiels) könnte kaum krasser ausfallen und zeigt, dass die neue RE-Engine noch nicht ganz ausgereift ist.
Solange sich das Spiel in abgegrenzten Arealen, sprich innerhalb des Hauses, abspielt, ist der Detailgrad sehr hoch und überzeugt vollkommen. Auch bei der Beleuchtung innerhalb von Gebäuden sorgen die Grafiker für tolle Stimmung. Die wenigen Außenareale wirken hingegen unausgegoren, halten sich aber sowieso in Grenzen. Auch die Gestiken und Mimiken der Figuren wirken teilweise noch etwas seltsam, teilweise aber auch sehr real.
Unterm Strich ist Resident Evil 7 ein optisch gelungenes Spiel, das in seinen vielen dunklen Abschnitten viel kaschieren kann. Hinsichtlich der Musik wird hingegen dauerhaft großes Kino abgefeuert und auch bei der Sprachausgabe (man hat unter anderen die Wahl zwischen Deutsch, Englisch und Japanisch) zeigt sich das Spiel auf einem guten Niveau.