Radiant Historia: Perfect Chronology REVIEW
Die Geschichte wiederholt sich, immer und immer wieder. So kommt auch Radiant Historia wieder zurück auf virtuelle Ebenenen, diesmal mit dem Untertitel „Perfect Chronology“. Hierbei handelt es sich um ein Remaster des ursprünglich für den Nintendo DS erschienen JRPGs. Sagt dir nichts? Das ist vollkommen ok, es kam nämlich nie in Europa heraus, was bedeutet, das Remaster ist damit die erste Veröffentlichung hierzulande.
Man schlüpft in die Rolle des Geheimagenten Stocke, der von seinem Mentor mit dem Namen „Heiss“(wie kalt), den Auftrag erteilt bekommt, einen Spion sicher in die Hauptstadt zu geleiten. Außerdem erhält er den „White Chronicle“, ein sehr altes Buch, als Glücksbringer. Nach dem Briefing gesellen sich auch schon die ersten zwei Begleiter zu ihm. Kurz vor dem Aufbruch hat Stocke jedoch eine Vision, in der er sieht, wie seine Begleiter tot auf einer Lichtung liegen. Der Auftrag scheitert tatsächlich und die Vision erfüllt sich. Nach Stocke‘s Aleben findet er sich in der Dimension namens „Historia“ wieder, von der aus er mittels dem White Chronicle, in der Zeit zurückreisen und die Geschichte anders ausgehen lassen kann. Nachdem er zurückreist und den Ausgang der Mission zum Positiven lenkt, kommt man an einen Punkt, an dem man sich entscheiden muss, ob man beim Geheimdienst bleibt oder sich der Armee anschließen möchte. Hier splittet sich dann die Zeitlinie zu zwei Strängen und die eigentliche Reise beginnt.
Ein neuer Versuch
Ich bin eigentlich sehr empfindlich, was Zeitreise-Geschichten angeht, da sie in 99% der Fälle in einem Paradoxon enden. Hier ist es allerdings so erklärt, dass alle Ausgänge der Geschichte Möglichkeiten sind, die im White Chronicle niedergeschrieben werden und nur Stocke sich an die Ereignisse der Zeitlinien erinnern kann – quasi so wie im Film „Butterfly Effect“. Ziel ist es, das man das richtige Ende finden muss, damit die Welt nicht untergeht. So kann es beispielsweise passieren, dass man eine Entscheidung trifft, die zu einem verfrühten Ende führt. Demnach erlebt der Spieler aber keinen Game Over, sondern kehrt nach Historia zurück, um die Geschichte zu ändern. Einen richtigen Game Over gibt es nur, wenn man in einem Kampf getötet wird. Obendrein ist es von Nöten, die beiden Zeitlinien zu bereisen, um die jeweils andere ebenfalls zu beeinflussen und die Geschehnisse zu ändern. Dies klingt alles recht kompliziert, es besteht aber jederzeit die Möglichkeit, sich im Hauptmenü die Zeitlinien anzusehen und nachzulesen, was an welcher Stelle passiert ist. Trotzdem geht hier gerade im späteren Spielverlauf des Unterfangens die Übersicht ein bisschen verloren, insbesondere wenn man sich um Nebenquests kümmern möchte. Wie so oft bei solchen Geschichten, wäre jedes weitere Wort schon ein Spoiler, also sei nur so viel gesagt: Die Story ist durch die Zeitreisemechanik interessant und durch die Vernetzung der Zeitlinen sehr verstrickt erzählt. Die politischen Intrigen sind sehr gut und die ein oder andere Wendung bleibt natürlich nicht aus. Insgesamt ist es dann doch etwas zu generisch und auch etwas vorhersehbar, gerade wenn man das ein oder JRPG gespielt hat. Der „wie geht es weiter“ Aspekt ist hier die treibende Kraft und motiviert zum weiterspielen.
Das Kampfsystem
Das Gameplay ist größtenteils klassisch, Kämpfe werden rundenbasiert ausgetragen und man bereist verschiedene Ortschaften, um die Story voranzutreiben. Anders ist hingegen die Erzählstruktur, die nie das gesamte Bereisen der Weltkarte ermöglicht, sondern immer nur Zugang zu bestimmten Teilen freigibt, die gerade storytechnisch relevant sind. Auf der Weltkarte selbst kann der Spieler nicht frei herumlaufen, sondern geht von Punkt zu Punkt in die Gebiete. Innerhalb der Areale fallen die Einschränkungen weg und lassen zugleich einen Blick auf die Gegner werfen, die aktiv angesteuert werden können. Zufallskämpfe gibt es also nicht. Mit einem gezielten Schlag wird es dafür ermöglicht, die Gegner zu betäuben und den Kämpfen ganz aus dem Weg zu gehen – später kann man sich sogar gänzlich unsichtbar machen.
