The Kingdom of Dreams and Madness REZENSION
Kein anderes Animationsstudio ist so stark zum Synonym für anspruchsvolle Anime-Unterhaltung geworden, wie Ghibli. Nahezu jeder Film in der rund 30-jährigen Geschichte des Studios ist ein Meisterwerk geworden und es ist nicht zuletzt Filmen wie Mein Nachbar Totoro, Das Wandelnde Schloss und Prinzessin Mononoke zu verdanken, dass das Medium im Westen Fuß fassen konnte. Ebenso interessant, wie die Filme von Hayao Miyazaki und Co., ist für viele Fans aber sicherlich auch das eigentliche Schaffen. Dieses ergründet die grandiose Dokumentation The Kingdom of Dreams and Madness, welche es mit rund drei Jahren Verzögerung nun auch endlich auf DVD und Blu-ray nach Deutschland geschafft hat.
Feinsinnige Hommage
Für ihre Dokumentation hat Regisseurin Mami Sunada für rund ein Jahr hinter die Kulissen von Ghibli schauen dürfen und konnte dabei in den Arbeitsalltag des weltberühmten Animationsstudios eintauchen. Die Aufnahmen sind zu einem Zeitpunkt entstanden, in welchen Ghibli kurz vor turbulenten Zeiten stand. Wie wir heute wissen, befindet sich das Unternehmen derzeit in Umstrukturierungsmaßnahmen, in dessen Folge erst einmal keine eigenen Hauptfilme mehr produziert wurden. Und auch wenn diese Schritte der Öffentlichkeit (und vielleicht nicht einmal der Belegschaft) zum Aufnahmezeitpunkt noch nicht bewusst waren, so ist The Kingdom of Dreams and Madness definitiv von einer gewissen Melancholie begleitet, die das nahende Ende zu verkünden scheint.
Das passt zum Stil der Dokumentation, aber eben auch zum Schaffenswerk von Ghibli sehr gut. Schließlich sind ja auch viele Filme des Studios bis zu einem gewissen Rahmen schwermütig und ziehen einen unaufgeregten Erzählrhythmus vor. Und genauso verhält es sich eben auch mit The Kingdom of Dreams and Madness, der es gelungen ist eine feinsinnige Hommage, aber keine blinde Ehrerbietung zu sein. Kritische Töne sind nämlich durchaus vorhanden und sie kommen nicht zuletzt vom König des Ghibli Reiches – Hayao Miyazaki.
Der König der Träume
Es liegt wohl in der Natur der Dinge, das Miyazaki auch in der Dokumentation Dreh- und Angelpunkt ist. Obwohl Ghibli aus vielen anderen Köpfen besteht, so führt an dem Aushängeschild des Studios eben kein Weg vorbei. Ob sich Miyazaki in dieser Rolle immer gemocht hat, ist schwer zu sagen. Man merkt ihm an, das er kritisch mit sich selbst und seinem Schaffenswerk sein kann. Ebenso ist er aber auch von seinen eigenen Überzeugungen und Ansichten getragen, seien sie richtig oder falsch. Gerade in Japan eckte er damit immer wieder an, äußerte er sich doch immer wieder zu politischen und gesellschaftlichen Kontroversen. Nicht wenige sehen in Miyazaki einen der letzten Intellektuellen des Landes.
Dieser Rolle wird er in The Kingdom of Dreams and Madness auch gerecht. Er philosophiert häufig über das Leben und nicht Anime bezogene Themen. Sunada ist es gelungen den Menschen Miyazaki einzufangen, der Regisseur Miyazaki spielt da fast schon eine untergeordnete Rolle. Das mag manchen Zuschauer überraschen und nicht unbedingt gefallen. Dennoch ist Miyazaki´s Denken eng verknüpft mit seinem Schaffen und letztlich auch mit dem Lebenswerk von Ghibli.
So einnehmend der Altmeister auch ist: auch seine Kollegen und Wegbereiter kommen zu Wort und geben Einblick in ihre Sichtweise und ihr kreatives Schaffen. Es ist nicht zuletzt der zweite große Mann von Ghibli, Isao Takahata, der einen Kontrast zu Miyazaki bildet. Der Freund und Rivale tritt allerdings erst gegen Ende in Erscheinung und bleibt lange Zeit fern.
Ein Muss für Fans?!
Auch wenn The Kingdom of Dreams and Madness vielleicht nicht unbedingt die Dokumentation ist, die viele Fans erwartet haben, so ist sie dennoch eine, die für Liebhaber von Ghibli einen ebenso wichtigen Platz im heimischen DVD-Regal einnehmen sollte, wie die vielen Klassiker des Studios. Dabei hat man die Wahl zwischen DVD und Blu-ray. Die Unterschiede zwischen beiden Versionen sind marginal und dürften vor allem in der gebotenen Bildqualität zu finden sein.
Mir liegt die DVD-Fassung vor, die einen sehr guten Bildoutput besitzt. Fehler im Bild, Tearing oder Artefakte sind mir nicht aufgefallen. Die Auflösung liegt im Breitbildformat 16:9 vor. Der hiesige Verleih hat sich gegen eine Synchronisierung entschlossen, was dank der guten Untertitel kein Problem darstellt. Das Tonformat liegt in DTS-HD 5.1 vor, die Qualität ist astrein.
Auch in Sachen Extras gibt es fast nur positives zu berichten. Hier findet man zum einen „Ushiko erkundet!“, einen weiteren, rund 30-minütigen Blick hinter die Kulissen bei Ghibli. Diesmal wird das Ganze aber aus der Sicht von Katze Ushiko geschildert, die in dem Gebäude lebt. Auch findet sich ein „Kurzfilm“ bei den Extras. Dieser ist in Wahrheit aber nicht mehr als ein Trailer zu The Kingdom of Dreams and Madness.
Fazit
Eigentlich kann ich es ganz kurz machen, denn für Fans von Studio Ghibli bzw. dem Medium Anime ist The Kingdom of Dreams and Madness ein Muss. Selten hat man einen so guten Einblick hinter die Kulissen des berühmten Unternehmens bekommen und durfte den Künstlern rund um Hayao Miyazaki bei ihrem Schaffen über die Schulter blicken. Zwar nimmt die Dokumentation immer wieder Abstand von der eigentlichen Arbeit der Animateure, doch auch wenn man den Gedankengängen von Miyazaki und Co. lauscht, so ist dies ein sehr tiefer Einblick in das Schaffenswerk von Ghibli und letztlich untrennbar mit den vielen Klassikern. Der Regisseurin ist der Spagat gelungen eine liebevolle Hommage, aber eben keine überschwängliche Lobpreisung abzuliefern. Und gerade das macht The Kingdom of Dreams and Madness auch ein bisschen aus.