Da aber fast alle JRPG Fans wissen, dass man Kämpfen muss, um dauerhaft bestehen zu können, werden hier besonders die Strategiefreunde abgeholt. Das Kampfsystem ist so strategisch aufgebaut, dass es fast ein SRPG light in sich trägt. Die Helden befinden sich klassisch in einer Reihe, während die Feinde auf einer 3×3 Matrix angeordnet sind. Kleine Gegner nehmen nur ein Feld ein, während größere Gegner alle Felder einnehmen können. Der Clou hierbei ist, Gegner mit einem gezielten Angriff in den nächsten Kontrahenten zu schleudern, um ferner beide zugleich attackieren zu können. Daraus können sich ganz ausgetüftelte Combos entwickeln, die einem nicht selten das Gefühl der totalen Überlegenheit geben und unglaublich motivieren. Spätestens bei den Bosskämpfen muss man genau wissen was man tut, um eine Chance gegen sie zu haben. Ein Kuriosum des Kampfsystems ist, dass bei besiegten Gegner nicht automatisch der Nächste angegriffen wird. Boni für einen Overkill gibt es ebenso wenig und daher muss immer abgeschätzt werden, ob man nicht doch schon den nächsten Feind attackieren sollte. Neu in der 3DS Version sind die Unterstützungsangriffe der Begleiter, die nicht aktiv am Kampf teilnehmen. Diese sind aber zufällig und kommen häufiger vor, desto höher das Level ist.
Geht man doch einmal das Game Over Fenster auf, hat der Spieler die Möglichkeit Radiant Historia: Perfect Chronology neuzuladen, oder ein Continue in Form von Manakristallen zu benutzten. Die sind allerdings stark begrenzt und recht teuer beim Erwerb. Hier haben wir ein weiteres Kuriosum, denn alles ist wirklich teuer im Spiel. Chronischen Geldmangel geht mit dem Problem einher, denn so schnell wie man neue Ausrüstung kaufen könnte, wächst der Geldbeutel leider nicht, was die Menge an kaufbarer Ausrüstung etwas absurd macht. Nicht selten habe ich durch Zeitreisen eine räudige Gaunerbande dutzende Male erledigt, um nötiges Kleingeld zu erhalten. Auf der anderen Seite ist es aber nie unfair und frustrierend.
Durch die vielen Zeitlinien bereist man oft dieselben Gebiete. Nun könnte man dem Spiel billiges Recycling vorwerfen, das Setting ist aber stets passend und gerade wenn die Areale ermüdend wirken, ist man schon an einem neuen Ort, sodass nie Langeweile aufkommt
Nebenquests gibt es natürlich auch und die sind sehr gut mit in die Geschichte integriert. So muss zum Beispiel ein Eber in der Vergangenheit erlegt werden, damit in der Zukunft ein leckeres Gericht gekocht werden kann und der Koch in die königliche Küche aufgenommen wird. Allerdings sollte man ein sehr gutes Gedächtnis mitbringen wer wann was braucht und wo und wann der gesuchte Gegenstand auftaucht. Es kann durchaus passieren, dass man zum falschen Zeitpunkt reist und die ganze Stadt nach dem Questgeber absucht oder feststellt, dass man nicht zum entsprechenden Gebiet kommt. So etwas ist nervig, raubt unnötig Zeit und kann dazu führen, die Nebenquests links liegen zu lassen.
Grafik und Sound
Die Grafik ist eine Mischung aus 16Bit Figuren mit 3D Hintergründen, wie man es evtl. aus Titeln wie Grandia oder Breath of fire III kennt. Im Vergleich zum Original wurde hier nur die Auflösung angepasst. Das wirkt auch alles recht stimmig und die maue Auflösung des 3DS gerät dabei schon fast in Vergessenheit. Mit diesem Grafikstil einhergehend ist auch das Fehlen von Cutscenes. So werden stattdessen oft lange Dialoge geführt. Diese sind zwar allesamt gut und die Hauptfiguren haben sogar eine Sprachausgabe, aber sie sind eben lang. Glücklicherweise hat Atlus bei diesem Remaster aber an so ziemlich alle „Quality of life features“ gedacht, die man sich bei einem neueren JRPG wünschen kann. Dialoge können vorgespult, bereits erlebtes kann gar geskipt werden und ein automatisches Abspielen ist ebenfalls möglich. Die Autofunktion weiß nur leider manchmal nicht so recht, dass der Text schon vorbei ist. Dementsprechend neigt der gewillte Spieler gelegentlich zum manuellen Weiterdrücken und klickt dadurch aus versehen gleich die nächste Textbox weg, was jedoch kein Drama ist.
Gefühlt gibt es nicht viele Musikstücke, dafür klingen sie aber umso besser und gerade die Sprachausgabe ist echt der Knaller. Die ist, wie das ganze Spiel, allerdings nur auf Englisch verfügbar. Zu den Neuerungen zum Original zählt eben jene Sprachausgabe, runderneuerte Charakterportraits, eine Anpassung des Menüs, um bessere Übersicht zu haben und eine komplett neue Storyline mit einem neuen Charakter Namens Nemesia. Zu Anfang des Spiels wird man gefragt, ob man diesen Storystrang sofort oder erst nach Beenden des Spiels haben möchte. Während der Reise in Radiant Historia: Perfect Chronology, hat man zudem die Möglichkeit, den optionalen Dungeon „Vault of time“ zu bereisen.
Ich frage mich dennoch warum man sich entschieden hat, dieses sehr gute JRPG nicht auf die Switch zu portieren, denn 3D bietet das Spiel zu keinem Zeitpunkt.